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Der  aufgebesserte Status

 

Gideon Levy, Haaretz, 1.6.08

 

Ehud Olmert ist nicht allein. Er tat nichts anderes als das , was andere auch tun. Der Ministerpräsident versuchte, sein Leben „aufzubessern“; jeder  von uns macht das. Es gibt keinen Traum wie den israelischen Traum, sein Leben zu verbessern. Es wurde unsere raison d’etre. Das Problem beginnt dann, wenn wir alle Proportionen verlieren. Olmert hat seine Flüge verbessert, seine Luxuswohnung, seine Uhren und sein Zigarren, aber der israelische Wunsch, sich  und seinen Status zu verbessern, ist weitreichender und umfasst alles.

 

Es beginnt natürlich damit, wie wir uns selbst sehen. Sind wir eine normale Nation? Genau wie alle anderen Nationen der Welt?  Wach endlich auf! „Wir sind ein einzigartiges Volk“, nicht weniger. In Wahrheit sind wir eine Gesellschaft, die alles andere als normal ist – mit unserer zerbrechlichen Demokratie, die  immer mehr zu einer Theokratie wird. Wir sind auf  verschiedene Art und  Weise levantinisch und nicht weniger militaristisch. Wir sind eine prekäre Kombination  von westlichem Liberalismus und Totalitarismus, zwischen Sozialismus und grausamen Kapitalismus, Nationalismus und zuweilen auch Rassismus. Doch sind wir ein Volk, das sich selbst zu „einem Licht unter den Völkern“ erklärt.

 

Diese Bemühung, unser Image aufzubessern und von aller Welt  bewundert zu werden, macht uns wahnsinnig – weh dem, der versucht, diese Ambitionen zu untergraben. Eine andere fast lächerliche Aufbesserung ist , „die einzige Demokratie im Nahen Osten“ zu sein , in deren Hinterhof man eine seit 41Jahren grausam operierende  militärische Besatzung findet und die an ihrer Heimatfront gefährliche, beunruhigende Symptome aufzeigt. „Die einzige Demokratie des Nahen Ostens“, die z.B.  Gäste wegen ihrer Meinung nicht ins Land einreisen lässt (Prof. Finkelstein ER) und Studenten wegen ihres Glaubens ausweist; die heilige Bücher verbrennt und die  den Verkauf von Sauerteigbrot  über Pessach verhindert; die  an Sabbath – wie die schlimmsten Theokratien -  keine öffentlichen Verkehrsmittel hat. Dies ist das Land, das wir zu einer liberalen, westlichen Demokratie aufzubessern  versuchen . Dies lässt auch sehr daran denken, wie der Staat den Umfang des von ihm kontrollierten  Gebietes  vergrößert, eine Aufbesserung, die zur Ursache alles Desasters geworden ist.

 

Wir kämpfen – und denken dabei an New York -  um eine  Aufbesserung von Tel Aviv, eine faszinierende doch lokale Stadt. Wir rühmen uns des israelischen Weines als „ einem globalen Phänomen“, nachdem eine anonyme Weinhandlung eine Medaille gewonnen hat oder eine bewundernde Rezension in der Presse;  des Sieges bei einem Basketball-Turnier, der  uns  „zurück auf die Landkarte bringt“; wir rühmen uns des Erfolges beim Eurovision-Liederwettbewerb   oder einer Olymlpia-Medaille, die sofort  eine „nationale Errungenschaft“ genannt wird und der Präsident rechnet unsere Landwirtschaft, unsere Wissenschaft und das Militär „zu den  besten der Welt“ . Dies sind alles  nichtssagende Phrasen - Aufbesserungen, genau wie jene frisierten Jeeps, die über unsere Straßen rollen.

Wir  neigen sogar dazu, unsere nationalen Desaster hochzuspielen und dabei die der anderen  herabzusetzen. Es ist verboten, ein Wort über unsern sakrosankten Holocaust zu sagen, da kein anderes Geschehen mit diesem verglichen werden kann. Man darf  um Himmels willen  den Holocaust nicht im selben Atemzug mit andern Katastrophen, wie dem armenischen Genozid, nennen und schon gar nicht mit der Schlächterei im Kongo oder Ruanda und Darfur und ganz sicher nicht mit der Naqba. Das Leiden der Bewohner von Sderot wird auch übertrieben und zu unverhältnismäßigen Dimensionen hoch stilisiert. Nur wenige Kilometer davon entfernt lebt ein Volk unter grausamsten, unberechenbaren Bedingungen – aber diese Katastrophe wird minimiert.

 

Alles, worum Olmert gebeten hatte, war, in der 1. Klasse zu fliegen, obwohl sein Flugticket  für die Business-Klasse war, oder in der Präsidentensuite zu schlafen, obwohl er für ein normales Hotelzimmer gezahlt hat. Im Verhältnis zu unseren täglichen  Aufbesserungen ist dies marginal, aber wir reden gern darüber und  bekämpfen es mit  beispielloser  Entschlossenheit und  gerechter Empörung. Zur Hölle mit den anderen Aufbesserungen, die weitaus lächerlicher und  weitaus gefährlicher sind.                                       (dt. Ellen Rohlfs)