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Ronnie Kasrils. 1.7.11
An einem besonderen
Angelpunkt der Geschichte ( Mai 1948) begannen beide, das zionistische Israel
und der Apartheidstaat Südafrika ihre Existenz. Sie machten weiter und wurden so
etwas wie ein grauenhaftes Zweigespann. Der Architekt der Apartheid Dr. Hendrik
Verwoerd mochte es, die Geschichte und Doktrin der beiden Länder gleich zu
setzen, mit dem Versuch, die westliche Verurteilung von Südafrika zu
neutralisieren. In verrufener Weise erklärte er:
„Die Juden nahmen Israel
von den Arabern, nachdem sie tausend Jahre dort lebten. Israel ist wie Südafrika
ein Apartheidstaat“ (Rand Daily Mail, 23.11.61)
Verwoerds Logik war einfach: Wir haben unsere Schwarzen nicht anders
behandelt als Israel die Araber. Warum
hacken sie gerade auf uns herum?
Während Palästinenser
ununterbrochen tausend Jahre im Heiligen Land lebten, hatte Verwoerd mit seinem
Vergleich Recht. Beide, die Apartheid Südafrika und das zionistische Israel
waren koloniale Siedlerstaaten, die auf der Grundlage der Enteignung des Landes
und des Geburtsrechtes der einheimischen Bevölkerung geschaffen wurden.
Dies ist – ohne sich zu schämen - in Israels Fall seit der Zeit Herzls über
Jabotinsky, Ben Gurion, Menachem Begin, Moshe Dayan
bis Sharon dokumentiert worden. Beide Staaten predigten und führten eine
Politik durch, die sich auf rassistische Ethnizität
gründet: die alleinige Behauptung der Juden in Israel und der Weißen in
Südafrika zu ausschließlicher Staatsbürgerschaft; monopolisierte Rechte, was das
Land, den Besitz, das Geschäft betrifft; besserer Zugang zu Bildung,
Gesundheitsversorgung, Soziales, Sport und kulturelle Einrichtungen, Pensionen,
öffentliche Dienste auf Kosten der ursprünglichen einheimischen Bevölkerung; die
Monopol-Mitgliedschaft beim Militär und bei den Sicherheitskräften, die
privilegierte Entwicklung entsprechend ihrer eigenen rassistischen
Vormachtstellung; sogar die Ehegesetze beider Länder beruhen darauf, die
rassistische „Reinheit“ zu bewahren.
Die Tatsache, dass die
palästinensische Minderheit innerhalb Israels wählen darf, gleicht kaum die
Ungerechtigkeit auf allen anderen Gebieten grundsätzlicher Menschenrechte aus.
Jene Palästinenser, die an der Wahl für die Knesset teilnehmen dürfen, tun dies
nur unter der Bedingung, dass sie Israels Existenz als jüdischer Staat nicht zu
hinterfragen wagen.
Die sog. Nicht-Weißen im
Apartheidstaat Südafrika – die eingeborenen Afrikaner, die andere
gemischtrassige Bevölkerung asiatischen Ursprungs waren wie Bürger 2. oder
3.Klasse Nicht-Juden in Israel selbst, geschweige denn die Bevölkerung in den
besetzten palästinensischen Gebieten, die einen Nicht-Staatsbürgerstatus haben,
aber allen Arten von Diskriminierungen und Vorurteilen ausgesetzt sind wie z.B.
die Gesetze, die ihnen die freie Bewegung, den Zugang zu Arbeit und Handel
verbieten und ihnen diktieren, wo sie wohnen können
etc. Verwoerd erkannte Israels Enteignungspolitik der einheimischen
Palästinenser von 1948 an und
unterstützte sie, auch die
Zerstörung ihrer Dörfer, die Massaker und systematische ethnische Säuberung.
Nur wenige Jahre nachdem
Südafrikas Apartheid 1948 an die
Herrschaft kam, wurden die Städte rücksichtslos von den sog. „schwarzen
Flecken“, wo Nicht-Weiße lebten, gesäubert …Das Regime zerstörte mit Bulldozern
die Häuser, lud die Familien auf Militär-LKWs und
siedelte sie unter Zwang in entfernten Siedlungen an. Nicht wie die
„Eingeborenen reservate“ die bald als Bantustans wiederhergestellt wurden, waren
diese nicht zu weit von Industriegebieten weg, weil die Wirtschaft mit einer
gewissen Quote billiger schwarzer Arbeiter blühte. Das heutige Israel ist
schlimmer als dies und zwar in der Weise, dass es die palästinensische Arbeit
aus seiner Wirtschaft ausschließt.
