Israel Palästina Nahost Konflikt Infos
Yonatan
Mendel, 6.3.08 London Review of Books, Vol. 30
Nr 5
Vor einem Jahr bewarb ich mich
bei Maariv, einer israelischen Zeitung, um den Job als
Korrespondent für die
besetzten Gebiete. Ich spreche arabisch und habe an palästinensischen Schulen
unterrichtet und an vielen gemeinsamen jüdisch-palästinensischen Projekten
teilgenommen. Beim Interview fragte mich der Boss, wie ich überhaupt objektiv
sein könne. Ich hätte doch zu viel Zeit mit Palästinensern verbracht; ich sei
doch zu sehr zu ihren Gunsten ausgerichtet. Ich erhielt den Job nicht. Mein
nächstes Interview fand mit Walla, Israels populärster Website, statt. Dieses
Mal erhielt ich den Job und ich wurde Wallas Nahost-Korrespondent. Bald verstand
ich, was Tamar Liebes, die Direktorin des „Smart Institute of Communication“ an
der Hebräischen Universität meinte, als sie sagte: „Journalisten und Verleger
sehen sich als Schauspieler innerhalb der zionistischen Bewegung, nicht als
kritische Außenseiter.“
Das heißt nicht, dass
israelische Journalisten nicht professionell sind. Korruption, sozialer Verfall
und Unehrenhaftigkeit werden mit lobenswerter Entschlossenheit von Zeitungen, TV
und Radio verfolgt. Dass Israelis genau hörten, was ihr früherer Präsident
Katsav mit seinen Sekretärinnen tat oder nicht tat, beweist, dass die Medien
ihre Rolle als Aufpasser spielen, selbst wenn sie
nationale oder internationale Verlegenheit verursachen. Ehud Olmerts
zweifelhafte Apartmentgeschäfte, das
mysteriöse Geschäft Ariel Sharons mit der griechischen Insel, Binyamin
Netanyahus geheime Liebesaffäre; Yitzhak Rabins geheime US-Konten: all dies wird
in den israelischen Medien offen diskutiert.
Wenn es sich aber um
„Sicherheit“ dreht, gibt es keine solche Freiheit. Man spricht von „uns“ und -
von „ihnen“, der IDF und dem Feind; militärischer Diskurs ist der einzig
erlaubte Diskurs, er übertrumpft jedes andere Narrativ. Nicht dass israelische
Journalisten Befehlen gehorchen oder einem schriftlich festgelegten Code folgen:
sie denken nur gut über ihre Sicherheitskräfte.
In den meisten Artikeln über
den Konflikt liefern sich die zwei Seiten einen
Kampf: die IDF einerseits und die Palästinenser auf der andern Seite.
Wenn über einen gewalttätigen Vorfall berichtet wird, bestätigt die IDF oder die
Armee sagt, aber die Palästinenser behaupten: ‚Die Palästinenser behaupten, dass
ein Säugling von IDF-Schießerei schwer verletzt wurde’. Ist das
Schwindelei? ‚Die Palästinenser behaupten, dass israelische Siedler sie
bedrohten’: aber wer sind die Palästinenser? Lebt das ganze palästinensische
Volk, israelische Bürger Israels, Bewohner der Westbank und des Gazastreifens,
Menschen, die in den Flüchtlingslagern
der benachbarten arabischen Staaten leben und jene, die in der Diaspora
leben – machen sie die Behauptung? Warum berichtet ein ernsthafter Artikel von
einer Behauptung, die Palästinenser machten? Warum wird so selten ein Name, ein
Ressort, eine Organisation oder die Quelle dieser Information genannt? Könnte es
sein, dass dies sie
vertrauenswürdiger erscheinen ließe?
