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(Israels’ state of denial
over treatment of Palestinians)
Yitzhak Laor, Haaretz, 12.5.10
Israelis lieben Militärgeheimnisse. Bücher von Geheimdienstleuten im Ruhestand, früheren Spionen und früheren Mitgliedern des Shin Bet und Mossad verkaufen sich gut. Eine ganze Kultur ist rund um „ worüber-darf-nicht-gesprochen-werden“ und „wir-wollen-es-trotzdem- wissen“ gebaut worden. Nicht nur Geschichten aus der Vergangenheit – z.B. wie der „Rote Prinz“ (Ali Hassan Salameh vom Schwarzen September) 1979 in Beirut ermordet wurde, aber auch die Dubai-Affäre, die ein ausgezeichnetes Beispiel dafür ist, wie die Öffentlichkeit Nachrichten wissen, hören, sehen und konsumieren will. Selbst ein Misserfolg ist für die Öffentlichkeit von Interesse, und die Sache hat sogar eine moralische Unterstützung. Diese moralische Unterstützung läuft parallel mit dem Wunsch zu wissen: „Auch wenn wir ihn nicht getötet haben, verdient er es zu sterben,“ sagte man im Fernsehen.
Da gibt es allerdings eine Sache, die die Öffentlichkeit oder – vorsichtiger ausgedrückt - der größte Teil der Öffentlichkeit nicht wissen will, und wir sprechen nicht von einem militärischen Geheimnis. Eine vor zwei Wochen vom Tami-Steinmetz-Zentrum für Friedensforschung durchgeführte Umfrage, die in Haaretz veröffentlicht wurde, berührte das Problem: das einzige, was die Öffentlichkeit nicht zu hören wünscht, ist die Unterdrückung der Palästinenser. Dies ist keine Sache von Geheimnis-halten, sondern Leugnung.
Es ist zweifelhaft, ob dazu eine Umfrage nötig ist. Es genügt, die Nachrichten im kommerziellen Fernsehen anzusehen, um dies zu verstehen, nämlich, dass „es sich nicht verkauft“. Aber die Angelegenheit ist viel schwerwiegender. Was in den (besetzten ) Gebieten geschieht, ist ein Tabu. Nicht nur, dass die Leute nichts wissen wollen, weil es da etwas zu erfahren gibt (sonst würden die Leute sich nicht weigern, es zu erfahren) - die Armee ist die einzige legitime Quelle der Informationen über Ereignisse in den ( besetzten) Gebieten.
Aber die Armee lügt, um es milde auszudrücken. Die Ausdrucksweise, die sie benützt, um das Schießen auf gewaltfreie palästinensische Demonstranten zu beschreiben, ist immer mit Euphemismen geladen, und die Notwendigkeit, etwas zu erklären, ergibt sich nur, wenn Organisationen wie B’tselem Bilder veröffentlichen, auf denen z.B. gesehen werden kann, wie Siedler das Feuer eröffnen und die Armee keinen Finger rührt. Das ist ein Beispiel der Art von Dingen, die Israelis nicht wissen wollen.
Die Gebiete sind weit weg. Die Palästinenser leben weit weg. Diese Halluzination geschieht dank der Mauern und Zäune, dank der Apartheidstraßen, dank der Armee und der TV-Nachrichten. „Judäa und Samaria“ sind nah. Die Siedler leben unter uns. Es gibt Fotografien von ihnen, ihre Häuser werden fotografiert. Sie sind in der Armee. Sie sind die Armee. Aber die Trennung zwischen denen, die sehr nah sind, die das Wahlrecht, Waffen, Rechte und staatliche Unterstützung haben und jenen, die in der selben physischen Entfernung leben, aber auf der andern Seite der Mauern, Zäune, Straßensperren weit weg gelassen werden – diese Trennung wird mit Hilfe des Nicht-wissen-wollens gemacht. Der Leugnung.
Menschenrechtsorganisationen werden verfolgt – nichts ist einfacher als das – exakt im Namen der Verweigerung, es wissen zu wollen. „Es ist verboten, es zu wissen“ heißt, dass es für unser Gewissen verboten ist, sich frei unter den Tatsachen, den Szenen, den Stimmen, den Optionen zu bewegen. All dieses umfasst angeblich das Bewusstsein des Israeli, der nur fünf Minuten von diesen unvorstellbaren Dingen entfernt lebt – von 43 Jahren militärischer Diktatur über ein anderes Volk.
Die Sicherheitsbehauptungen erscheinen durch die entgegengesetzten Behauptungen klein – dass die Sicherheitssituation eine Funktion der Enterbung ( der Palästinenser ) ist, der Kontrolle ihrer natürlichen Ressourcen und der nie endenden Einschränkungen ihrer Lebensweise. Aber die andere Behauptung kann in keiner Weise mit der israelischen Weise zu denken konkurrieren: wir sind hier und sie sind nicht hier. Die einzige Freiheit ist, die Freiheit zu sein und auszulöschen, was Zweifel über die Sicherheit des Wissens hervorruft, die das leugnet.
Als der Direktor der Ironi Aleph Schule in Tel Aviv seine Lehrer zu den Straßensperren mitnehmen wollte, damit sie diese einmal sehen, griffen sie ihn ärgerlich an und verlangten, dass er verhört werde. Die wenigen Prophezeiungen von Karl Marx, die wahr geworden sind, schloss eine ein, über die er in einem kurzen Artikel 1870 schrieb:
„Die Nation, die eine andere Nation unterdrückt, schmiedet ihre eigenen Ketten.“ Es gibt keinen besseren historischen Augenblick, der diese Prophezeiung demonstriert als der Augenblick, in dem wir jetzt leben.“
( dt. Ellen Rohlfs)