Während Verwoerd die
Teilung des palästinensischen Gebietes nach dem 1967er-Krieg
und die folgende Errichtung der winzigen Bantustans in der Westbank
und im Gazastreifen nicht mehr erlebte, würde er die Machenschaften, die
die Palästinenser in ihre eigenen Ghettogefängnisse sperrten, sehr bewundert und
gut geheißen haben. Dies war Verwoerds großer Plan und der Grund, warum
Ex-Präsident Jimmy Carter so prompt
die besetzten palästinensischen Gebiete (OPT) mit der Apartheid vergleichen
konnte. Tatsächlich bestehen die Bantustans aus 13% der Apartheid Südafrikas,
unheimlich vergleichbar mit den lächerlichen, ständig kleiner werdenden
Landstücke, die Israel den Palästinensern überlässt, wo viel der besetzten
Gebiete von den illegalen Siedlungsblocks und Sicherheitsnetzsystem mit ihren
bizarren Straßen „nur für Juden“ besetzt ist. Die Auswirkung davon ist, dass die
22% des Westbankgebietes von vor 1967 tatsächlich nur noch 12% des
historischen Palästinas von vor 1948 sind.
Als der frühere
stellvertretende Außenminister Aziz Pahad und ich 2004 Yasser Arafat in seinem
( von Israel) demolierten Hauptquartier in Ramallah
besuchten und zwar als Teil einer Nach-Apartheid-Südafrika-Delegation,
wies er rund um sich und sagte: „Sehen Sie dies ist nichts anderes als ein
Bantustan!“ Nein, antworteten wir, und wiesen darauf hin, dass kein Bantustan,
nicht einmal unsere Townships von Flugzeugen bombardiert und von Panzern und
Raketen pulverisiert worden sind. Arafat machte große Augen, als wir ihn darauf
hinwiesen, dass Pretoria sogar viel
Geld in die Bantustans pumpte, beeindruckende Verwaltungsgebäude bauen ließ und
sogar Bantustan-Luftlinien erlaubte, um die Micky Mouse-Hauptstädte zu
erreichen, um die Welt zu beeindrucken, dass es ihnen damit ernst sei, eine sog.
„getrennte Entwicklung“ zu schaffen. Die Bantustans waren nicht einmal
eingezäunt.
Was Verwoerd auch
bewunderte, war die Straflosigkeit,
mit der Israel Staatsterror ausübte, ohne dass seine westlichen Verbündeten,
besonders die USA, es daran hinderten. Was Verwoerd und seine Anhänger in Israel
bewunderten und in der SA-Region
nachzueifern versuchten, war die Weise, wie die westlichen Staaten einem
imperialistischen Israel erlaubten, dass sein hemmungsloses Militär straflos
sein Gebiet erweitert und den aufkommenden arabischen Nationalismus in seiner
Nachbarschaft zurückhält. Aber es war nicht nur die rassistische Doktrin Israels
, die die Apartheidsführer erregte, sondern auch die Anwendung des biblischen
Narrativs als ideologisches Rational, um ihre Vision, Ziele und Methoden
zu rechtfertigen. Die frühen holländischen Pioniere, die Afrikaaner
hatten auch die Bibel und Kanonen als Kolonialisten benützt, um ihre exklusive
Festungsbastion im südafrikanischen Hinterland
heraus zu schneiden. Wie die biblischen Israeliten behaupteten sie,
„Gottes auserwähltes Volk“ zu sein mit einer Mission: die Wildnis zu zähmen und
zu zivilisieren; man ignorierte die Produktivität und den Fleiß der Menschen,
die seit Jahrhunderten den Boden
bearbeitet und Handel getrieben haben. ( tatsächlich viel länger als die 1000
Jahre, von denen Verwoeld gesprochen hat) Man behauptete, dass allein sie es
waren, die das Land dazu brachten, dass „Milch und Honig fließen“. Sie beriefen
sich auf einen „Bund“ mit Gott, der ihnen die Feinde in die Hände geben und ihr
Tun segnen sollte. Bis zur Ankunft
der südafrikanischen Demokratie lehrten die rassistischen Geschichtsbücher
allgemein, dass der weiße Mann in Südafrika mehr oder weniger als die sog.
„Bantustämme“ aus dem Norden kamen, wo sie über den Limpopofluss wanderten.
Deshalb waren „die Weißen Pioniersiedler in einem leeren Land; Dies ist wie ein
Echo des zionistischen Mantra von einem „Land ohne Volk für ein Volk ohne Land.“
Solch eine koloniale,
rassistische Mentalität, die den Genozid
der einheimischen
Bevölkerung Amerikas, Australiens,
in Afrika von Namibia bis zum Kongo und anderswo rationalisiert, wurde sehr
deutlich in Palästina wiederholt. Was so schamlos über diese moderne koloniale
Heuchelei ist, ist dass dem
zionistischen Israel vom Westen erlaubt wurde, solch ein Ziel sogar im 21.
Jahrhundert anzustreben.
