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Die deutschen Spezialisten für
Menschenrechte!
Von Evelyn Hecht-Galinski
2. Mai 2012
Ja wir
haben sie, die immer bereiten Spezialisten für Menschenrechte. Sie sind
schnell dabei, wenn es um deutsche politische Interessen geht. Zählen wir
einige von ihnen auf: Volker Beck, der auf dem Israel-Kongress von Honestly
Concerned sprach. Er setzt sich so stark für Julia Timoschenko ein. Tom
Koenigs, grüner Vorsitzender des Ausschusses für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe, ebenfalls. Ingo Schulz, Bündnis 90, die Grünen. Markus
Meckel von der SPD, bläst ins gleiche Horn. Er zieht sogar seinen Hut vor
Markus Löning, dem Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, dass er
so klar Position bezieht. Alles für Frau Timoschenko und gegen die
Menschenrechtsverletzungen der Ukraine. Schwor diese "Jeanne d`Arc“ der
Ukraine nicht schon vor zehn Jahren, nach ihrer Entlassung aus der
Untersuchungshaft ganz in Weiß gekleidet, ihren politischen Gegnern Rache?
Julia Timoschenkos System kennt nur Freunde und Feinde, unvergessen bis
heute ihr Machtkampf mit Juschtschenko, wo sie schon damals versuchte,
westliche Verbündete für ihr Machtstreben und ihre Geldgier für sich zu
gewinnen. Warum setzt sich Kanzlerin Merkel also schon seit Monaten so
vehement für die Freilassung der, wegen umstrittener, und für Timoschenko
sehr gewinnbringende Gasgeschäfte mit Russland verurteilte Politikerin ein?
Soll Timoschenko in Deutschland behandelt werden, um dann eine neue Runde im
ukrainischen Wahl/Machtkampf einzuleiten? Noch bis zur ukrainischen
Parlamentswahl im kommenden Herbst? Diese Einmischung in die ukrainische
Politik könnte für Deutschland mehr als unangenehm werden. Wichtiger als die
machtbesessene Politikerin scheinen mir die vielen unschuldig einsitzenden
politischen Häftlinge. Hier zeigt sich erneut das traurige Schauspiel der
deutschen Politik, die für die wirklichen Menschenrechtsvergehen kein Auge
hat.
Julia
Timoschenko
Quelle: http://de.rian.ru/politics
Und
neben Ruprecht Polenz, seit 2005 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses
des Deutschen Bundestages, bezog natürlich unser oberster
Menschenrechtsspezialist und ehemaliger Bürgerrechtler, Bundespräsident
Joachim Gauck, der Mann der Freiheit, am eindeutigsten Stellung und sagte
gleich seine Reise in die Ukraine ab. Natürlich in Absprache mit "Chefin"
Merkel, eine besonders ausgewiesene Menschenrechtsspezialistin und ehemalige
DDR-Mitbürgerin von Herrn Gauck.
Vergessen wir nicht das Charité-Team unter Prof. Einhäupl, das schon mit
Schmerztherapeuten, Physiotherapeuten, Psychologen und ähnlichem bereit
steht, um sich ganz Frau Timoschenko widmen zu können. - Nicht dass man mich
falsch versteht, auch ich bin sehr für die Einhaltung der Menschenrechte!
Aber warum gilt diese hektische Aktivität besonders verurteilten
Poltikerinnen wie Timoschenko oder Oligarchen wie Michail Chordorskowski?
Verurteilte man sie nicht - jenseits politischer Absichten - wirklich wegen
Vergehen?
In
Bahrein durften die Saudis der Herrscherfamilie bei der Niederschlagung von
Protesten helfen, besonders blutig und mörderisch! Wahrscheinlich auch noch
mit unseren Leopard-Panzern! Groß ist der Aufschrei gegen das syrische
Regime! In Libyen wurde der ehemals auch von der Bundesregierung hofierte
Gaddafi ermordet. Mubarak wollte man auch nicht gehen lassen. Ben Ali, dem
Frankreich noch zur Niederschlagung der Proteste mit französischen
Polizisten zu Hilfe kommen wollte. Vergessen wir nicht Bin Laden und die
Taliban, die wie Saddam Hussein ebenfalls vom Freund zum Feind wurden -
denke man nur an die vielen schönen Fotos dieser Persönlichkeiten mit
unseren und anderen westlichen Führungsfiguren. Frau Merkel eröffnete soeben
mit dem chinesischen Ministerpräsidenten die Hannover Messe, Dissidenten
mussten zuhause bleiben! Und wurde nicht unser vor-vor-Bundespräsident
Köhler ein Opfer seiner leichtfertigen Ehrlichkeit, indem er sogar Kriege im
Namen der Wirtschaftsinteressen nicht ausschließen wollte? So weit nur eine
kleine Auswahl von Verlogenheit der Politik, mit der wir ständig "verdummt"
werden.
