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Eine herzliche Entschuldigung an Haaretz-Leser

An alle beleidigte Leser, bei denen ich mich für die Einseitigkeit entschuldige. Wie konnte ich  die Balance nicht  zwischen dem Mörder und dem Gemordeten halten; dem Dieb und seinem Opfer, dem Besatzer und dem Besetzten?

Gideon Levy, Haaretz, 20. April 2017.

 

Liebe Orna und Lieber Moshe Gan-Zvi,

Ich war traurig, als ich  am Dienstag in der hebräischen Edition von Haaretz las, dass Ihr euch entschieden habt, Euer Abonnement zu kündigen. Ich kenne euch nicht, aber ich werde euch als Leser vermissen. Als jemand, der teilweise mit verantwortlich für eure Entscheidung ist, da Euer Artikel darauf hinweist, erlaube ich mir, mich zu entschuldigen. Zu entschuldigen, dass ich all die Jahre  die Wahrheit schrieb.  Ich sollte beachtet haben, dass diese Wahrheit für euch nicht angenehm war und ihr entsprechend handeltet.

Es war für Euch  nicht angenehm, die Theorie zu lesen, die von mir und  Haaretz‘ Korrespondentin Amira Hass  über die Besatzung geschrieben wurde. Ihr, die ihr  im Rotary-Club Israel aktiv seid, die ihr aus der Geschäftswelt kommt, die ihr so stolz auf Eure Kinder seid und die Tatsache, dass sie in der Westbank leben. Euer Sohn wurde in der ELI-Vormilitär-Akademie ausgebildet und eure  Enkelin  ist stolz als letzten Namen  Sheetrit zu haben. Ihr , die ihr  mit euch selbst  und mit euren Werten zufrieden seid, mit euren Kindern und eurer Moral, denkt nicht, ihr müsst unangenehme Dinge lesen. Ihr verdient es einfach nicht.

Tatsächlich, wie konnte ich all die Jahre verbracht haben und Artikel veröffentlichen,  durch die sogar ihr zugegeben habt , berührt zu sein, ohne jemals – zu meiner  Schande – diese palästinensischen Familien kontrolliert zu haben, wie sie mit ihrem Dilemma fertig werden. ? Wirklich, wie konnte das geschehen? Natürlich war es ihre eigene Schuld, aber ich gebe dem israelischen Militär die Schuld -  wie konnte ich dies tun? Und wie konnte Amira Hass  so einseitig sein, dass ihr die Perspektive fehlte, die erklären würde, wie ein Volk die Eliminierung eines andern Volkes einer demokratischen Gesellschaft vorzieht . Wirklich, wie konntest du das, Amira.

Ich vermute, Moshe, dass falls sie dich jahrelang in einen Käfig gesperrt hätten, dann wärst du weiter im Rotary-Klub und  würdest dich weigern einen Kampf  gegen eure Einkerkerung zu kämpfen. Ich vermute Orna,  dass wenn  ausländische Soldaten mitten in der Nacht in deine Wohnung kämen und  deinen Moshe vor deinen Augen verhaften, ihn stoßen, ihn auf seine Knie zwingen,  ihm seine Augen verbinden, fessle  ihm an seinen Händen fesseln und ihn vor deinen Kindern schlagen, die Eli studieren und ihn  dann packen und  Monatelang ohne Gerichtsverhandlung – Du würdest nach einer  kreativen Führung für dein Volk suchen.

Ich vermute, dass ihr, die ihr aus der Geschäftswelt kommt, liebevoll jene akzeptiert, die  euren Besitz konfiszieren und euch aus eurem  eigene Land vertreiben. Ich bin mir sicher, es würde euch nie passieren, dass ihr  gegen jene kämpft, die euch in so vielen Jahren gefoltert haben.

Was können wir tun? Die Palästinenser sind anders als ihr, liebe Orna und Moshe. Sie wurden nicht in solch vornehmen Höhen geboren  wie ihr. Sie sind menschliche Tiere, blutrünstig, geboren, um zu töten. Nicht alle von ihnen sind so  moralisch wie ihr und eure Kinder von der Ely-Akademie. Ja, es gibt Leute, die für ihre Freiheit kämpfen. Da gibt es Leute, die gezwungen werden, Gewalt anzuwenden. Tatsächlich gab es fast keine Nation- einschließlich dem erwählten Volk  (auf das ihr so stolz seid-  die nicht in dieser Weise gehandelt haben. Ihr gehört nicht nur dazu. Ihr  seid die Feuersäule, die das Lager anführt, Ihr seid die besten, die moralische Elite, ihr die religiösen Zionisten.

Ich entschuldige mich für die Einseitigkeit. Wie  konnte ich nicht  die Balance halten zwischen dem Mörder und dem Gemordeten; dem Dieb und seinem Opfer; dem Besatzer und dem Besetzten. Vergebt mir, dass ich es wage, eure Freude und euren Stolz im Land, in dem es Milch und Mobileye und Cherry-Tomaten gibt. Es gibt da so viele wunderbare Dinge in diesem Land und Haaretz –mit seiner „moralischen Schädigung“ wie ihr  dies nennt, ruiniert  die Partei. Wie konnte ich nicht sehen, dass ihr nicht die Wahrheit lesen wollt und ich das nicht berücksichtigte, als ich jede Woche aus den besetzten Gebieten kam, um das schreiben, was ich mit eigenen Augen  gesehen habe.

Doch jetzt ist es zu spät. Um Schokolade zu boykottieren, ist  sogar zu viel für euch;  so habt Ihr euch  entschieden Haaretz zu boykottieren. Von jetzt ab wird nur eine Zeitung auf dem Frühstückstisch liegen, die wöchentliche  rechte Makor Rishon. Sie wird nicht darüber schreiben, wie IDF Soldaten  fünf palästinensische Autofahrer  vor drei Wochen , mit Kugeln  durchlöchert haben und ich bin sicher, euer Shabbat wird von jetzt ab vergnüglicher sein.

(dt. E. Rohlfs)