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Der Freund
Gideon Levy,
Haaretz, 
6.5.10
Die Siedler von Pisgat 
Zeev, die Eindringlinge von Sheik Jarrah, die Leute, die Silvan begehren, die 
Eindringlinge, die ins Muslimviertel wollen, und Sie Bürgermeister 
der nationalistischen Stadt, Nir Barkat, brauchen sich keine Sogen mehr 
zu machen: Ganz Jerusalem gehört Ihnen – und zwar für immer. Der 
Nobelpreisträger Elie Wiesel traf sich im Weißen Haus mit seinem Freund Barack 
Obama mit einem Auftrag seines anderen Freundes Benjamin Netanyahu. Und als er 
von dort kam, sagte er, er habe den Eindruck, Obama würde seinen Rat befolgen 
und die Diskussionen über Jerusalem  
hinausschieben.
Mit Freunden wie diesem, 
braucht Israel keine Feinde. 62 Jahre nach Erklärung seiner Herrschaft benötigt 
Israel noch immer Hausierer mit jüdischem Einfluss – einmal ist es Elie Wiesel 
und  ein anderes Mal ist es Ron 
Lauder, um beim Edelmann Einspruch zu erheben. 43 Jahre lang dauert die 
Besatzung, und diese Leute wirken nur dahin, dass sie weitergeht.
Es gibt nicht viele Juden 
wie Wiesel, für den die Tür des Weißen Hauses offen steht und dem der Präsident 
zuhört. Und was macht Wiesel mit dieser goldenen Möglichkeit? Er redet mit Obama 
über das Hinausschieben von Gesprächen über Jerusalem. Nicht über die 
Notwendigkeit der Beendigung der Besatzung, nicht über die Möglichkeit einen 
gerechten Frieden ( und ein gerechtes Israel) zu schaffen, nicht über die 
entsetzliche Ungerechtigkeit gegenüber den Palästinensern. Nur über die 
Aufrechterhaltung der Besatzung.
Statt dass die Person, die 
für sehr moralisch angesehen wird, das gemeinsame Mahl mit dem Präsidenten dazu 
benützt, Israels endloses Hinauszögern zu beenden, feilscht Wiesel um einen 
völligen Aufschub. Er tat dies offensichtlich für das Wohl eines 
Landes, dessen Ministerpräsident genau vor einem Jahr seine 
Zwei-Staaten-Rede hielt – aber keinen Finger rührte, um dies zu erfüllen. Ein 
Land, das Syrien anbettelt, Frieden zu machen und in dem die Palästinenser seit 
langem keine Gewalt mehr ausübten. Aber es weigert sich weiter, Frieden zu 
schließen. Angesichts all diesem, was empfiehlt der Freund? Hinausschieben. 
Hinausschieben und hinausschieben, wie Netanyahu, der ihn sandte, gebeten hatte. 
Das Nobel-Komitee sagte 
über den Mann, er sei „ein Botschafter der Menschheit, seine Botschaft sei die 
des Friedens, der Buße und der menschlichen Würde“. Doch was er tut, ist genau 
das Gegenteil. Nicht Frieden, nicht Buße und nicht menschliche Würde, gewiss 
nicht für die Palästinenser. Nach der lächerlichen Anzeige-Kampagne in der 
amerikanischen Presse, die auf der Tatsache gründete, dass Jerusalem ( mehr als 
600 mal) in der Bibel erwähnt sei, aber nicht einmal im Koran, wird 
der Präsident des Wandels  
vielleicht auf den schlechten Rat seines Freundes, des Holocaustüberlebenden, 
hören und damit jede Chance auf einen Frieden 
verringern.
Wiesel wird Vereinbarungen 
treffen, und Obama wird hinausschieben. Rund eine Viertel Million Palästinenser 
wird  noch eine Generation unter 
israelischer Besatzung leben. Eine Viertel Million? 
3,5 Millionen, weil es für  
Obama, Wiesel und in der Tat für jeden klar ist, dass ohne das Teilen von 
Jerusalem es keinen Frieden geben wird.
Und was, wenn Obama die 
Gespräche über Jerusalem hinausschiebt, wie es sein Freund fordert? Bis wann 
hinausschiebt? Für weitere 43 Jahre? Weitere 430 Jahre? Und was geschieht in der 
Zwischenzeit? Weitere 100 000 Siedler? Eine Hamasregierung auch auf der 
Westbank?  Und warum? Weil Jerusalem 
nicht im Koran erwähnt ist, haben die palästinensischen Bewohner nicht das Recht 
der Selbstbestimmung? 
Und was ist mit der 
Heiligkeit von Jerusalem als der drittheiligsten Stadt im Islam nach Mekka und 
Medina? Was hat Heiligkeit mit der Herrschaft zu tun? Was geschieht, wenn die 
Diskussion noch einmal hinausgeschoben wird und man über Wasser redet, wie 
Netanyahu  es wünscht. Das sind 
alles Fragen, die dem Freund nicht gestellt wurden.
Es ist sehr deprimierend 
daran zu denken, dass diese Leute die größte Rolle im jüdischen Volk spielen.
Es ist, als ob sie dächten, 
dass automatische und blinde Unterstützung Israels und seiner Launen wahre 
Freundschaft bedeutet – dass die Fortdauer der Besatzung Israels Zielen mehr 
dient, als  seine Zukunft gefährdet. 
Sie lassen ihr Gewissen zwar über die Ungerechtigkeiten in der Welt sprechen, 
aber wenn man auf die Ungerechtigkeiten Israels zu sprechen kommt, ist es, als 
hätten sie einen Schleier über den Augen, und ihr Mund wird schweigsam. 
Wenn ich Elie Wiesel wäre, 
solch ein berühmter Holocaustüberlebender, ein Friedensnobelpreisträger, dessen 
Stimme ganz oben gehört wird, dann würde ich meinen Freund im Weißen Haus 
fragen: um des Friedens willen, um Israels Zukunft willen und um des 
Weltfriedens willen: Bitte, Herr Präsident, benützen Sie Ihre Macht. Israel 
hängt von Ihnen ab wie nie zuvor. Es ist isoliert, wie nie zuvor; es ist ohne 
amerikanische Hilfe so gut wie tot. Deshalb würde ich 
beim koscheren Mahl  zu Obama 
sagen: Herr Präsident, seien Sie ein wahrer Freund von Israel und retten sie es 
vor seinem Unglück. 
(dt. Ellen Rohlfs)