Lassen
Sie mich aber jetzt zum eigentlichen Punkt kommen, der mir speziell auf dem
Herzen liegt: In israelischen Gefängnissen sitzen etwa 4.600 Palästinenser,
wegen Straftaten gegen die Sicherheit Israels. Der palästinensische
Ministerpräsident forderte zu Recht, sie endlich als Kriegsgefangene
anzuerkennen. "Das wird der erste Schritt zu ihrer Freilassung sein",
zitierte ihn die palästinensische Nachrichtenagentur WAFA. 1.350 dieser
Häftlinge begannen am 17. April einen Hungerstreik, um auf ihren Kampf für
ein menschenwürdiges Leben und Freiheit für sie und ihr Volk aufmerksam zu
machen. Haben wir in "unseren Medien" etwas darüber gelesen, gehört oder
gesehen - vergleichbar zu dem, was wir täglich über Julia Timoschenko
erfahren? Diese Gefangenen sitzen in Gefängnissen außerhalb vom
Westjordanland und Gaza. Angehörige dürfen sie kaum besuchen, man hält sie
im Widerspruch zu allen Konventionen gefangen, unter Bedingungen, die allen
Menschenrechten widersprechen. Unter ihnen Frauen, Kranke und Minderjährige.
Man versorgt sie schlecht mit Nahrungsmitteln, nimmt ihnen jegliche
Menschenwürde und demütigt ihre Angehörigen systematisch an den israelischen
Militärsperren, wenn sie dann doch einmal zu Besuchen der Gefangenen kommen
dürfen.
Besonders schlimm trifft es die Gefangenen aus dem Gazastreifen, sie werden
noch größeren Schikanen ausgesetzt. Unter diesen Gedemütigten sitzen auch
etwa 320 Häftlinge in sogenannter Verwaltungshaft. Sie können ohne Anklage,
nur an Hand von geheimen Ermittlungsergebnissen für jeweils verlängerbare
Zeiträume von sechs Monaten festgehalten werden. Diese palästinensischen
Häftlinge – unter dem zionistisch/rassistischen Regime des jüdischen Staates
unrechtmäßig festgehalten – verdienen unser aller Solidarität und
Anteilnahme.
Herr Bundespräsident Gauck, wie
wäre es, wenn Sie aus Protest gegen diese und andere
Menschenrechtsverletzungen des jüdischen Staates Israel, auf Ihre für Mai
geplante Reise verzichten würden? Wäre das nicht der richtige Ansatz für den
Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit? Oder klammern sie den Kampf der
Palästinenser für Freiheit, gegen ihre Besatzung und Enteignung einfach aus,
nur weil es eben Israel ist und unsere besonderen Beziehungen betrifft?
Sollten sie doch fahren, könnten sie ein Zeichen setzen und sich an Ort und
Stelle für die Entrechteten und Unterdrückten einsetzen. Besuchen Sie nicht
nur Jad Vaschem, sondern blicken Sie dann auch auf Dir Yassin, den
schrecklichen Ort eines Massakers, angerichtet von jüdischen Terroristen der
Irgun- und Stern-Gruppe, direkt gegenüber.
Gehen sie in die besetzten
Gebiete, inklusive Gaza und schauen Sie sich die Apartheidmauer an, viel
schlimmer und höher als die Berliner Mauer – und am allerschlimmsten zum
größten Teil auf geraubtem palästinensischen Land. Sie machen sich sonst
UNGLAUBWÜRDIG, Herr Bundespräsident! Als Reisebegleitung empfehle ich Ihnen
nicht den Präsidenten des Zentralrates der Juden, Dieter (mir graut vor Dir)
Graumann, sondern die ganzen oben erwähnten Menschenrechtsspezialisten.
Es ist
eine Schande, dass Israel ungestraft weiter so handeln darf, wie es das seit
der Staatsgründung tut. Feiert Israel den 64. Jahrestag seiner
Staatsgründung am 14. Mai nicht im Schatten der Nakba, also der Katastrophe
für die Palästinenser? Werden wir nicht immer wieder und immer schlimmerer
Propaganda der Israel-Versteher und ihrer Medien-Helfer überzogen? Dagegen
immun zu werden und diese unwahren propagandistischen Mythen nicht mehr
einfach hinzunehmen, müssen wir alle noch lernen.
