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Die ägyptischen Massen wollen nicht weiter die Verbündeten Israels spielen

 

Gideon Levy,  30.01.2011

Haaretz

 

Vor drei oder vier Tagen war Ägypten noch in unserer Hand. Die Armee von  Panditen, einschließlich unseres Spitzenexperten über Ägypten Benyamin Ben-Elieser, der sagte: „Alles ist unter Kontrolle“, dass Kairo nicht Tunis sei und dass Mubarak stark sei. Ben-Eliezer sagte,  er habe über Telefon mit einem ranghohen ägyptischen Offizier gesprochen, er versicherte ihm, das es keinen Grund für Besorgnis gebe. Man kann sich auf Fuad und Hosni verlassen. Beide sind „Gewesene“ geworden.

Am Freitagabend veränderte sich alles. Es stellte sich heraus, dass der israelische Geheimdienstschätzungen, die bis zum Überdruss von Gerichtsanalytikern zitiert wurden, wieder nicht der Inbegriff von Genauigkeit waren. Das ägyptische Volk hatte nun das Sagen

und hatte die Freiheit, mit Israels Wünschen nicht überein zu stimmen. Ein Moment bevor Mubaraks Schicksal besiegelt ist, ist die Zeit gekommen, israelische Schlussfolgerungen zu ziehen.

Nicht eine Plage der Dunkelheit in Ägypten, sondern das Licht des Nils: das Ende eines von Bajonetten gestützten Regimes wird vorausgesagt. Es kann noch Jahre weitergehen und der Zusammenbruch zur am wenigsten erwarteten Zeit  kommen – aber am Ende passiert es. Nicht nur Damaskus und Amman, Tripolis und Rabat, Teheran und Pyongyang: Ramallah und Gaza werden auch erschüttert.

Die  scheinheilige und  frömmlerische Teilung des Landes durch die US und den Westen zwischen „der Achse des Bösen“ auf der einen Seite und den Moderaten auf der anderen ist zusammengebrochen. Falls es eine Achse des Bösen gibt, dann schließt es die  nicht-demokratischen Regime und die „moderaten“, die „stabilen“ und die „pro-westlichen“ mit ein.  Heute Ägypten, morgen Palästina, gestern Tunis, morgen den Gazastreifen.

 

Es ist nicht nur das Fatahregime in Ramallah und das Hamasregime in Gaza dazu bestimmt zu fallen, sondern  eines Tages vielleicht auch die israelische Besatzung, bei der sicherlich  all die Kriterien einer kriminellen Tyrannei und eines üblen Regimes zutreffen. Es verlässt sich nur auf seine Waffen. Es wird von allen Schichten des beherrschten Volkes gehasst, selbst wenn sie hilflos, unorganisiert und ohne jede Waffe einer großen Armee gegenüberstehen. Die erste Schlussfolgerung: besser wäre, dem ein gutes Ende zu machen, mit Abkommen, das sich auf Gerechtigkeit und nicht auf  Macht gründet, einen Moment bevor die Massen das Sagen haben und es ihnen gelingt, die Dunkelheit zu vertreiben.

 

Eine zweite nicht weniger wichtige Schlussfolgerung: Allianzen könnten  mit unbeliebten Regimen über nacht aufgekündigt werden. So lange die Massen in Ägypten und in der ganzen arabischen Welt weiterhin die Bilder der Tyrannei und Gewalt aus den besetzten Gebieten sehen, wird Israel nicht in der Lage sein, angenommen zu werden, selbst wenn es von ein paar Regimen angenommen wird.

 

Da ägyptische Regime wurde ein Verbündeter der israelischen Besatzung. Die gemeinsame Belagerung des Gazastreifens ist ein unwiderlegbarer Beweis davon. Das ägyptische Volk mag dies gar nicht.  Es mochte das Friedensabkommen mit Israel nie, in dem es sich verpflichtet hat, „die legitimen Rechte der Palästinenser anzuerkennen, aber nie sein Wort gehalten hat. Stattdessen bekam das Volk von  Ägypten die  Bilder der Operation Cast.Lead zu sehen.

 

Es genügt nicht, ein paar Botschaften in der Region zu haben, um akzeptiert zu werden. Es müssen Botschaften des guten Willens sein, ein Abbild von Gerechtigkeit und ein Staat, der kein Besatzer ist. Israel muss sich einen Weg schaffen, um die Herzen der arabischen Völker zu gelangen, die nie damit einverstanden sind, dass ihre Brüder unterdrückt werden, auch wenn ihre Geheimdienstminister weiter mit Israel zusammenarbeiten.

 

Wenn es etwas gibt, das allen Fraktionen der ägyptischen Opposition gemeinsam ist, dann ist es der siedende Hass gegen Israel. Nun werden ihre Vertreter an die Macht kommen – und Israel wird sich in einer schwierigen Situation  befinden. Es wird auch nichts von dem virtuellen  Errungenschaften bleiben, die  Netanyahu oft demonstrierte – die Allianz mit den „moderaten“ arabischen Regimen gegen den Iran. Eine wirkliche Allianz mit Ägypten und seinen Schwesterstaaten kann nur auf das  Besatzungsende gegründet werden, wie es das ägyptische Volk wünscht und nicht auf einen Feind, weil es im Interesse des Regimes liegt.

 

Die Massen des ägyptischen Volkes – und zwar auf allen Ebenen – nehmen ihr Schicksal in ihre Hände. Das ist recht eindrucksvoll. Keine Macht, nicht einmal die von Mubarak, den Ben-Eliezer so liebt, kann  sie überwinden. In Washington ist der Ernst der Lage schon verstanden worden, und sie waren  dort schnell dabei, sich  von Mubarak zu trennen, um die Gunst des eigenen Volkes zu gewinnen. An einem bestimmten Punkt sollte dies (auch ) in Jerusalem  passieren.

 

(dt. Ellen Rohlfs)