Wenn die Palästinenser keine
Behauptungen machen, wird ihr Standpunkt einfach nicht gehört. Keshev, das
Zentrum für den Schutz der Demokratie in Israel, untersuchte die Art und Weise,
wie Israels TV-Kanäle und Zeitungen über palästinensische Todesfälle in irgend
einem Monat - z.B. im Dezember 2005
– berichteten. Sie fanden 48 Nachrichten, die über 22 palästinensische
Todesfälle berichteten. Doch nur
nach acht dieser Berichte folgte der IDF-Version eine palästinensische
Reaktion; bei 40 anderen Beispielen
wurde vom Standpunkt der IDF her berichtet.
Ein anderes Beispiel: Im Juni
2006, wurde vier Tage, nachdem der israelische Soldat Gilat Shalit von der
israelischen Seite des Gazasicherheitszaunes
gekidnappt wurde, nach
israelischen Medien sechzig Mitglieder der Hamas verhaftet, von denen 30
gewählte Mitglieder des Parlamentes und acht Minister der palästinensischen
Regierung waren. In einer gut
geplanten Operation nahm Israel den pal. Minister für Jerusalem, den
Finanzminister, den für Erziehung und Bildung, für religiöse Angelegenheiten,
für strategische Angelegenheiten,
den für Internes, für Wohnungen und
Gefängnisse wie auch die Bürgermeister von Bethlehem, Jenin und Qalqilia, den
Präsidenten des pal. Parlamentes und ein Viertel von dessen Mitgliedern
gefangen. Dass diese Leute mitten in der Nacht aus ihren Betten geholt und auf
israelisches Gebiet gebracht wurde, um wahrscheinlich als zukünftige
Tauschprojekte wie Gilad Shalit zu dienen, macht aus diesem Unternehmen keine
Entführung
Israel entführ nie – es
verhaftet.
Die israelische Armee tötet
nie absichtlich jemanden, geschweige denn mordet jemanden – ein Zustand
auf den jede bewaffnete Organisation neidisch wäre. Selbst wenn eine
Ein-Tonnenbombe auf ein dicht bevölkertes Wohngebiet im Gazastreifen fallen
gelassen wird, wobei ein Bewaffneter und 14 unschuldige Zivilisten,
einschließlich neun Kinder ums Leben kamen – dann ist das kein absichtliches
Töten oder Morden: es ist ein gezieltes Attentat. Ein israelischer Journalist
kann sagen, IDF-Soldaten haben
Palästinenser (tödlich) getroffen oder tötete sie oder tötete sie versehentlich
und dass Palästinenser getroffen
oder getötet wurden oder ihren Tod gefunden haben (als ob sie danach gesucht
hätten) – aber Mord kommt nicht in Frage. Die Konsequenz - egal welche Wörter
verwendet werden – der von
israelischen Sicherheitskräften nach dem Ausbruch der 2. Intifada
verursachte Tod von 2087
Palästinensern hat nichts mit
bewaffnetem Kampf zu tun.
Die IDF, wie sie von den
israelischen Medien beschrieben wird, hat eine andere seltsame Fähigkeit: sie
initiiert nie, entscheidet nie über
einen Angriff oder beginnt nie eine Operation. Die IDF re-agiert immer nur. Sie
reagiert auf Qassem-Raketen, antwortet auf Terrorakte, reagiert auf
palästinensische Gewalt. Das macht die Sache viel begreiflicher und
zivilisierter: die IDF ist gezwungen, zu kämpfen, Hauser zu zerstören,
Palästinenser zu erschießen und 4485 von ihnen
in sieben Jahren zu töten –
aber für keine dieser Aktionen sind
die Soldaten verantwortlich. Sie stehen einem abscheulichen Feind gegenüber, und
sie reagieren pflichtgemäß. Die Tatsache, dass ihre Aktionen: Ausgangssperren,
Verhaftungen, Belagerung vom Meer her, das Schießen und Töten
die Hauptursachen für die
Aktionen der Palästinenser sind, scheint die Medien nicht zu interessieren. Weil
Palästinenser nicht re-agieren können, wählen israelische Journalisten ein
anderes Verb aus dem Lexikon, das Rache, Provokation, Angriff, Aufhetzen, Steine
werfen und Verschießen von
Qassamraketen einschließt.
