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Obama ein ehrlicher Makler?

 

John Mearsheimer, 26.7.09 Economist

 

Präsident Obama möchte ein ehrlicher Makler zwischen Israel und den Palästinensern sein. Nicht weil er anti-Israel ist, sondern weil er glaubt, dass eine faire Politik für Israel und für die Palästinenser gut wäre und nicht zuletzt und am wichtigsten für die USA selbst.

Das Problem, dem Obama gegenübersteht, ist jedoch , dass Amerika seit langem eine besondere Beziehung zu Israel hat, die es  für jeden Präsidenten fast unmöglich macht, als ehrlicher Makler im Nahen Osten zu verhandeln. Washington gibt Israel ständigen diplomatischen Rückhalt und mehr ausländische Hilfe als jedem anderen Land, und Israel bekommt diese Hilfe sogar dann, wenn es Dinge tut, mit denen die USA nicht einverstanden sind wie z.B. dem Siedlungsbau in den besetzten Gebieten. Israel wird selten von amerikanischen Offiziellen kritisiert und schon gar nicht von jemanden, der nach dem höchsten Amt strebt.

 

Die besonderen Beziehungen hängen in erster Linie mit dem Einfluss der israelischen Lobby zusammen, eine der mächtigsten Interessengruppen in Washington. Israels Unterstützer behaupten oft, dass die einzigartige Beziehung nicht mit dem Einfluss der Lobby zu tun habe. Vielmehr damit, dass das amerikanische Volk sich sehr mit Israel identifiziert, und die Politiker deshalb natürlich Israel großzügig unterstützen, ja, fast bedingungslos.

Doch gibt es eine Menge Beweise, die diesen Erklärungen widersprechen. Die letzten Umfragen belegen, dass über 70 % der Amerikaner denken, die USA solle sich nicht einseitig in den israelisch-palästinensischen Konflikt mischen, und 60 % der Amerikaner sagten, die USA solle die Hilfsgelder zurückhalten, wenn es sich weigert, ein Friedensabkommen mit den Palästinensern zu erreichen. Kurz gesagt: eine klare Mehrheit der Amerikaner sind gar nicht so sehr für die besonderen Beziehungen und  sie würden Obama unterstützen, wenn er gegenüber Israel und den Palästinensern fair vorgehen würde.

Wenn er über die Rhetorik hinausgeht und wirklichen Druck auf Israel ausüben würde, werden leider wichtige Gruppen in der Lobby mobil machen und ihn stoppen. Er wird sich wachsender Kritik von Seiten pro-Israel-Punditen und Veröffentlichungen und Politikern  gegenüber sehen, die bei Wahlkampagnen von den Geldern  von Israelunterstützern abhängen; sie werden ihn bedrängen, eine moderatere Haltung einzunehmen. Viele von Israels Unterstützern werden die besonderen Beziehungen verteidigen, weil sie glauben, die Interessen der beiden Länder stimmen überein und weil sie glauben, selbst milder Druck auf Israel könnte seine Sicherheit gefährden.

 

Sie haben Unrecht. Israels Interessen, wie die Interessen eines jeden anderen Landes, sind nicht dieselben wie die Amerikas. In den Fällen, wo die Interessen beider Länder kollidieren, macht es für Washington wenig Sinn, Israel zu unterstützen. Außerdem hat noch nie ein Land eine fehlerfreie Außenpolitik verfolgt – und keine wird es je tun . Wenn wir diese Tatsache berücksichtigen, wäre es nicht sinnvoll, wenn US-Führer Israel offen kritisieren und es unter Druck setzen, wenn es eine falsche Politik macht? Diese besonderen Beziehungen deuten jedoch daraufhin, dass amerikanische Führer Israel unterstützen müssen, selbst dann, wenn es töricht handelt. Man mag es kaum glauben, wie sinnlos solch eine Situation für die USA sind, geschweige denn für Israel.

Der beste Beweis dafür, wie die besonderen Beziehungen beiden Ländern schaden, ist die US-Unterstützung für Israels brutale und illegale Praktiken in der Westbank und im Gazastreifen. Es ist die offizielle Politik jedes US-Präsidenten seit 1967 gewesen, den Siedlungsbau in den besetzten Gebieten abzulehnen. Doch kein Präsident war in der Lage, genügend Druck auf Israel auszuüben, mit dem Siedlungsbau aufzuhören, weil kein Präsident bereit war, den politischen Preis zu bezahlen, den solch ein Schritt mit sich gebracht hätte.