Das
führt mich direkt zur Springer-Presse. Ich will nicht nur keine BILD im
Briefkasten, sondern auch keine Stürmer der Woche, wie sie am 22. April in
der Welt am Sonntag stürmten. Schlimmerweise liegt die Welt, oder Welt am
Sonntag fast in jedem Hotel in Deutschland KOSTENLOS aus! Also an besagtem
22. April fiel mir durch Zufall die Welt am Sonntag auf, da die erste Seite
titelte: Repräsentative Umfrage der "Welt am Sonntag": Die klare Mehrheit
der Deutschen steht an der Seite Israels. Ich rieb mir die Augen und
wunderte mich, hatte ich doch ganz andere Umfragen gelesen. Aber war es
nicht genau so, als man Volkes Meinung nicht hören wollte, um den
Denunzierungskrieg gegen Günter Grass in den Medien besser gewinnen zu
können? Wir wissen ja, nicht zuletzt nach der "Islamstudie" des
Bundesinnenministeriums, wie man Studien und Umfragen manipulieren und
instrumentalisieren kann.
Aber
es kam noch schlimmer in der Welt am Sonntag! Auf Seite acht und neun gab es
ein Exclusiv-Interview mit dem israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu,
geführt speziell zum Holocaust-Gedenktag, unter anderem von einem
Broder-Spezi und Welt-Kollegen, nämlich Clemens Wergin und Kollege/innen.
Dieses Interview war so klebrig unterwürfig und gefährlich unwahr, dass es
schon fast eine Satire war, wäre es nicht wirklich so ernst, wie Israel -
wie Grass sehr richtig betonte - den Weltfrieden bedroht. Es bedroht aber
auch den inneren Frieden, indem das israelische Justizministerium momentan
an einem neuen Gesetzentwurf arbeitet, der den Einfluss des Obersten
Gerichts einschränken soll, das in den Palästinensergebieten immer wieder
Siedler und Armee stoppte.
Ich
möchte hier nur einige Aussagen von Netanjahu wiedergeben, die für sich
sprechen: "Netanjahu betonte, dass die Sicherheitszusammenarbeit mit
Deutschland auf Gegenseitigkeit beruht und in einer Weise, die der deutschen
Öffentlichkeit wahrscheinlich nicht allgemein bekannt ist. Denn wir
kooperieren auch in Sachen Geheimdienstinformationen und bei der
Terrorbekämpfung."
"Wir
haben uns gegen undenkbare Widerstände durchgesetzt und haben ein
unglaublich progressives (meinte er nicht aggressives?) Land aufgebaut mit
einer der höchst entwickelten technologischen Ökonomien der Welt?"
"Wir
haben Versprengte aus der Diaspora zurückgebracht, sowie es die biblische
Prophezeiung verhieß?"
"Es
kommt einem Wunder gleich. Aber Wunder gibt es in der Geschichte nicht
umsonst. Jedes Volk kann nur eine begrenzte Zahl davon vollbringen. Also
müssen wir stark bleiben und dieses Wunder gegen all die zu schützen, die
uns auslöschen wollen".
Netanjahu zeigt in dem ganzen Interview mit Hilfe der Springer-Stürmer, wie
er denkt und handelt. Rückkehrrecht, selbstverständlich, aber nur für Juden.
Für die unrechtmäßig Vertriebenen, also für die Palästinenser, gilt das
natürlich nicht? Siedlungen stellen kein Problem dar. Natürlich nicht, wenn
man wie er und seine Regierung täglich sogar Außenposten legalisiert und
entgegen allem Völkerrecht siedelt und Land stiehlt.
Dieses
Interview war ein Spiegel der israelischen Unrechtspolitik, ein Lehrstück
für die Arroganz eines scheinbar Übermächtigen.
Lassen
wir uns nicht mehr von den Menschenrechts- und Springer-Spezialisten mit
falscher Propaganda für Israel gehirnwaschen, sondern protestieren wir alle
gemeinsam gegen dieses Unrecht. Kaufen wir keine Springer-Zeitungen mehr.
BDS für BILD und Welt, damit wir uns wieder ein ungespringertes Bild von der
Welt machen können. (PK)
Evelyn Hecht-Galinski ist Publizistin und Tochter des 1992 verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski. Unsere LeserInnen kennen sie als Autorin der Serie, die sie "vom Hochblauen", ihrem 1186 m hohen "Hausberg" im Badischen, schreibt.