Als
ich im Juni 2007 Abu -Qusay, den Sprecher der Al-Aqsa-Brigaden im
Gazastreifen interviewte, fragte
ich ihn über die Gründe des Abschießens der Qassams auf die israelische Stadt
Sderot. ‚Die Armee wird darauf reagieren,’ sagte ich, ohne zu realisieren, dass
ich schon voreingenommen war. „Aber wir reagieren doch nur,“ sagte Abu-Qusay.
„Wir sind keine Terroristen, wir wollen nicht töten … wir leisten nur Widerstand
gegen Israels ständige Überfälle in die Westbank, auf seine Angriffe, seinen
Wasserraub und die Absperrung unseres Landes.“ Abu-Qusays Worte wurden ins
Hebräische übersetzt, aber Israel fährt fort, jede Nacht in die Westbank
einzufallen, und Israelis finden nichts dabei. Schließlich war es doch nur eine
Reaktion.
Zu einer Zeit als es viele
Überfälle auf den Gazastreifen gab, stellte ich meinen Kollegen folgende Frage:
„Wenn ein bewaffneter Palästinenser die Grenze überquert und israelischen Boden
betritt, nach Tel Aviv fährt und auf Leute dort auf der Straße schießt, dann ist
er doch ein Terrorist, und wir werden die Opfer sein, nicht wahr? Doch wenn die
IDF die Grenze überquert, meilenweit in den Gazastreifen eindringt und anfängt,
auf Bewaffnete zu schießen, wer ist der Terrorist und wer ist der Verteidiger?
Wie kommt es, dass die Palästinenser, die in den besetzten Gebieten leben, nie
in Selbstverteidigung engagiert sein können, währen die israelische Armee immer
nur der Verteidiger ist. Mein Freund Shay von der Graphikabteilung machte mir
die Sache klar:
„Wenn du nach Gaza gehst und dort auf Leute schießt, dann bist du ein
Terrorist. Aber wenn die Armee dies tut, dann ist es eine Operation, die Israel
sicherer macht. Es ist die Ausführung einer Regierungsentscheidung“.
Eine andere interessante
Unterscheidung zwischen uns und ihnen wurde deutlich, als die Hamas die
Freilassung von 450 Gefangenen im
Austausch für Gilad Shalit verlangte. Israel verkündete, dass es wohl Gefangene
entlassen würde, aber nicht solche mit Blut an den Händen. Es sind immer die
Palästinenser – niemals die Israelis, die Blut an ihren Händen haben. Das heißt
nicht, dass Juden nicht Araber töten könnten. Aber sie haben kein Blut an ihren
Händen. Und falls sie verhaftet werden, dann werden sie nach ein paar Jahren
entlassen; ganz zu schweigen von denen, die
Blut an ihren Händen haben und
Ministerpräsident wurden. Und wir sind nicht nur unschuldiger, wenn wir
töten, sondern auch schmerzempfindlicher, wenn wir verletzt werden. Eine normale
Beschreibung einer Qassam-Rakete, die Sderot trifft, wird gewöhnlich so
aussehen: „Eine Qassam fiel in die Nähe eines Wohnhauses, drei Israelis hatten
leichte Verletzungen und zehn andere litten unter Schock. Man sollte diese
Verletzungen nicht leicht nehmen: wenn eine Granate mitten in der Nacht ein Haus
trifft, kann sie wirklich einen großen Schock verursachen.
Doch sollte man sich daran erinnern, nur Juden litten
unter Schocks. Die Palästinenser sind ein sehr strapazierfähiges Volk.
