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Die Welt muss sich in Israels innere Angelegenheiten einmischen

 

Gideon Levy, 25.12.2011

 

Eine von Israels Anklagen gegenüber der Welt ist besonders dreist: du meine Güte, sie mischt sich in die internen Angelegenheiten Israels ein.

Als die US-Außenministerin Hillary Clinton sagte, sie verstünde, was hier geschieht und es erinnere sie mehr an den Iran als an Israel, war die zionistische Antwort: Es wäre besser für staatliche Vertreter, ihre Aufmerksamkeit  auf die Dinge im eigenen Land zu konzentrieren,“  wie es der Umweltminister Gilad Erdan  ausdrückte.

Als Europa über Hassverbrechen in Israel wütend wurde, war die dreiste Antwort: die Europäer adoptierten die geringste der Resolutionen, um sich Israel vorzunehmen. Und als  die Welt Interesse  an Israels Politik gegenüber den Flüchtlingen und Gastarbeitern zeigte, kam prompt die Forderung, ausländische Einmischung ist unerwünscht, wie Ronen Shoval, der Gründer der rechten Organisation Im Tirtzu sagte.

 

Israel sollte das letzte Land auf Erden sein mit dem Recht, wütend über ausländische Einmischung zu sein. Seit seiner Gründung hat Israel nicht aufgehört, aus aller Welt Juden nach Israel zu bringen. Es hat heimlich  umstürzlerische Untergrundaktionen unter  zwielichtigen Regimes durchgeführt; Es hat im Ausland offen Juden gepredigt, sie mögen ihre Heimat aufgeben und nach Israel kommen oder wenigstens dieses finanziell unterstützen; und Israel hat Himmel und Erde wegen Anzeichen von Antisemitismus bewegt, unterstützt aber parallel alternative jüdische und zionistische Bildungssysteme rund um die Welt. 

 

Es ist auch ein Land, das gleichzeitig die Welt dazu aufruft, die Blockade gegen den Gazastreifen aufrecht zu erhalten, weil Hamas dort zur Macht gekommen sei.  Israel hat im Libanon und anderswo gehandelt, um eine Fraktion gegen die andere zu unterstützen. Es hat nicht aufgehört, sich in die internen Angelegenheiten anderer Länder einzumischen, also sollten seine Klagen über ausländische Einmischung  nicht gehört werden.

 

Das ist jedoch nicht der einzige Grund, dass Israels Einstellung gegenüber Einmischung dreist und lächerlich ist. In der Welt von heute mischen sich Nationen häufig in die internen Angelegenheiten anderer Länder und Israel ist nicht dagegen. Manchmal unterstützen wir sogar solche Schritte. Die Welt bombardierte Kosovo und Libyen, um sie von der Tyrannei zu befreien. Aus ähnlichen Gründen wurde der Irak und Afghanistan überfallen. Es bedroht den Iran wegen der Entwicklung von nuklearen Waffen, was im Grunde auch eine interne Angelegenheit ist.

Die Welt hat auch gegen Syrien Sanktionen verhängt, denen eine militärische Einmischung folgen kann, wieder veranlasst durch interne Angelegenheiten. Das ist die Rolle der Welt, so sollte sie handeln, wenn sie haarsträubende Ungerechtigkeit oder gefährliche Diktaturen feststellt.

Israel ist keine Diktatur ( abgesehen von der Herrschaft, die sie über die besetzten Gebiete ausübt – dies ist eine lange und grausame Diktatur). Die Welt erwartet deshalb von Israel ein Verhalten, das in der Familie von Nationen üblich ist und zu der es zu gehören wünscht. Die Welt hat sich tatsächlich bis jetzt zurückgehalten, sich richtig  in das einzumischen, was von der Diktatur der Besatzung ausgeführt wird und wo Israel tut, was ihm gefällt und der Welt gegenüber nur Verachtung zeigt.  Jetzt aber beginnt die Welt ihre Aufmerksamkeit auf das zu lenken, was in Israel vor sich geht. Das ist ihr Recht und ihre Verpflichtung.

Im Gegensatz zu den verleumderischen und törichten Bemerkungen des Außenministers Avigdor Lieberman, dessen Ministerium den europäischen Ländern sagt, sie seien in Gefahr, sich  mit ihrer Kritik an der israelischen Siedlungspolitik irrelevant zu machen, was der einzige Weg der Welt ist, relevant sein zu können. Manchmal  ist die Welt allerdings mit Heuchelei und Doppelmoral belastet, aber das gibt Israel nicht das Recht, sich gegen solche Einmischungen zu wehren. Wenn die Welt Zeuge ist, wie Frauen diskriminiert werden und Ungerechtigkeit gegenüber Flüchtlingen und Gastarbeitern ausgeübt und eine antidemokratische nationalistische Rechtssprechung praktiziert wird, spricht sie das aus. Israel kann  darauf  nicht wie Syrien und Libyen mit dem Argument reagieren, es allein zu lassen, weil dies interne Angelegenheiten seien.

Aber all dies ist nur das Vorspiel für eine größere Einmischung, die  offensichtlicher ist als alles andere und das bald auftaucht. Wenn die Welt erst einmal die Hoffnung für eine Zwei-Staatenlösung aufgegeben hat, die keine Aussicht mehr hat, erfüllt zu werden, dann wird sie sich um die Menschen- und zivilen Rechte in dem einen Staat kümmern, der schon existiert: Israel.

Dann wird die Welt sagen: Ihr wolltet Besatzung. Ihr wolltet Siedlungen. Wir werden sie akzeptieren müssen, weil es jetzt kein zurück gibt. Aber wir werden unter keinen Umständen eine Situation akzeptieren, in der zwei Millionen Palästinenser auf immer ohne zivile  Rechte in der Westbank leben und anderthalb Millionen Palästinenser im Gazastreifen unter Bedingungen einer  Belagerung leben. Wir werden eine solche  Situation  im neuen Nahen Osten nicht akzeptieren, der  gegen Diktaturen  aufsteht.

 

Die neue Welt wird Israel dann erzählen: bleibe in den besetzten Gebieten, aber gib allen seinen Bewohnern die gleichen Rechte und Gerechtigkeit. Was wird Israel dann sagen? Einmischung in seine internen Angelegenheiten? Ausländische Einmischung? Das ist doch wohl nicht dein Ernst.

 

( dt. Ellen Rohlfs)