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Integration, nicht Distanzierung der israelischen Araber,  ist für die Staats-Sicherheit unerlässlich

Ayman Odeh, Haaretz 21.12.17

Es gibt nur eine mögliche Erklärung für die Wahlen in den letzten zwei Wochen : die Irrsinnigkeit von Verteidigungsminister Avigdor Liebermans. Das Gefühl nahender Wahlen macht jeden verrückt, besonders Lieberman, der seit langer Zeit versucht, ein Image eines verantwortlichen Erwachsenen darzustellen.

Vielleicht sollte der letzte Angriff  als ein  Anzeichen  der Mäßigung oder ein böses Omen für das kommende Schlimme sein.  Immerhin rief Lieberman vor der letzten Wahl vor dem Enthaupten von israelischen Arabern – vermutlich beeinflusst von der -islamischen Staats-Atmosphäre -   den gewöhnlichen Tenor von Ministerpräsident Benjamin Netanjahus  sehr rechter   Regierung und eine allgemeine Stimmung, die direkt zu solchen Ideen führt.

Transfer und Vertreibung hat  immer schon mit der Plattform von Liebermans  schwächer werdender Partei  zu tun. Aber jeder, der Augen im Kopf hat, weiß, dass das Vertreiben von Bewohnern aus Wadi Ara und der Transfer seiner Gemeinden auf das Gebiet  des zukünftigen  palästinensischen Staates eine Fantasie ist, um es vorsichtig auszudrücken.  Nicht nur weil wir arabischen Bürger dagegen sind und weil es die zwangsweise Aufkündigung der Bürgerschaft  von Hundert Tausenden von Leuten zur Folge hat, aber auch weil es undurchführbar ist. Israel wäre nie mit seinen Grenzen  in der Nähe von Hadera einverstanden und um nach Afula zu reisen, müsste man einen weiten Umweg durch Palästina machen. Der Vertreibungsplan, wie seine Kolumne am Donnerstag in Haaretz, ist Teil einer breiten Strategie, um Gewalt zwischen Juden und Arabern auszulösen, indem Israels arabische Bürger entmenschlicht und delegitimiert werden, indem man sie als erschreckend, gefährlich und mörderisch  darstellt.

Für Lieberman wird israelische Identität dadurch  aufgebaut, dass man  den Arabern  die Staatsbürgerschaft nimmt. Die Araber  leben so  auf geborgte Zeit in Israel, ihre Existenz hier nicht etwas Selbstverständliches ist.  Das Ziel ist, der arabischen Öffentlichkeit ihre politische Legitimität zu verweigern. Ihre  Staatsbürgerschaft in Zweifel zu ziehen. Immerhin bin ich ein Araber aus Haifa anders als ein Araber aus Nazareth oder Rahat oder in Wadi Ara?

Lieberman will uns allen sagen, dass unsere Staatsbürgerschaft  zweifelhaft ist und uns  in jedem Augenblick genommen werden kann, unabhängig von unserm Verhalten, nur einfach weil wir Araber sind. Falls dies der Fall ist, haben wir natürlich kein Recht, die Entscheidungen  des Staates mit zu beeinflussen. Schließlich sind wir nur vorübergehende Gäste in unserer Heimat.

Während wir Liebermans Angriffe, seine Hetze, hören, ist es unmöglich, nicht an die dunkelsten Regime des 20. Jahrhunderts erinnert zu werden. In Haaretz schrieb letzte Woche  Daniel Blatman Worte, die bei allen  Juden  nachklingen sollten: „Hass-Propaganda mit zerstörerischen Botschaften ist dafür bestimmt, in Zeiten der Krisen  zu Gewalt zu führen … Lieberman  benützt genau diese Methode.  Er predigt ständig anti-arabische Hass-Propaganda und schürt die Feindschaft und den Verdacht gegen die arabische Bevölkerung, die in breiten  Sektoren der jüdischen Öffentlichkeit existiert. Das Ende eines  Prozesses wird an die Wand der Geschichte in Buchstaben aus Blut und Gewalt geschrieben.“ Wir  dürfen Lieberman und seinen Mitarbeitern in der Regierung nicht erlauben, uns dahin zu führen.

Es ist wichtig auf Liebermans Worte in einem breiteren Kontext zu schauen.  Der Verteidigungsminister vertritt  anti-demokratische Ansichten. Dies sind klassische faschistische Ansichten, in denen  es keine Berücksichtigung für eine demokratische Regierung eines Staates gibt, der von Gesetzen regiert wird und in dem nur Gesetzesbrecher  bestraft werden. Nach Liebermans Position wird eine ganze Gemeinde nur wegen ihrer nationalen Identität angeklagt und bestraft.

Lieberman veröffentlichte seinen Hass-Kommentar in Haaretz als Antwort auf  einen Kommentar von Moshe Arens. Wie wir wissen, klafft  da ein politischer Riss zwischen Arens und mir; aber selbst er, von  seiner politischen Position auf der harten Rechten, war von Liebermans  Hetze erschrocken,  Arens deutete auf den Kampf für Gleichheit  mit der  Vereinten Liste und erwähnte sogar die Einbeziehung unserer (arabischer) MKs in echten Schritten, um die Diskriminierung  bei der Regierungsfinanzierung zu reduzieren.  Darüber wurde  bei unserm  Erfolg nachgedacht, als es darum ging, dass arabische Gemeinden mit Mitteln von der Cabinet-Resolution 922 finanziert  werden sollen, dem Fünf-Jahresplan für wirtschaftliche Entwicklung  für Israels arabische Gesellschaft.

Israels arabisch-palästinensische  Öffentlichkeit schreibt eindrucksvolle Errungenschaften trotz  institutionalisierter Diskriminierung und ständiger Hindernisse und Schwierigkeiten.  In diesem Jahr belegten  Araber  das erste Mal 18 Prozent aller Studenten höhere Bildung, die das akademische Jahr  begannen und mehr als die Hälfte der arabischen Studenten waren Frauen.

Unsere jungen Leute kämpfen, um Erfolg zu haben und um Erfolge auf dem Gebiet der High-Tech, der Naturwissenschaften und der Medizin zu machen.  Auf dem Gebiet der Kunst und Kultur ebnen junge Männer und Frauen auch einen einzigartigen und bewegenden Weg, der die Verflechtung unserer stolzen Identität darstellt und unser  aktives Leben im Land, das die andere Hälfte unseres Volkes besetzt hält.

Lieberman kann fortfahren  zu drohen, Doch dies ist unsere Heimat. Wir haben keine andere. Wir lieben die Landschaft unseres geliebten Landes. Wir bleiben hier auf immer und wir werden weiter mehr jüdische Partner suchen, die ein Leben in Partnerschaft  mit uns aufbauen wollen, die sich auf  Gleichheit und gegenseitigen Respekt gründet.

Knesset-Mitglied Ayman Odeh ist der Vorsitzende der „Vereinten Liste“ (in der Knesset)  (dt. Ellen Rohlfs)