Hael Al-Fahoum, Berlin, Paläst. Generaldelegation, 4.November 2009
Im
Hintergrund der Debatte im UN-Menschenrechtsrat über den Goldstone-Bericht über
Kriegsverbrechen, die während des Angriffes auf den Gazastreifen letztes Jahr
begangen wurden, gibt es die hartnäckige
israelische Behauptung, dass der
palästinensische Wunsch, die Kriegsverbrecher zu verfolgen, ein Akt
„diplomatischen Krieges“ gegen Israel darstelle und die offensichtliche Billigung dieser
Falschdarstellung durch die US-Regierung.
Dies
ist eine Wortverdrehung, die weit über die
Vorstellung von Krieg als Metapher hinausgeht. Sie soll wohl die
Botschaft vermitteln, falls man Frieden wünscht, wäre es besser, die
Gerechtigkeit zu vergessen. Es ist sinnvoll, sich daran zu erinnern, warum dies
völlig falsch ist.
Zunächst
ist ein diplomatischer Krieg kein Krieg, und solange es diplomatisch bleibt,
heißt dies gewaltfrei. Er kann darum auch nicht aus Aggression bestehen.
Zweitens: auch wenn die Handlungsprozedur nach den Empfehlungen des
Goldstone-Berichtes über den diplomatisch-politischen Mechanismus der UN
hinausgehen muss, ist die ganze Aktion grundsätzlich ein juristischer Prozess,
dessen praktisches Ergebnis die Anklage der Schuldigen vor dem Internationalen
Gerichtshof sein sollte.
Schon
seit einem Vierteljahrhundert hat die PLO alle Angriffe gegen Zivilisten
verurteilt, seien es Israelis oder Palästinenser. Solche Angriffe stellen
tatsächlich Kriegsverbrechen dar. Aber die PLO hat seit der Madrid-Konferenz
1991 und in Übereinstimmung mit ihrer Strategie ihren legitimen bewaffneten
Widerstand - ein explizit anerkanntes Recht nach dem Völkerrecht
- gegen die illegale ausländische Besatzung
zu Gunsten eines politischen Prozesses suspendiert.
Was
mir nun noch zu sagen übrig bleibt, ist
der Wunsch des palästinensischen Volkes, mit verschiedenen Formen eines
gewaltfreien politischen Kampfes – mehr noch mit legalen Mittel - einen
gerechten, dauerhaften Frieden zu erreichen.
Gibt
es etwas Friedlicheres als auf begangene
Verbrechen vor Gericht zu gehen, um dort Gerechtigkeit einzufordern und den
Schutz des Gesetzes zu suchen? Ist es nicht paradox, diese friedliche Methode
mit dem Gesetz als Aggression zu beschreiben?
Gerechtigkeit
für den einzelnen, die Geltendmachung von Kriegsverbrechen und die Verfolgung
von Kriegsverbrechern sind nicht nur vereinbar mit der Wiederaufnahme des
Friedensprozesses - sie sind sogar ein entscheidender Anteil beim Frieden
schaffen: weil in diesem Fall die Erosion von Israels Immunität und
Straflosigkeit eine Bedingung ist, um dem internationalen Gesetz
Glaubwürdigkeit zu verleihen; auch wegen der Identifizierung der individuellen
Verantwortung in der Kommandokette, die zu
Kriegsverbrechen führt, ist die einzige Alternative, um die kollektive Schuld zur Anklage zu
bringen, die gegenüber der ganzen Gemeinschaft erhoben wird, zu der die
Kriminellen gehören.
All
jene, die echt an der Erneuerung des Friedensprozesses in unserm Gebiete interessiert
sind, „sollten“, wie der internationale Jurist, der heute dem
Internationalen Sondertribunal für den
Libanon, Antonio Cassese, vorsteht, es ausdrückt, den
„Goldstone-Bericht unterstützen.“
(dt.
Ellen Rohlfs)