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Israelische Raketen töten drei seiner Töchter –
aber ein palästinensischer Vater weigert sich zu hassen.
von Oakland Ross, 24. 4. 10
Wenn jemand im Nahen Osten 
das Recht hat zu hassen, so ist es ein palästinensischer Vater, Arzt und jetzt 
das erste Mal Autor: Izzedin Abuelaish.
Aber hier liegt das 
Paradox: Abuelaish weigert sich zu hassen.
Stattdessen bleibt 
er sehr engagiert mit der israelisch-palästinensischen Versöhnung. Und 
jetzt hat er ein lebendiges, eindringliches und alles andere als einen 
herzzerreißenden Bericht dieses Engagements geschrieben, eine Position, die zu 
verlassen, er sich weigert sogar angesichts einer Provokation – dem gewaltsamen 
Tod dreier Töchter und einer Nichte. 
Das Buch „ICH SOLL NICHT 
HASSEN“  soll am 1. Mai 
in Kanada veröffentlicht werden und 
bald rund um die Welt zu kaufen sein, nachdem es ins Arabische, 
Französische, Holländische, Deutsche, Hebräische, Italienische, Spanische und 
Türkische  u.a. Sprachen übersetzt 
wurde.
Für die Geschichte, die es 
erzählt, und für die Art des Erzählens verdient das Buch eine große und 
aufmerksame Leserschaft. 
„Wen hassen?“ fragt der 
55jährige Gynäkologe, der in einem palästinensischen Flüchtlingslager geboren 
und in Armut und Not aufgewachsen ist, doch 
seit  langem einen 
nahöstlichen Frieden befürwortet. „Wen hassen? Meine israelischen Freunde? Meine 
israelischen Kollegen? Die israelischen Babys, denen ich zur Welt geholfen 
habe?“
Das sind feine Fragen, die 
edle Unterscheidungen reflektieren, aber sie sind nicht 
die Fragen, die jeder in Abuelaishs Lage gestellt hätte – nicht nach all 
dem Leiden, das dieser Mann durchgemacht hat.
Am späten Nachmittag des 
16. Januar 2009 flogen ein paar Panzerraketen durch ein 
Schlafzimmer in Abuelaishs Wohnung in Gaza und verwandelte seine Welt in 
einen anderen Ort.  Drei seiner 
Töchter – Bessan, Mayar und Aya – starben an diesem Tag zusammen mit einer 
Nichte, Noor. Drei andere Familienmitglieder wurden schwer bei diesem, noch 
immer nicht geklärten Angriff verletzt, einschließlich Abuelaishs Bruder Nasser, 
eine vierte Tochter Shata und eine zweite Nichte Ghaida.
Wen hassen? 
Man meint, die Antwort 
würde einfach sein.  Es waren 
schließlich die Israelis, die den Krieg widerrechtlich führten, der 
Abuelaishs Familie zerstörte. Es waren auch die Israelis, die vor Jahrzehnten 
seine Familie aus dem Land ihrer Vorfahren im nördlichen Negev vertrieben haben 
und dessen Soldaten oder Beamten ihn in den folgenden Jahren unzählige Male an 
den Militärkontrollpunkten und Grenzübergängen schikaniert haben.
Es sind die Israelis, die 
Abuelaishs Heimat unter einer harten, strafenden, wirtschaftlichen Blockade 
halten und die ihn fast daran gehindert hätten, am Bett seiner an Leukämie 
erkrankten Frau zu sitzen, die nur vier Monate vor ihren Töchtern starb….
Wen hassen?
Warum nicht alle Israelis? 
Warum nicht alle Juden?
So hätten viele an 
Abuelaishs Stelle getan. Sie würden den Weg eines undifferenzierten Abscheus 
einschlagen.
Aber das ist nicht der Weg, 
den er gewählt hat. Tatsächlich geht er genau in entgegengesetzter Richtung – 
ein einsamer Soldat des Friedens in einer Region voller Krieger.
„Ich habe das Recht, zornig 
zu sein,“ sagt Abuelaish. „Aber ich frage mich, ist das der richtige Weg? So 
viele Leute erwarten von mir, dass ich hasse. Meine Antwort für sie ist: Ich 
soll nicht hassen.“
Als er dies sagte, hatte 
sich Abuelaish in  einem 5. 