Es ist keineswegs
schwierig, schon von weitem Israel
als einen Apartheidstaat zu erkennen, wie Verwoerd es tat. Verwoerds Nachfolger
Balthazar John Vorster besuchte Israel nach dem 1973-Oktoberkrieg, als in einem
seltenen Sieg Ägypten den Suezkanal zurückgewann und später bei einem
Friedensabkommen von Israel auch den Sinai. Danach waren Israel und Südafrika
als militärische Verbündete wie Zwillinge, da Pretoria half, Israel militärisch
direkt nach dem 1973er Rückschlag aufzurüsten, und Israel unterstützte die
Apartheid auf der Höhe der Sanktionen mit Waffen und Technologie. Ersatzteile
für die Marine und die Umwandlung von Überschall-Kampfflugzeugen, Mithilfe beim
Bau von sechs Atombomben und einer
blühenden Waffenindustrie – dies alles floss von Israel zur Apartheid Südafrika.
Für die
Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika stellten Israel und der Apartheidstaat
Südafrika eine rassistische, koloniale Achse dar. Es wurde festgestellt, dass
Leute wie Verwoerd und Voster Nazi-Sympathisanten waren. Vorster war tatsächlich
während des 2. Weltkrieges
interniert, weil er Nazi-Deutschland unterstützte, und
trotzdem wird er weiter in Israel gefeiert.
Es ist aufschlussreich,
hinzuzufügen, dass Israel in seiner Haltung und Unterdrückungs-maßnahmen
zunehmend der Apartheid Südafrika während seines Höhepunktes ähnelt ja
übertrifft: seine Brutalität bei den Hauszerstörungen, Beseitigung von (
Beduinen-) Gemeinden, gezielte Tötungen, Massaker, Gefängnis und Folter seiner
Opponenten, Bombardierungen von Städten und Dörfern, und der Aggression
benachbarter Staaten.
Zweifellos können
Südafrikaner die pathologische Ursache identifizieren, die den Hass von Israels
politisch-militärischer Elite und Öffentlichkeit im allgemeinen nährt und die
eine immer extremere rassistischere
Haltung ihrer gewählten Vertreter verursacht.
Wer die Kolonialgeschichte
kennt, für den ist es nicht schwierig, die Art und Weise zu verstehen, in der
absichtlich Rassenhass kultiviert wird, der als Rechtfertigung für die
brutalsten und unmenschlichsten Aktionen gegen wehrlose Zivilisten dient. Er
bestätigt Israels militärische Exzesse gegen Frauen, Kinder und Alte in der
Gaza-Operation Cast Lead …Von solch ungehemmten Rassismus werden genozidale
Kriege und Holocausts ausgelöst.
Es kann ohne Übertreibung
behauptet werden, dass jeder Südafrikaner, ob in den Freiheitskampf verwickelt
oder motiviert von grundsätzlicher
menschlicher Anständigkeit, und der die besetzten Palästinensischen Gebiete
besucht, aufs tiefste schockiert ist, wenn er die Situation dort erlebt. Ich bin
sicher, dass sie mit Erzbischof Tutus vielen Beobachtungen übereinstimmen , dass
das, was in Israel passiert, einschließlich der kollektiven Strafe, im
Apartheidstaat Südafrika niemals
geschehen ist. ( The Guardian, 28.5.09)
Es gibt tatsächlich viele
Ähnlichkeiten zwischen dem Apartheidsystem Israels und Südafrika.
Die Ähnlichkeiten geben
Grund zum Optimismus und zu Hoffnung. Ich erinnere an
die Boykott-, Divestment- und Sanktionen-Kampagne (BDS) die 1959 in
London begonnen wurde. Sie wuchs sprunghaft während 30 Jahren an und half mit,
die Apartheid zu stürzen.
Dies hat die jetzige
weltweite BDS-Kampagne gegen Israel inspiriert und angespornt. Der Aufruf – im
Juli 2005 initiiert, also erst vor sechs Jahren, ist
mit noch größerer Geschwindigkeit angelaufen. Genau wie der Kampf der
Anti-Apartheidbewegung gegen das rassistische Südafrika kann sie zu einer
dramatischen Veränderung führen und
zum Frieden beitragen, der sich auf Freiheit und Gerechtigkeit für alle im
Heiligen Land gründet.
Ich begann diesen Artikel
mit einem Zitat von Dr. Verwoerd.
Um ihn abzuschließen eignet sich nichts besser als ein Zitat von Nelson Mandela,
der gegenüber Yasser Arafat 1997 folgendes sagte: „Die UN hat sich stark gegen
die Apartheid gestellt, und über Jahre hinweg wurde ein internationaler Konsens
geschaffen, der mithalf, dieses ungeheuerliche System zu beenden. Aber wir
wissen nur zu gut, dass unsere Freiheit unvollständig ist ohne die Freiheit für
die Palästinenser.“ ( 4.12.97)
Nur als eine vereinigte,
nationale Bewegung eines entschlossenen Volkes, bestärkt durch internationale
Solidarität, gewann der von Nelson
Mandela angeführte Kampf die Freiheit. So wird dies auch in Bezug auf
das Zweigespann von
Südafrikas und Israels Apartheidstaat erreicht werden.
Ronnie Kasrils war – als
Jude - im Freiheitskampf
Südafrikas engagiert und ist
ein früherer Kabinettsminister in der südafrikanischen Nach-Apartheidsregierung