Die IDF tötet nur die
wichtigsten Leute – und wird so wieder von allen anderen Armeen beneidet. ‚Ein
hochrangiges Mitglied der Hamas wurde getötet’ reden die israelischen Medien im
Chor. Hamas-Mitglieder niederen Ranges sind anscheinend nie gefunden oder nie
getötet worden. Shlomi Eldar, ein TV-Korrespondent im Gazastreifen schrieb über
dieses Phänomen in seinem Buch „Blind in Gaza“ (2005). Als Riad Abu Zaid 2003
ermordet wurde, wiederholte die israelische Presse die IDF-Meldung, dass der
Mann der Chef des militärischen Flügels von Hamas im Gazastreifen war. Eldar,
einer von Israels wenigen Enthüllungsjournalisten, entdeckte, dass der Mann nur
ein Sekretär im Gefangenen-Club der Bewegung war. Es war einer der vielen Fälle,
in denen Israel einen palästinensischen Aktivisten
„aufgewertet hatte, schrieb Eldar. Nach jeder Ermordung wird jeder kleine
Aktivist zu einem hochrangigen
„befördert“,
…..
‚Die IDF agiert im
Gazastreifen’ (oder in Jenin, oder in Tulkarem oder in Hebron) ist
der übliche Ausdruck der Armee, der von den Medien aufgegriffen wird.
Warum sollte man das Leben der Zuhörer noch schwerer machen? Warum ihnen
erzählen, was die Soldaten tun,
warum die Angst beschreiben, die sie verursachen, dass sie mit schweren
Fahrzeugen und Waffen kommen und das Leben einer Stadt zermalmen und
so noch mehr Hass, Sorgen und den Wunsch nach Rache erzeugen?
Als eine Maßnahme gegen die
Qassam-Militanten entschied Israel im letzten Monat, die Zufuhr von Strom für
den Gazastreifen täglich ein paar Stunden zu sperren. Obwohl das z.B. bedeutet,
dass Krankenhäuser ohne Strom sind; es wurde gesagt, dass ‚Israel sich zu diesem
Schritt entschieden hat, da dies eine nicht tödliche Waffe’ sei.
Was die Soldaten auch noch machen, ist Säubern – khisuf. Im normalen
Hebräisch bedeutet khisuf etwas aufdecken, was verborgen ist. Aber von der IDF
benützt, bedeutet es, ein Gebiet, in dem sich
bewaffnete Palästinenser
verbergen könnten, zu säubern: Während der letzten Intifada zerstörten
israelische D9-Bulldozer Tausende von
palästinensischen Häusern, entwurzelten Tausende von Bäumen und ließen
Tausende von Gewächshäusern
zerstört zurück. Es ist besser, nur
zu erfahren, dass die Armee den Ort ‚gesäubert’ hat, als mit der Realität
konfrontiert zu sein, dass die Armee palästinensischen Besitz, Stolz und
Hoffnung zerstört hat.
Ein anderes nützliches Wort
ist „crowning“ – hebr. keter – Krone, ein Euphemismus für Belagerung, bei der
jeder, der sein Haus verlässt, riskiert, erschossen zu werden. Kriegszonen sind
Orte, wo Palästinenser getötet werden können, auch wenn es Kinder sind, die
nicht wissen, dass sie eine Kriegszone betreten haben. Palästinensische Kinder
werden übrigens oft zu palästinensischen Teenagers, besonders dann, wenn sie
versehentlich getötet wurden. Noch andere Beispiele: isolierte
israelische Außenposten in der Westbank werden illegale Außenposten genannt,
vielleicht im Gegensatz zu
israelischen Siedlungen, die
anscheinend legal seien. Administrative Haft bedeutet Menschen in Haft halten,
die vor kein Gericht gestellt wurden oder noch nicht einmal formell
beschuldigt wurden ( im April 2003 waren es 1119 Palästinenser). Die PLO
wird immer nur mit ihrem Akronym benannt, nie mit ihrem vollen Namen; denn das
Wort Palästina wird fast nie verwendet – es gibt wohl einen palästinensischen
Präsidenten, aber keinen Präsidenten von Palästina.
