Israel Palästina Nahost Konflikt Infos

Scherbenberg und Trümmerstätte
Ward die Welt und ward mein Leben.
Weinend möchte ich mich ergeben,
Wenn ich diesen Trotz nicht hätte.
Diesen Trotz im Grund der Seele,
Mich zu stemmen, mich zu wehren,
Diesen Glauben: was mich quäle,
Müsse sich ins Helle kehren,
Diesen unvernünftig zähen
Kinderglauben mancher Dichter
An unlöschbar ewige Lichter,
Die hoch über allen Höllen stehen.
(Aus: Späte Prüfung, Hermann Hesse)
Reuven Moskovitz – Hotel Leonardo Inn, 
Nr.721, Postfach 3686 , 96100 Jerusalem,
Tel. 00972 2 653 51 03, vardamos@hotmail.com
Liebe 
Freundinnen und Freunde!
Mag sein, dass 
meine Eitelkeit mich zu der Vermutung treibt, dass manche meiner Freunde sich 
fragen, warum ich mich nicht melde. Mit großer Zufriedenheit kann ich 
feststellen, dass ich in guter Gesundheit bin, kein Auto hat mich erwischt, auch 
keinen Herzinfarkt habe ich erlitten. 
Es stimmt, 
dass ich diesen Brief schreibe mit einem einigermaßen gebrochenen Herzen. Bei 
meinem 80. Geburtstag bekam ich von der Malerin Thea Bohmer eine Aquarell 
„Reuven, ein Rufer in der Wüste“.  
Ich habe mich immer als ein Rufer in einer großen Gewaltwüste an eine kleine 
Oase der Friedfertigen gewendet. Ich hoffe, dass ich mich irre, wenn ich den 
Eindruck habe, dass diese Oase von Hunderten Freunden am Schrumpfen ist. Es kann 
aber auch mit meiner kindlichen Annahme zu tun haben, dass alle Bekannten auch 
meine Freunde oder Gleichgesinnten sind. Was mich anbelangt, muss ich gestehen, 
dass auch die „Sintflut“ von Informationen, die meine Meinung bestätigen, zu 
meiner Schreibzurückhaltung beigetragen hat. 
Was meinen 
gegenwärtigen Zustand anbelangt, kann ich nur betonen, dass meine Mahnungen und 
Befürchtungen nicht nur bestätigt, sondern im rasanten Ausmaß noch übertroffen 
wurden. Mit Erich Fried kann ich behaupten, dass es nicht darauf ankommt, wann 
die israelische Politik und die Regierenden zu Verbrechern geworden sind. Es 
kommt jedoch darauf an, dass diese Politik in der Gegenwart mehr und mehr 
verbrecherisch wird. Ich habe gegen die Unterdrückung, Einsperrung und 
Benachteiligung der unter Besatzung lebenden palästinensischen Bevölkerung 
unablässig aufgeschrien. Heute wird Israel regiert von einer nationalistischen, 
rassistischen und klerikalen Koalition, die nicht nur die Palästinenser im 
Visier hat, sondern die israelische Demokratie. Das oberste Gericht steht unter 
einem dauernden Angriff. Unter ähnlichem Angriff stehen auch Teile der 
israelischen Palästinenser. 
Zum Beispiel 
streikte in Berlin Firas Maraghy, ein Jerusalemer Palästinenser 41 Tage lang. Er 
protestierte gegen den Versuch, seiner Tochter und seine Frau das Recht eines 
Jerusalemer Wohnsitzes zu verweigern. Inzwischen gab es ein Angebot seitens der 
israelischen Botschaft zur „Lösung des Problems“. Ein vorsichtiges Zeichen, dass 
andauernde Proteste und Solidarität – leider auch unter menschenunwürdigen 
Bedingungen für Firas Maraghy - eine positive Wendung nehmen können.
Ein anderes 
Beispiel: In Jerusalem steht ein ganzes Viertel – Sheich Jarach – unter der 
Bedrohung evakuiert zu werden, mehrere Familien wurden von ihren Wohnungen 
vertrieben und leben in Zelten. Das Wort „Judaisierung“ mag manche sensible und 
gut meinende Deutschen empören. Das aber ist genau die Absicht des rassistischen 
Bürgermeisters von Jerusalem.
