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Erklaerung zur Absage des Vortrags von Norman Finkelstein
Jüdische Stimme 20.02.2010
Dr. Norman Finkelstein hat seinen Flug nach Deutschland storniert.
Er wollte vom 24.2. bis 26.2. in München, Milbertshofen und Berlin sprechen.
Der geplante Titel dieser Vorträge war:
"1 Jahr nach dem israelischen Überfall auf Gaza – die 
Verantwortung der deutschen Regierung an der fortgesetzten Aushungerung der 
palästinensischen Bevölkerung".
Dieser Titel zeigt klare Kante. Er verstößt gegen die 
Sprachregelung der deutschen Politik. Er verstößt gegen die Sprachregelung der 
großen deutschen Medien. Und er spricht die Wahrheit aus.
Vor dieser Wahrheit hat die hiesige Lobbygruppe des 
israelischen Schlag-zu-Nationalismus große Angst. Also wurde eine Kampagne 
geführt. Der auf seine elterlich-jüdische Tradition stolze Finkelstein wurde als 
"Antisemit" und "Geschichtsrevisionist" diffamiert, mithin in die Nazi-Ecke 
gestellt. Die Jüdische Gemeinde Berlin, jüdelnde Gruppen in Der Linken 
(Arbeitskreise namens "Shalom") und ein jüdischer Arbeitskreis in der SPD riefen 
zur Demonstration gegen Finkelstein auf.
Mit diesen Gruppen wollte es sich die Evangelische Kirche 
ohne Not nicht verderben, ebenso die Parteistiftung der Grünen, und ebenso die 
Parteistiftung der Linken: Sie alle zogen ihre Zusagen zur Organisation der 
Veranstaltung zurück. Da nutzte es nicht genug, dass Finkelstein selbst Jude ist 
und dass wir, die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost, 
Mitveranstalter waren.
Es gab eine neue Raumzusage der "Junge-Welt-Gallerie" in 
Berlin. Aber dies ist ein relativ kleiner Saal, und Finkelstein schätzte die 
Lage nun so ein, dass die Streitereien sein Anliegen, das im Titel des Vortrags 
zum Ausdruck kommt, zu sehr überlagern würden. Er sagte ab.
Also ein Sieg für die Lobby des israelischen Schlag-zu-Nationalismus? Ja, selbstverständlich.
Aber ein Pyrrhus-Sieg. Denn diese Lobby, die in Berlin die 
Kirche, die Grünen und die Linke wieder auf Linie gebracht hat, hat damit zu 
deutlich gemacht, welche praktischen Konsequenzen ihre ungerechtfertigte 
Gleichsetzung von Kritik an Israels Unrecht mit Antisemitismus hat: 
Einschränkungen der Meinungsfreiheit. Dies ruft Widerstand hervor. In der 
Rosa-Luxemburg-Stiftung rumort es vermutlich. Es ist nur eine Frage der Zeit – 
und weiterer solcher "Siege" -  bis es auch in der SPD und in der CDU rumort. 
Denn Diskussionen über das offensichtliche Unrecht von Israel gegen die 
Palästinenser kann man nicht verhindern. Wir jedenfalls werden diese 
Diskussionen weiterführen.
Es ist auch ein Pyrrhus-Sieg auf ideologischem Gebiet. Denn 
in seinen besten Traditionen hat das Judentum danach gestrebt, die Welt durch 
aktives Handeln zu einer gerechteren und barmherzigeren Welt zu machen. Es war 
der geistige Führer des deutschen Judentums im letzten Jahrhundert, Rabbiner Dr. 
Leo Baeck, der das Judentum als die Religion der tätigen Moral definierte.  In 
diesem Sinne können und sollen Juden zu Verständigung, Dialog, Versöhnung und 
Frieden in Nahost beitragen.  Die Akteure, die im Namen ihres Judentums 
Finkelsteins Auftritt verhindert haben, stellen sich außerhalb dieser alten 
Tradition, und sie haben keine neue: Da ist nur eine große nationalistische 
Leere.
Das macht es in Zukunft nichtjüdischen Deutschen immer leichter, Recht und Unrecht in der Palästinafrage nicht nur zu erkennen, sondern auch zu benennen:
"1 Jahr nach dem israelischen Überfall auf Gaza – die 
Verantwortung der deutschen Regierung an der fortgesetzten Aushungerung der 
palästinensischen Bevölkerung".
Prof. Dr. Rolf Verleger
Vorsitzender der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V.