‚Eine Gesellschaft, die sich
in einer Krise befindet, schafft sich ein neues Vokabular,’ schreibt David
Grossman in seinem Buch „Der gelbe
Wind“, und so nach und nach taucht
eine neue Sprache auf , deren Wörter nicht mehr die Realität beschreiben,
sondern sie zu verbergen versucht’. Diese ‚neue Sprache’ wurde freiwillig von
den Medien übernommen. Aber wenn man einen offiziellen Satz von Richtlinien
benötigt, dann kann dies im Nakdi-Bericht gefunden werden, Unterlagen, die von
der Rundfunkbehörde zusammengestellt wurden. Seit 1972 wurde sie schon drei mal
aktualisiert. In dem Bericht geht es darum, der Arbeit von Zeitungsleuten
einige professionelle Regeln zu geben. Dazu gehört, dass der Terminus
„Ost-Jerusalem“ nicht mehr gebraucht werden darf.
Die Restriktionen sind nicht
auf Geographisches beschränkt. Am 20 Mai 2006 berichtete Israels populärster
TV-Kanal 2 über eine weitere
gezielte Tötung im Gazastreifen, eine Tötung, die den Qassambeschuss
verringern helfen wird (Es waren 376 Leute durch gezielte Tötungen ums
Leben gekommen – unter ihnen 150 Zivilisten, die nicht das Ziel „gezielter
Tötungen“ waren) Ehud Yaari, ein
bekannter israelischer Korrespondent über arabische Angelegenheiten, saß im
Studio und sagte: „Der Getötete war Muhammed Dahdouh vom islamischen Jihad …
dies ist Teil des anderen Krieges, der die Zahl der Qassam-Aktivisten verringern
soll.’ Weder Yaari noch der IDF-Sprecher fanden es der Mühe wert, zu berichten,
dass auch vier unschuldige
palästinensische Zivilisten bei dieser Operation getötet und drei weitere schwer
verletzt wurden, darunter ein fünfjähriges Mädchen. Maria, das ab jetzt vom Hals
ab gelähmt sein wird. Dieses vom israelischen Journalisten Orly Vilnai enthüllte
‚Versehen’, macht deutlich, wie viel wir nicht wissen, obwohl wir meinen, es zu
wissen.
….
Israelische Korrespondenten
für arabische Angelegenheiten müssen natürlich arabisch sprechen – viele von
ihnen lernten es in Schulen des Sicherheitsestablishments – und sie müssen die
Geschichte und Politik des Nahen Ostens kennen. Und es müssen Juden sein.
Bemerkenswert ist, dass die israelisch-jüdischen Medien Journalisten mit
durchschnittlichen Arabischkenntnissen denjenigen mit muttersprachlichen
Arabischkenntnissen vorziehen, da
diese palästinensische Bürger Israels wären. Anscheinend können jüdische
Journalisten besser erklären „was Araber denken“, „was Araber wollen“, „was
Araber sagen“ . Vielleicht ist es darum, weil die Redakteure wissen, was ihr
Publikum zu hören wünscht. Oder – was noch wichtiger ist – was das israelische
Publikum lieber nicht hören möchte.
Wenn die Wörter Besatzung,
Apartheid und Rassismus ( ganz zu schweigen von palästinensischen Bürgern
Israels, Bantustans, ethnische Säuberung und Nakba) im israelischen Diskurs
nicht vorkommen, können die israelischen Bürger ihr ganzes Leben verbringen,
ohne zu wissen, in welchem Umfeld sie gelebt haben. Man nehme z.B. Rassismus:
Wenn das israelische Parlament ein Gesetz herausgibt, dass 13% des Landes nur an
Juden verkauft werden können, dann ist dies ein rassistisches Parlament. Wenn in
60 Jahren das Land nur einen einzigen arabischen Minister hatte, dann hat Israel
rassistische Regierungen. Wenn in 60 Jahren während Demonstrationen
gummiummantelte Kugeln und tödliche Munition nur gegen arabische Demonstranten
angewandt wurden, dann hat Israel eine rassistische Polizei. Wenn 75% der
Israelis zugeben, dass sie sich weigern würden, einen arabischen Nachbarn zu
haben, dann ist die Gesellschaft rassistisch. Indem man nicht anerkennt, dass
Israel ein Ort ist, wo Rassismus die Beziehungen zwischen Juden und Arabern
bestimmt, macht es den israelischen Juden unmöglich, sich mit diesem Problem, ja
mit der Realität ihres eigenen Lebens auseinander zu setzen.