Dutzende 
Häuser in Silwan – unmittelbares Nachbarviertel der Klagemauer - 
zum Beispiel stehen unter der Bedrohung, als illegal gebaute Häuser 
zerstört zu werden. Wer aber kann legal in Silwan bauen, wenn niemand die 
Genehmigung erhält, selbst auf dem eigenen Grundstück zu bauen?
Wie kann man 
diese nur sehr wenige von vielen Beispielen anders als mit dem Wort 
„Judaisierung“ bezeichnen?
Nicht nur die 
in Israel wohnenden Palästinensern und Beduinen werden verfolgt. Inzwischen 
werden auch israelische Juden boykottiert, die sich kritisch gegenüber der 
israelischen Politik äußern. Zum Beispiel werden zu Zeit Künstler 
verleumdet, die sich weigern in der jüdischen Siedlung in Westbank, Ariel, 
aufzutreten. Sie wollen damit  ein 
Zeichen setzen gegen die Normalisierung jüdischer Besatzung in der Westbank. 
Theaterspielhäuser und Ticketverkäufer werden aufgerufen diese Künstler mit 
allen Mitteln zu boykottieren.
Ursprünglich 
wollte ich nicht darüber schreiben. Doch Wut und Empörung drängen mich dazu, die 
zu einem Zorn der Hoffnungslosigkeit zu werden drohen. Es mag der Spruch 
stimmen, dass die Hoffnung zuletzt stirbt. Im gegenwärtigen Zustand und 
vorausgesetzt, dass keine radikale Wende kommt, ist meine Hoffnung fast tot. 
Nicht 
gestorben ist meine Bereitschaft,  
bis zu meinem letzten Atemzug gegen diesen unsäglichen Zustand zu protestieren. 
Nun möchte ich 
kurz ein paar persönliche Anliegen erörtern:
Im Gegensatz 
zu der Lage in Israel/Palästina geht es mir und meine Familie mehr als gut. Ich 
werde bald 82 Jahre alt und in diesem Jahr haben wir den 80. Geburtstag meiner 
Frau Varda gefeiert. Viele Freunde und Bekannten kennen sie – viele haben 
genossen ihre Gastfreundschaft und ihre künstlerischen Begabungen und ich habe 
ihre endlose Geduld und Unterstützung erlebt. Anlässlich ihres 80. Geburtstags 
haben meine Kinder und ich Varda mit der Ausgabe eines Buches, mit einer kleinen 
Auswahl ihrer Bilder und Gedichte, überrascht. Nun wird hiervon eine 
deutsch/hebräische Version gedruckt. Es ist mir ein Bedürfnis, unsere Freunde 
und Bekannten zu bitten, ihr als Zeichen der Anerkennung bei der Vorstellung des 
Buches persönlich zu begegnen. Ausnahmsweise bemühe ich mich für diese 
Veranstaltungen nicht zu improvisieren, sondern vorzeitig Termine festzulegen. 
Manche unserer Aufenthalte sind jetzt schon bekannt. In diesem Zeitrahmen werden 
die Buchvorstellungen stattfinden. Bitte merkt Euch diese Zeiten schon mal vor:
13.11.2010: Berlin, 
Niemöller Haus, Pacelliallee 61, 16 h – 20 h
16.11.2010: Berlin, Haus der Kirche, Goethestr. 27 – 30, (am Karl-August Platz) 
18 h – 21 h 
(ab 17 
h Empfang mit der Möglichkeit zum Anschauen einiger Bilder von Varda)
18.11.2010: Stuttgart, 
Kulturzentrum Merlin, 19:30h
19.11.2010: Hamburg, Cafe Quo Vadis, Grendelallee 95 (im Grendelviertel)
21.11.2010: München, Club Voltaire, Matinee, Frauenhoferstr. 9 
– München, 11h
29.11.2010: Gevelsberg 
Genauere 
Angaben zu den Terminen in Gevelsberg werden die Interessierten dort von den 
Organisatoren erhalten können.
In der 
Hoffnung, möglichst vielen Freunden und Bekannten zu begegnen, verbleibe ich in 
tiefer und dankbarer Verbundenheit,
Euer Reuven                           
                                                          
Berlin, September 2010
p.s. Ich werde 
über meine Erfahrungen auf dem jüdischen Schiff nach Gaza in den nächsten Wochen 
berichten, aber nur noch per e-mail verschicken.