Israel Palästina Nahost Konflikt Infos

Die hebräischen Neo-Nazis

 

Gideon Levy, 20. August 2017  Haaretz

Warum sagen Israelis nicht zu US-Präsident Donald Trumps Kommentaren über „viele feine Leute“ , die  an der Rally der weißen Supremazisten in Charlotteville teil genommen haben?

Israel hat kein moralisches Recht, den US-Präsidenten Donald Trump wegen seiner  verzeihenden Bemerkungen über die Neo-Nazis in seinem Land zu machen.  Zunächst war Israel nicht wirklich geschockt von dem, was er sagte. Schließlich ist es bereit alles von jedem zu akzeptieren, der die israelische Besatzung unterstützt. Das geschieht hier  grundsätzlich. Ob das  ein ungarischer  Faschist ist oder ein amerikanischer Neo-Nazi – solange sie die Besatzung unterstützen – selbst wenn sie im Geheimen Juden hassen -  werden als Freunde  Israels und  moralische Leute angesehen.

Die besten „Freunde Israels“ sind heute  Faschisten und Evangelikale, Fremdenfeinde und Moslemfeinde. Was am wichtigsten ist: sie unterstützen die Besatzung. Nur die  Gegner der Besatzung sind Antisemiten, und wir werden  uns besonders darum  bemühen, sie zu bekämpfen. Wir werden  jedem andern vergeben.

Doch da gibt es noch einen anderen Grund für das Schweigen  der Israelis. Es erinnert  an das jiddische Sprichwort über den Betrug der eigenen Schuld – dass der Dieb denkt, sein eigener Hut  brennt. Neo-Nazis? Wir haben eine Menge eigenen „Made in Israel“, hebräische  Äquivalente von Neo-Nazis. Eine entschlossene Gegen-Demonstration wurde von Liberalen angesichts dieses Marsches  in Charlottesville gemacht.  Wie verlief dies hier?

Die heilige Symmetrie, die  Trump versucht hier zu schaffen zwischen den  Angreifern und den Angegriffenen, zwischen  Angreifer und dem Verteidiger, zwischen  Anstachlung und Protest, zwischen  Gerechtigkeit und Bösem, das in Israel erfunden wurde. Hier habe wir den Besatzer und die Besetzten, einen brutalen und zuweilen sogar mörderischen rechten Flügel und einen linken Flügel, der nie gemordet hat , aber  als gleichwertig angesehen wird.

Jeder Angriff von Siedler-Rowdys auf palästinensische  Bauern auf deren eigenem Land wird als  „Streit“ angesehen. Jeder palästinensische Protest gegen die Gewalt der Besatzer wird als  „Störung des Friedens“ betrachtet. Es ist eine symmetrische  Schlägerei  zwischen den Hirten der beiden Völker.  Schließlich  gibt es zwischen den Siedlern gute und  schlechte Leute   - genau  wie Trump im Hinblick auf  seine Rechts-Radikalen.

Die israelische Rechts-radikale ist kein Neo-Nazi. Aber tausend  Neo-Nazi blumen blühen an seinen Rändern, und keiner denkt daran  sie auszureißen. Faschismus  wird in Israel seit langem  akzeptiert. Neo-Nazis gibt es nicht; aber der Unterschied zwischen den beiden ist vage. Wenn die extremistische Lehava-Organisation  keine Neo-Nazi s sind, was ist sie dann?. Wenn Beitars  Jerusalems La-Familia-Fangruppe keine Neo-Nazis sind, was sind sie dann? Wenn der Brandanschlag auf die Dawabsheh-Familie in Westbank-Dorf Duma und das Kidnapping und der Mord an Mohammad Abu Khdeir keine Neo-Nazi-Taten waren – was sind sie dann? Und  was ist mit den arabisch-sprachigen Straßen-schildern in der Nähe der Siedlung Halamish:  „Dieses Gebiet ist unter Kontrolle der Juden.  Das Betreten durch Araber ist verboten und  stellt ein Risiko für euer Leben dar!“

Die Flaggen-Parade von Juden am Jerusalemstag ist eine  vom Staat gesponserte Neo-Nazi-Provokation dar genau  wie die Randale  an Purim in Hebron. Die  jüdische Gemeinde in Hebron  besteht im Wesentlichen aus Neo-Nazis. Geht und seht selbst und urteilt selbst. Und die Swimmingpools der jüdischen  Gemeinden sind für Araber verboten. Was würden sie gegenüber einem Araber tun, der die Regel bricht und in einen jüdischen Swimmingpool in Kochar Yaireiner israelischen Gemeinde rechtschaffner Mitte-Links-Leute schleicht, deren  Mehrheit von Wählern die aufgeklärten Yesh Atid und die zionistische Unionsparteien wählen. Und was werden sie in der Galiläischen Gemeinde von Nofit tun, wenn Araber nach dem erweiterungsplan  dort Häuser bauen? Es ist nicht schwierig für uns sich vorzustellen, wie diese Leute auf der zionistischen Linke dagegen sind, ja auch unfreundliche Mittel gegenüber Arabern anwenden, wenn sie in ihre Gemeinden kommen.

Der Plan zur  Auslieferung – von MK Bezalel Smotrich (Habayit Hajehudi)  ist trotz all seiner  Proteste Neo-nazistisch.  Unter den drei  Möglichkeiten, die er den  Palästinensern bietet, ist nicht eine, die human wäre – und die  dritte  ruft zu  ihrer Vertreibung und  Zerstörung auf. Brauchen wir noch etwas?  Und seine Frau  weigert sich, im selben Raum mit einer Frau  von minderwertiger Rasse ein Kind zu gebären. Ist das nicht auch neo-nazistisch?

Die socialen Medien  sin voll  von  fürchterlichen Neo-Nazi-erklärungen -  Wünsche  des Todes für jedes palästinensische Kind  und ähnliche  Wünsche  für die, die die Geschichten der Kinder erzählen. Man kann nicht sagen, es seien nur „eine Handvoll Abartige“. Auch dies ist der Geist der Zeit.

Wir können die Gefühle dieses Landes nicht ignorieren, in dem es eine Politik  des organisierten und institutionalisierten Rassismus gegen afrikanische  Asylsuchende gibt. Vor-faschistische Gefühle gibt es hier mit vom Staat gesponsertem Neo-Nazismus Manifestationen – mehr als in jedem anderen westlichen Land.

Im Westen richtet sich die Verachtung  gegen Ausländer. In Israel  richtet sie sich  meistens direkt gegen die Menschen, die in diesem Land einheimisch sind.  Sich über Trump beklagen?  Das ist schon die Höhe von Scheinheiligkeit/Heuchelei.

( dt. Ellen Rohlfs)