Dieselbe Realitätsleugnung
wird durch die Vermeidung des Terminus Apartheid deutlich. Wegen der Assoziation
zum weißen Südafrika fällt es den Israelis schwer, dieses Wort anzuwenden. Das
heißt nicht, dass es in den besetzten Gebieten dieselbe Art von Herrschaft gibt.
Aber ein Land braucht keine Bänke „nur für Weiße“, um ein Apartheid-Staat zu
sein. Apartheid bedeutet Trennung. Und wenn die Siedler in den besetzten
Gebieten eine Straße haben und die Palästinenser andere Straßen oder Tunnel
benützen müssen, dann ist das ein Apartheidstraßensystem. Wenn die
Trennungsmauer auf Tausenden von Dunum von konfisziertem Land gebaut wurde und
die Menschen ( einschließlich Palästinenser, die auf beiden Seiten der Mauer
leben) von einander trennt, dann ist es eine Apartheidmauer. Wenn es in den
besetzten Gebieten zwei Rechtssysteme gibt, eines für die jüdischen Siedler und
das andere für die Palästinenser, dann ist das eine Apartheidjustiz.
Und dann gibt es die besetzten
Gebiete selbst. Bemerkenswert ist, dass es in Israel keine „besetzten Gebiete“
gibt. Der Terminus wird gelegentlich nur von einem linken Politiker oder
Journalisten gebraucht. In der Nachrichtenabteilung gibt es ihn nicht. In der
Vergangenheit wurden sie „verwaltete Gebiete“ genannt, um die Tatsache der
Besatzung zu verbergen. Dann wurden sie „Judäa und Samaria“ genannt. Aber in den
Massenmedien werden sie heute „die Gebiete“ genannt. Der Terminus hilft, die
Vorstellung zu bewahren, dass Juden die Opfer sind, dass es das
( jüd.)Volk ist, das nur in
Selbstverteidigung handelt -
die moralische Hälfte der Gleichung und die Palästinenser die Angreifer, die
Bösen, sind, die grundlos aggressiv sind. Das
einfachste Beispiel erklärt es so: ein
Bewohner der Gebiete wurde geschnappt, als er illegal Waffen schmuggelte.
Es macht Sinn, wenn Bewohner eines
besetzten Gebietes versuchen, gegen den Besatzer ( mit Waffen) Widerstand zu
leisten – aber es macht keinen Sinn, wenn es ein Bewohner aus „den
Gebieten“ ist.
Israelische Journalisten sind
nicht im israelischen Sicherheitsestablishment eingebettet
und sie sind auch nie darum gebeten worden, ihrem Publikum Israels
Militärpolitik angenehm darzustellen. Die Beschränkungen halten sie freiwillig,
fast unbewusst ein – was ihre Praxis um so gefährlicher macht. Doch die Mehrheit
der Israelis hat das Gefühl, dass ihre Medien zu links sind, nicht patriotisch
genug, nicht genügend pro- Israel. Aber die ausländischen Medien sind noch
schlimmer. Während der letzten Intifada verlangte der Finanzminister Avraham
Hirschson, dass
CNN-Sendungen für Israel gesperrt werden müssten, weil sie einseitige und
tendenziöse Programme brächten, die nichts anderes als eine Hetzkampagne gegen
Israel seien. … Israelische Männer
sind verpflichtet, bis zum Alter von 50 Jahren
einen Monat / pro Jahr Militärdienst zu machen. Yigal Yadin, ein früherer
Generalstabschef sagte: ‚ein Zivilist ist ein Soldat der
jährlich 11Monate Urlaub hat’.
Die israelischen Medien haben
keinen Urlaub.
Yonatan Mendel war ein
Korrespondent für die israelische Nachrichtenagentur Walla. Er
ist z.Zt am Queens College, Cambridge, wo er seine Doktorarbeit macht
(Connection between the Arabic
Language and the security in Israel.)
(dt. und gekürzt: Ellen
Rohlfs)