Unterdessen
– zurück in Israel
Gideon Levy, Haaretz, 11.6.09
Werfen
wir einen Blick auf das, was sich nach dem Besuch des US-Präsidenten Barack Obama bei uns getan hat.
Eine historische Rede wie die seinige wird vermutlich in Israel Wellen
schlagen, Diskussionen anregen und Streitgespräche entfachen. Was geschah also
hier : unser eigener Barak, der Verteidigungsminister Ehud, der gewöhnlich als
mindestens genau so brillant wie Obama eingeschätzt
wird, sagte gestern in einem Interview
mit Haaretz zu Etgar Keret: „Wo lebt das palästinensische Volk? In einem Käfig?
In einem Gefängnis? In einem Swimmingpool?“ Und Baraks eigene Antwort auf diese
Frage. „Es lebt auf seinem Land.“
Nachdem
der oberste diplomatische Berater des Ministerpräsidenten entschied, dass „zwei
Staaten“ eine kindische Lösung sei, kommt gleich danach ein anderer Staatsmann
und bestimmt, dass wir alle Kinder seien. Dumme Kinder, denen man jede Art von
Unsinn erzählen kann, einschließlich all dem Unsinn in
jenem Interview – das muss mal gesagt werden.
Die
Palästinenser, die nicht ohne Erlaubnis Israels von einem Dorf zum anderen
fahren können, denen die elementaren Menschenrechte verweigert werden und auf
denen herum getrampelt wird, die gedemütigt und eingesperrt werden ohne irgend
ein Zeichen von Souveränität, leben schon frei in ihrem Land. Wenn der
Verteidigungsminister wirklich so denkt, dann gibt es einen ernsten Grund sich
Sorgen zu machen: Herr Sicherheit ist
verwirrt und hat den Kontakt zur Realität verloren. Wenn er nicht so
denkt, dann hält er uns zum Narren. Was
ist schlimmer?
In
der Haaretz von gestern gab es auch ein Interview mit
Klil Zisapel mit Shimon
Peres.
Aus
Respekt vor seinem Namen und seinem Status wollen wir nicht allen Unsinn
zitieren, den er über das Verbergen der Nakbah – die
palästinensische Katastrophe von 1948 - gesagt hat. Wir sollten nur erwähnen,
dass er auf die Frage mit dem Satz geantwortet hat: „Nanotechnologie gibt es
seit Moses Tagen“. Anscheinend schlug Obamas Rede
Wellen. Nun ist auch Peres ein Nano-Staatsmann. Ein anderer kleiner
Geschäftsmann Innenminister Eli Yishai arbeitet an
der Veränderung eines Gesetzes, die es ihm ermöglicht, Arabern in Israel die
israelische Staatsbürgerschaft zu entziehen. Ein Vertreter der unterdrückten
Klasse sagte auch, dass Millionen von Schekels
den Siedlungen in den (besetzten)
Gebieten zugeteilt werden sollten, die seit vielen Jahren unter Diskriminierung
gelitten hätten. Weder Yeruham noch Rahat noch Bnei Brak oder Sakhnin – Efrat vor allem.
Das
ministerielle Komitee für Gesetzgebung hat ein Gesetz vorgeschlagen: drei Jahre
Gefängnis für das Gedenken der Nakba. Von Gemeinden
im Segev-Block in Galiläa soll ein Loyalitätseid
gegenüber dem Zionismus verlangt werden, als Bedingung dafür, dort leben zu
dürfen. Was kommt als Nächstes auf dem
gefährlichen Weg?
Zeev Braude, ein
jüdischer Siedler auf der Westbank, der Palästinenser vor laufender Kamera
erschossen hat, kommt nicht vor Gericht – die Rechtfertigungen der Ankläger
seien kompliziert. Die Knessetmitglieder ( KM) David Rotem ( Nationale Union) und Uri Ariel (Israel –
unser Haus) sind Mitglieder von
nationalistisch-rassistischen Parteien und Bewohner von Siedlungen, die die USA
und die Welt als illegal betrachtet. Sie sind die Knessetvertreter im Komitee, das die Richter auswählt.
Ein
versuchter Angriff von Palästinensern auf einem Pferde- oder einem Eselsrücken
wird in den Medien als ein verhinderter Mega-Terroranschlag dargestellt. Es sei
eine Folge des Schmuggels von raffinierten und entwickelten iranischen Waffen
durch die Tunnels, von denen uns Tag und Nacht
voll Horror erzählt wird.
El Al entschuldigt sich, weil es den Zaun
eine „Trennungsmauer“ genannt habe, als ob es eine Abteilung im
Außenministerium wäre; der Ministerpräsident sagt, die Forderung, das
natürliche Wachstum in den Siedlungen einzufrieren sei nicht fair, als ob es
beim Diskutieren über die Siedlungen um Fairness ginge. Die
Oppositionsführerin, das Kadima-Knessetmitglied Zipi Livni verkneift sich einen
Kommentar zum Einfrieren des Siedlungsbaus. Auf den Klatschseiten wird von
ihren Shopping-trips in den protzigen Läden am
Tel Aviver Hamedina-Platz
berichtet. Sie ist dabei, ihre äußere Erscheinung aufzubessern, dass sie kaum
wieder zu erkennen ist. Aber sie tut so, als wäre sie die Oppositonsführerin
in Luxemburg.
Minister ohne Geschäftsbereich Yossi
Peled ( ja, auch er ist
Minister) schlägt vor, dass Israel gegenüber den USA Sanktionen verhängen soll,
wie eine brüllende Maus.
MK
Michael Ben Ari, ein erklärter Kahanist und ebenfalls
ein Brüller schlägt eine Mitleid erregende Evakuierung von einigen lächerlichen
Außenposten vor. Dudu Topaz ist viel interessanter
als Obama. Jeder konkurriert mit den anderen, wer
sein Schwert wohl am tiefsten in sein Fleisch stoßen kann, während er sich auf
dem Stadtplatz windet.
Noch
nicht genug. Demonstrationen? Nur über die Öffnung eines Parkplatzes am Schabbat-
Ernsthafte
Diskussion? Nur über die Mehrwertsteuer von Gurken.
Die
Gurkensaison ist auf ihrem Höhepunkt – trotz Obamas
Herausforderung. Trotzdem sollst du glücklich sein. Die Spitzenleute laufen von
Jakob Perrys Hochzeit zur Bar Mitzva des Sohnes des
Geschäftsmannes Roni Maneh.
Deshalb wurde dem US-Präsidenten gesagt: es ist nur Zeitverschwendung. Es gibt
niemanden in Israel, mit dem man reden kann. Mit Reden kommt man nicht weiter.
Lasst uns eine Tafel an unsere Tür hängen: Bitte nicht stören - wir haben viel
zu tun.
(dt.
Ellen Rohlfs)