Henry Siegmann, www.nytimes.com/2009/11/02/opinion/02iht-edsiegmann.html
1.November 2009
Umfragen
haben ergeben, dass Präsident Obama nur noch über 6-10% der israelischen
Öffentlichkeit hinter sich hat – vielleicht die niedrigste Popularität in einem
Land weltweit.
Nach
Medienberichten suchen die Berater des Präsidenten nach Wegen, um Israels
Öffentlichkeit der Freundschaft des Präsidenten zu versichern und des
uneingeschränkten Engagement für Israels Sicherheit.
Diese
Freundschaft und das Engagement sind real, ungeachtet der Umfragezahlen in
Israel. Die Außenministerin Hillary Clinton versuchte, diese Botschaft während
ihres Besuches in Israel zu verstärken. Der Sonderbotschafter George Mitchell
ist angeblich darum gebeten worden, ähnliche Bemühungen während seiner
häufigeren Besuche in Jerusalem zu machen.
Das
Weiße Haus ist dabei, einen neuen Rekord in der Anzahl der beruhigenden Botschaften und Videogrüßen von
einem amerikanischen Präsidenten nach
Israel, aber auch an jüdische Organisationen in den USA zu senden– genau zu
diesem Problem. Pläne für einen Präsidentenbesuch in Jerusalem sind im Gespräch .
Mitarbeiter
des Präsidenten sind besorgt, dass die
Feindseligkeit gegenüber Präsident Obama unter den
Israelis seine Friedensbemühungen schädigen könnten. Das stimmt zweifelsohne .
Aber
eine Weiße-Haus-Kampagne, die sich mit Israels Öffentlichkeit beim Präsidenten
einschmeicheln will, könnte weit
gefährlicher sein, weil der Grund für diese beispiellose israelische
Feindseligkeit gegenüber einem amerikanischen Präsidenten die Angst ist, dass
Präsident Obama ernsthaft darum bemüht ist, Israels
Besatzung auf der Westbank und im Gazastreifen zu beenden.
Die
Israelis sind nicht gegen Präsident Obamas
Bemühungen, weil sie ihn nicht mögen;
sie mögen ihn genau wegen seiner Friedensbemühungen nicht. Er wird ihre
Zuneigung nur dann wieder erlangen, wenn
er mit diesen Bemühungen aufhört.
So
reagiert Israels Regierung und Volk auf Druck von außen für ein
Friedensabkommen, der
Israels
Übereinstimmung mit dem Völkerrecht und
den UN-Resolutionen erwartet und dazu aufruft, zu den 1967-Grenzen
zurückzukehren, und einseitige Veränderungen an dieser Grenze zurückweist.
Wie
Israels Regierung wird auch die israelische Öffentlichkeit nicht müde,
gegenüber Umfragen seine Hoffnungen auf Frieden und seine Unterstützung einer
Zwei-Staatenlösung zu erklären. Was die Umfragen aber nicht berichten, ist,
dass diese Unterstützung davon abhängt, was Israel genau unter Frieden
versteht, von seinen territorialen Dimensionen und den Beschränkungen, die der
Souveränität eines palästinensischen Staates auferlegt werden.
Ein
amerikanischer Präsident, der sich an die arabische Welt wendet und einen
fairen und gerechten Weg zum Frieden verspricht, wird von Israelis sofort als anti-israelisch
angesehen.
Der
Vorsitzende einer führenden jüdischen Organisation in Amerika war gegen die Ernennung von Senator
Mitchell als Präsident Obamas Friedensvermittler,
weil seine Objektivität und sein Gerechtigkeitssinn ihn für diese Aufgabe
disqualifizieren.
Die
israelische Reaktion auf ernsthafte Friedensbemühungen sind nichts anderes als
pathologisch – die Folge einer
Unfähigkeit, mit der Rückkehr des jüdischen Volkes in die Geschichte nach 2000
Jahren Machtlosigkeit und Opfersein fertig zu werden.
Der
frühere Ministerpräsident Rabin, an dessen Ermordung durch einen jüdischen
Rechtsextremisten man in dieser Woche in Israel gedenkt, sagte bei seiner Amtseinführung 1992 den Israelis,
dass ihr Land militärisch mächtig und
nicht ohne Freunde sei und auch in keiner Gefahr. Sie sollten deshalb aufhören,
als Opfer zu denken und zu handeln.
Die
Botschaft des Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahus, dass die ganze Welt
gegen Israel sei und dass die Israelis vor einem neuen Holocaust stünde – eine
Angst, die er wiederholt während seiner Rede im September bei der UN-
Vollversammlung zum Ausdruck brachte, um
den Richard Goldstone-Bericht
über den Gazakrieg in Misskredit zu bringen – ist für zu viele Israelis leider eine bessere
Nachricht.
Diese
Pathologie ist von amerikanisch-jüdischen Organisationen begünstigt und unterstützt worden, deren
Agenden mit den politischen und ideologischen Ansichten von Israels rechtem
Flügel übereinstimmen. Diese Organisationen reflektieren nicht die Ansichten
der meisten amerikanischen Juden wider, die zum größten Teile - fast 80% - bei den Präsidenten Wahlen für Obama wählten.
Ein
israelisch-palästinensisches Friedensabkommen hat sich allen US-Regierungen
entzogen, nicht weil sie unfähig waren,
die passenden Formulierungen auszuarbeiten; seit geraumer Zeit kennt
jeder die wesentlichen Punkte dieser Formulierung, die von Präsident Clinton
schon 2000 vorgeschlagen wurden.
Der
Konflikt geht nur deshalb weiter, weil US-Präsidenten, und zu einem größeren
Ausmaß Mitglieder des Kongresses, die alle zwei Jahre von Wahlspenden abhängen
– einer Pathologie Rechnung tragen, die nur
durch Herausforderung geheilt werden kann.
Nur
ein US-Präsident mit politischem Mut, der israelisches Missfallen riskiert und auch die Kritik aus dem Teil der
pro-Israel-Lobby in Amerika, die reflexartig die Politik Israels unterstützt,
egal wie sehr sie gegen Vernunft und Moral verstößt – kann diese Pathologie
heilen.
Wenn
Präsident Obama
ernsthaft sein Versprechen hält, um endlich die 40 Jahre andauernde
Besatzung durch Israel zu beenden, eine Zwei-Staaten-Lösung voranbringt,
Israels Überleben als jüdischer und demokratischer Staat absichert und die
nationalen Interessen der USA in der Region schützt, wird dieses Missfallen
riskieren. Wenn er sein Versprechen
einlöst, wird er Israels ewige Dankbarkeit verdienen.
Henry
Siegmann war früher Nationaldirektor des amerikanischen-jüdischen Kongresse. Jetzt ist er der Direktor des US/ Nahost-Projektes.
(dt.
Ellen Rohlfs)