Es gibt eine Menge Daten und anekdotenhafte Beweise dafür, die aufzeigen, dass die amerikanische Unterstützung für Israels brutale Behandlung der Palästinenser im Gazastreifen viele Menschen in der arabischen und islamischen Welt ärgert, wenn nicht gar wütend macht. Es ist gar nicht überraschend, dass der Zorn gegen die USA den Terrorismus anheizt, einschließlich der Angriffe von 11.9. Israels Unterstützer behaupten oft, dass die Ereignisse um den 11.9. nichts mit Israel zu tun haben. Aber wir wissen aus der Arbeit der  11.9.-Kommission , dass die USA-Unterstützung eine der wesentlichen Gründe waren, warum Amerika an diesem schicksalhaften Tag getroffen wurde .  Die Kommission berichtete z.B., dass Osama Bin Laden wollte, dass die Angreifer den Congress treffen, weil er ihn als Israels wichtigste Quelle der Unterstützung in den USA sah. Sie sagt uns auch, dass Bin Laden zweimal versuchte, das Datum  der Angriffe zu verschieben, wegen Vorfällen, in die Israel verwickelt war, obwohl dadurch das Risiko eines Fehlschlages größer gewesen wäre. Man denke auch daran, was die Kommission über die Motive von Khalid Sheik Muhammed, dem Hauptdrahtzieher der Angriffe, sagt: „KSM’s Feindseligkeit gegen die USA, stammten nicht von seinen Erfahrungen als Student, sondern vielmehr von seiner großen Meinungsverschiedenheit zur US-Außenpolitik, die Israel so begünstigt. Kurz gesagt: die besonderen Beziehungen haben geholfen, das amerikanische Terrorismus-Problem anzuheizen, weil es die USA zwingt, Israels brutale Behandlung der Palästinenser zu unterstützen.

Die US-Unterstützung von Israels Kolonisierung der besetzten Gebieten ist auch für Israel schlecht, weil es Israel dahin bringt, sich in einen Apartheidstaat zu verwandeln. Israels augenblickliche Führung zeigt wenig Interesse an einer echten Zwei-Staaten-Lösung. Stattdessen will sie unbedingt die Siedlungen vergrößern und die israelische Kontrolle über den Gazastreifen und die West Bank verstärken. Das Ergebnis wird ein Groß-Israel sein, in dem die Palästinenser eingeschränkte Autonomie in einer Reihe nicht zusammenhängender und wirtschaftlich verkrüppelter Enklaven haben.  Wenn dies wie das von Weißen beherrschte Süd-Afrika klingt, so soll es genau dies. Tatsächlich sagte ein früherer israelischer Ministerpräsident, Ehud Olmert im letzten Jahr, wenn es keine Zwei-Staaten-Lösung gibt , dann „wird sich Israel einem südafrikanischen Kampf gegenüber sehen“. Und dann  warnte er noch: „ sobald dies geschieht, ist auch Israel am Ende“.

Für Israel würde es viel besser gewesen sein, wenn die USA schon  längst so viel Druck ausgeübt hätte, um den Siedlungsbau zu stoppen, und es zugelassen hätte, dass ein lebensfähiger Staat entsteht. Aber das geschah nicht, weil die besonderen Beziehungen es für amerikanische Führer unmöglich machten, die ihnen zur Verfügung stehende Macht zu gebrauchen, um diesem tragischen Konflikt ein Ende zu setzen.

Obama ist nicht dumm; er versteht, dass Israels Politik in den besetzten Gebieten weder für die USA noch für Israel gut ist. Und er versteht, dass das, was Israel den Palästinensern angetan hat, ganz und gar nicht mit den amerikanischen Werten und den weithin akzeptierten Menschenrechtsprinzipien übereinstimmt.

 

Da gibt es nur einen Weg aus dieser katastrophalen Situation: die USA müssen sich über die besonderen Beziehungen hinwegsetzen und  eine faire Politik gegenüber Israel und den Palästinensern durchführen. Obama hat sicher einige kleine Schritte in diese Richtung gemacht, rennt aber schon in den Widerstand der Lobby-Hardliners. Seine einzige Hoffnung für Erfolg ist die wachsende Anzahl amerikanischer Juden, die Olmerts weise Worte über Israels Zukunft begreifen und sich den pro-Israel-Organisationen wie J(üdische) Straße und das Israelische Politikforum anschließen, die sehr mit einer Zwei-Staaten-Lösung übereinstimmen und wollen, dass die USA Druck auf Israel ausübt, um den Kurs zu verändern. Wenn dies nicht geschieht, wird es für alle Seiten große Probleme geben.

 

(dt. Ellen Rohlfs)