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Wir haben bald die Nase voll

Zeev Sternhell,

5.5.17

Haaretz

Erst wenn die Israelis  beginnen, zu empfinden, dass sie in Europa nicht länger  als  Gleiche wegen der Besatzung willkommen sind, wird dies das Hauptproblem bei  Wahlen .

Nicht nur Breaking the Silence und B‘tselem, sondern alle Menschenrechtsgruppen sollten dem Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und seinen Gefolgsleuten, Kultur und Sportminister Miri Regev und Vertreter der Außenministerin Tzipi Hotovely dankbar sein, dass sie auf der Weltbühne Schlüsselfiguren in der israelischen Politik sind. Die Treffen dieser Gruppen mit ausländischen Diplomaten zeigen auch, dass die Außenwelt, Regierungen und ebenso Medien der israelischen zivilen Gesellschaft größere Glaubwürdigkeit zumessen als Regierungssprecher.

In ihren Aktionen und Worten enthüllen Netanjahu und seine Lakaien  nicht nur  ihre tiefe Verachtung für  die Demokratie, eine Sünde aller im israelischen rechten Flügel,  sondern auch  noch einmal demonstrieren, dass der einzige Weg, die israelische Politik zu beeinflussen, durch Druck von  außen ist. In andern Worten, was nicht mit Druck funktioniert, wirkt mit mehr Druck. Bevor Deutschland und sein  zurückgewiesener Außenminister (nicht schafften) war das kleine Belgien, das sich auch nicht  von Netanjahus schlechten Manieren abschrecken ließ, und so wird es auch mit andern westeuropäischen Ländern sein. Sie teilen eine  resolute Einstellung: Die Besatzung ist illegal und ungesetzlich und wird außer  von der israelischen Rechten, einschließlich der US von Präsident Donald Trump nicht anerkannt.

Die Auseinandersetzung mit Deutschland zeigte, dass die Welt beginnt, von Israel   und sein frommes Getue  und schlüpfrigen mit Olivenöl ummantelte Argumente überdrüssig zu sein, auch von seiner Blindheit gegenüber dem palästinensischen Leiden und der Gleichgültigkeit gegenüber ihren Menschenrechten, seinem Zynismus hinsichtlich der Apartheid in den Gebieten. Deshalb  muss eine andere Frage von entscheidender Bedeutung gestellt werden: über das Ausmaß, in wie weit jeder israelische Bürger persönliche Verantwortung für all das trägt, was in den (besetzten) Gebieten geschieht. Die Besatzung ist nicht nur die Sache von ideologisch getriebenen Siedlern, fanatischen Westbank-Rabbinern und „Hügel-Rowdis“ und nicht nur  der Juden, die wegen der Vorteile oder der Notwendigkeit, wegen der Arbeit oder des billigen Wohnens willen in den Gebieten leben wollen. Die Besatzung liegt innerhalb des Bereiches persönlicher Verantwortung von einem Jeden von uns. Wir sind alle schuldig, weil  wir alle es erlaubten, sich zu entwickeln; Wir kämpften nicht dafür oder erhoben uns dagegen, und die meisten von uns unterstützen es praktisch sogar, als wir für die Labor-Partei von Simon Peres stimmten, dem Patron von Elon Moreh. Zurück, es würde relativ leicht sein, die    Besatzung aufzugeben, aber zu viele von uns sehen die Besatzung als eine Fortsetzung der traditionellen zionistischen Aktivität, das Land zu übernehmen

Jetzt 50 Jahre nach dem Juni 1967 leben wir alle ziemlich gut mit den Siedlungen, da keiner von uns, davon verletzt wurde. Keinem Israeli ist bis jetzt der Eintritt in irgend- ein Land verweigert worden, weil er ein Komplize des Apartheid-Regime in den Gebieten sei. So lang es möglich ist, gute Waren aus den Gebieten zu exportieren, offen oder anders werden die Proteste in Europas Hauptstädten unwirksam sein.

Tatsächlich so lang wie jeder anerkennt, dass Israelis nicht persönlich mit ihrer Brieftasche und ihrer Bequemlichkeit betroffen sind, solange sie zum Beispiel übers Wochenende nach London fliegen können, um eine gute Ausstellung oder ein anständiges Fußballspiel zu sehen, werden sie keinen Grund haben, sich über Pläne aufzuregen, die  das Land zwischen Jerusalem und Ma’ala Adumim annektieren. Wenn aber ein Besuch in Europa verbunden ist mit einem monatelangen Warten auf ein teures Visum, würden wir Israelis vielleicht beginnen, über Nutzen und Kosten nachzudenken.

Die Schlussfolgerung ist, dass erst, wenn Israelis zu fühlen beginnen, sie sind in Europa nicht mehr als Gleiche willkommen und zwar wegen der Besatzung und der Besiedlung von besetztem Gebiet, wird die Besatzung unsere Ansichten treffen und das Hauptproblem bei den Wahlen sein. Erst dann wird die erbärmliche „Besatzung“  gezwungen sein, zu entscheiden: zwischen  Kämpfen für unsere Zukunft oder die Demagogie weiterzuführen, während man sich selbst in seiner Inkonsequenz verhüllt.

(dt. Ellen Rohlfs)