Stock-Büro eingerichtet, von wo man  
das städtische Durcheinander der Spadina Straße mit dem CN-Turm und das Roger 
Zentrum in Toronto überblickt – ein Beweis – falls ein Beweis noch nötig ist – 
dafür, dass der gute Doktor nicht mehr im Gazastreifen ist. 
Er und seine ihm 
verbliebenen fünf Kinder leben jetzt in Toronto, wo er  
als außerordentlicher Professor an der Dalla-Lana-Schule für allgemeine 
Gesundheit an der Universität von Toronto einen fünf-Jahres-Vertrag hat. 
Die Familie stieß vor neun 
Monaten auf diese meist ruhige Küste, genau sechs Monate und eine Woche nach dem 
tödlichen Schlag auf ihre Wohnung in Gaza. 
Unprovoziert und scheinbar 
absichtlich geschah der Angriff während der letzten Tage der israelischen 
Invasion in den Gazastreifen (2008/2009), einem kurzen und einseitigen Kampf, in 
dem mehr als 1400 Palästinenser ihr Leben verloren und dreizehn Israelis auch 
starben.
Fast unmittelbar nachdem 
zwei Granaten in ihre Wohnung krachten und 
viel Blut,  Tote und Chaos 
hinterließen, ging ein verzweifelter Abuelaish an sein Handy und rief aufgeregt 
Shlomo Eldar an, einen TV-Journalisten in Tel Aviv, der genau zu diesem 
Zeitpunkt die Abendnachrichten in Kanal 10 moderierte …
Für viele, die dieses 
Gespräch beobachteten und hörten – in Israel, den palästinensischen Gebieten und 
vielleicht rund um die Welt – verkörperte die verzweifelte Intensität des 
Wortwechsels die Schrecken,  die 
Ironie und mysteriöse Intimitäten des israelisch-palästinensischen Konfliktes.
Kein Krankenhaus in Gaza 
hätte Shata oder Ghaida retten können, aber der Fernsehreporter Eldar war in der 
Lage, die zwei verletzten Mädchen ins Sheba-Krankenhaus bei Tel Aviv zu 
befördern, wo sie von einigen der besten Ärzte in hochmodernen Einrichtungen 
behandelt wurden.
Wen also hassen?
Die sich widersprechende 
Wahrheit ist, dass einige Israelis Palästinenser töten, aber andere Israelis 
palästinensische Leben retten – ein Rätsel, das 
jedoch  der Kompliziertheit 
des moralischen Labyrinths, das als Nahost bekannt ist, 
eine andere Ebene verleiht. Es ist ein Labyrinth, das Abuelaish seit 
langem erforschen wollte. Er was dafür mit einem der seltensten  
Fähigkeiten in Nahost ausgerüstet, mit einer offenen Denkweise.
Fast als einziger unter 
israelischen und palästinensischen Ärzten übte Abuelaish 
seinen Beruf auf beiden Seiten der Grenze zwischen Gaza und Israel aus, 
einer Grenze, die zu überqueren, nur wenigen Palästinensern erlaubt war 
- und dies zum Preis von viel Schikane und noch mehr Demütigung. 
Jahrzehntelang war Abuelaish bereit, diesen Preis zu zahlen, ohne bitter zu 
werden.
„Die Botschaft, die ich 
jetzt verbreite, ist nicht neu,“ sagte er. „Es ist mein Leben.“
So ist es. 1999 z.B. zehn 
Jahre bevor seine Töchter und Nichte getötet wurden, veröffentlichte das People 
Magazin einen langen und ausführlich illustrierten 
Artikel über diesen seltsamen palästinensischen Doktor, der sich zu 
hassen weigert. Ähnliche Geschichten erschienen in anderen Publikationen lange 
bevor die beiden Panzergeschosse im Januar 2009 durch seine Wohnung krachten.
Auch vor Israels Invasion 
in den Gazastreifen im letzten Jahr, wäre die Geschichte dieses Mannes ein Buch 
wert gewesen – eine Geschichte von Triumph über Not, von Hoffnung über Hass. 
In eine Familie 
palästinensischer Flüchtlinge geboren, die nach der Errichtung Israels 
gezwungen wurde, das Land ihrer Vorfahren zu verlassen, wuchs Abuelaish 
unter armen, ja erbärmlichen Verhältnissen in Gaza 
auf, in einem der ärmsten und am dichtesten besiedelten Gebiete der Erde.
Wie alle Welt weiß, hat 
dies viele junge Palästinenser dazu gebracht, sich zu bewaffnen, mit Bomben und 
Raketen zu befassen und sie zu Märtyrer werden lassen; aber Abuelaish schaffte 
es irgendwie, dieselben Bedingungen  
in eine Reihe eindrucksvoller medizinisch-akademischer Grade zu verwandeln, eine 
Karriere mit internationalen Auszeichnungen und einem tief verwurzelten 
Engagement für den Frieden.
„Ich bin stolz über das, 
was ich erreicht habe“, sagt er. „Gebt nicht auf. Mit harter Arbeit und gutem 
Willen, habt Ihr Erfolg.“
Auf fast allen anderen 
Lippen würden dieselben Worte naiv klingen …aber Abuelaish hat seinen Glauben in 
einer der härtesten  Gegenden der 
Erde geschmiedet. Er ist durch Mut und nicht durch Glück das geworden, was er 
jetzt ist. Er hat es  sicher 
verdient, gehört und anerkannt zu werden. 
Mit Hilfe des kanadischen 
Journalisten Sally Armstrong hat er sein Buch geschrieben…. Er malt ein 
lebendiges Bild von Gaza,  einer 
glücklosen Ecke des Globus, die es trotzdem schafft, ein lebhafter und 
geschäftiger Ort zu sein. …
Er hasst nicht, aber er 
klagt an … so intensiv schimpft der Doktor gegen das Leiden, das seinem Volk 
seit Jahrzehnten israelischer Besatzung auferlegt ist und nun 
besonders durch Israels Blockade des Gebietes; eine Taktik, die alle 1,5 
Millionen Bewohner wegen Taten einer kleinen Anzahl von Militanten straft.
In diesen Tagen natürlich 
befindet sich Abuelaish und seine engste Familie weit entfernt von den 
Gefängniszäunen und -mauern, von den Schmuggler-Tunnels und den Bombenkratern 
von Gaza. Die neuen Vereinbarungen scheinen jedem zu gefallen, wenigstens jetzt.
„Sie sind glücklich hier“, 
sagt Abuelaish von seinen fünf Kindern, drei Mädchen und zwei Jungen. „Sie sind 
voll beschäftigt.“
Shatha, die beim Angriff 
auf Gaza schwer verletzt wurde, hat sich völlig erholt. Jetzt ist sie 18. Sie 
hat fast das ganze Augenlicht eines Auges verloren und 
zwei Finger kann sie nicht mehr bewegen. Aber sie hat sich an der 
Universität von Toronto für  
Computertechnik eingeschrieben. „Es geht ihr gut,“ sagt er“ sie ist ein 
Beispiel.“
Alle fünf wurden 
begeisterte Kanadier, im Geist, wenn auch noch nicht dem Pass nach. Während sie 
im TV die Olympiade in Vancouver  
beobachteten, waren sie eifrig für die kanadischen Teilnehmer.
Zusätzlich zu den Aufgaben 
eines Vaters für seine Kinder und seinen Verpflichtungen an der Uni, hat er 
einen engen Reiseplan, der ihn quer durch Kanada und darüber hinaus reisen 
lässt, um seine Botschaft vom Frieden jeder Gruppe zu bringen, die ihn hören 
will.
Unter anderen 
Auszeichnungen ist er dieses Jahr für den Friedensnobelpreis nominiert worden.
Wie immer weist Abuelaish 
kategorisch die Gewalt aus Rache ab, die lange den Konflikt im Nahen Osten 
beherrscht hat und der auf beiden Seiten nur Leiden verursacht hat .
„Können wir lernen?“ fragt 
er und schaut über das geschäftige Zentrum von Toronto, eine hauptsächlich 
friedliche Ecke in einer boshaften Welt. „Können wir diesen wahnsinnigen Weg 
korrigieren?“
Gerade jetzt scheinen die 
Aussichten für Frieden zwischen Israelis und Palästinenser trostlos auszusehen. 
Aber Abuelaish besteht trotz allem auf Optimismus.
„Hoffen wir für morgen,“ 
sagt er. „Die Hoffnung verlieren, würde bedeuten, dass wir tot sind. Hoffnung 
ist Leben.“
(dt. und gekürzt: Ellen 
Rohlfs)