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Was meinen Sie, wenn sie „nein“ sagen?

 

Gideon Levy, 18.11.2007

 

Ein Festtag für den Frieden: Israel plant, das Einfrieren des Siedlungsbaus anzukündigen als Kompensation dafür, sich zu weigern, über die Kernprobleme (Jerusalem, Flüchtlinge, Grenze) zu reden. Die Palästinenser sind überglücklich über all die Gesten des guten Willens, die ihnen Israel auf ihren Weg wirft. Zuerst die Entlassung von Gefangenen, nun das Einfrieren des  Siedlungsbaus, und der Ministerpräsident hat schon mit den Siedlerführern gesprochen und sie von der Entscheidung informiert. Sie sagten, es sei ein „schwieriges Treffen“  gewesen – wie es immer ist, während sie sich listig zuzwinkerten.

 

Zweifellos wünscht Israel Frieden. Dabei ist ein winziges Detail vergessen worden: Israel hat eine Reihe bindender Abkommen unterzeichnet, bei denen es um das Einfrieren der Siedlungstätigkeit geht – aber nie beabsichtigt,  sie zu erfüllen. Während der 40 Jahre Besatzung wurde nur während dreier Jahre das Bauen unterbrochen, trotz all der Abkommen und Versprechen dies zu tun. Es gibt keinen Anlass zu glauben, dass Israel sich diesmal anders verhalten wird.

 

Von allen Ungeheuerlichkeiten Israels in den Besetzten Gebieten – die Brutalität, die Ermordungen, die  Belagerungen, der Hunger, die Stromsperren, die Checkpoints und die Massenverhaftungen – nichts ist ein besserer Zeuge  seiner wirklichen Absichten als die Siedlungen. Ganz sicher für die Zukunft. Jedes in den besetzten Gebieten gebaute Haus, jede Straßenlaterne und jede Straße sind wie tausend Zeugen: Israel wünscht keinen Frieden; Israel wünscht Besatzung. Wem es wirklich um Frieden und einen palästinensischen Staat geht, der baut nicht mal einen Schuppen .

 

Von Oslo über Camp David und die Road Map hat Israel nie aufgehört, das kriminellste Verbrechen seiner Geschichte zu beenden. Eine kleine Erinnerung: Im Artikel 7 des Osloabkommens verspricht Israel, dass „keine Partei   einseitige Schritte unternimmt, um die Situation vor den Verhandlungen eines Endstatus  vor Ort zu verändern. Das machte wirklich Eindruck auf Israel. Während der nächsten 10 Jahre aber verdoppelte sich die Zahl der Siedler. Und wie ist es mit den heroischen Friedensbemühungen Ehud Baraks als Ministerpräsident? Während der 18 Monate  seiner Regierungszeit, begann Israel mit dem Bau con 6045 Wohneinheiten in den besetzten Gebieten,

 

Und warum unterzeichnete Israel zwei Jahre später die Road Map? „Die Regierung Israels will alle Siedlungstätigkeiten einfrieren in Übereinstimmung mit dem Mitchellreport – vom natürlichen Wachstum der Siedlungen abgesehen.“ Und was geschah in der Praxis? Klagen, dass die Palästinenser das Abkommen nicht erfüllen würden – und eine große Ladung neuer Siedler. Dies war auch 2005 der Fall – noch so „ein Jahr des Friedens“: die Abtrennung (der Siedler aus dem Gazastreifen). Und was tat Israel  in seinem eigenen Hinterhof? Es kamen weitere 12 000 neue Siedler.

 

Dieses schreckliche Unternehmen, dessen Zweck es ist, jede Chance für einen Frieden  zu verderben, ist ein kriminelles Unterfangen. Nach Peace Now, das sich auf Daten der Zivilen Verwaltung stützt, die jahrelang unter der Decke gehalten wurden, sind 40 % der Siedlungen auf Privatland von Palästinensern  gebaut worden. In den meisten Fällen ist das ihr einziger Besitz, der ihnen am hellerlichten Tage von einem Besatzungsstaat geraubt wurde. Sie stehen dem völlig hilflos gegenüber.  Dies fand Jahre später statt, nachdem der Oberste Gerichtshof 1979 bestimmt hat, es sei illegal, auf privatem palästinensischem Land zu bauen. Während Israel darüber debattiert, ob es ein Rechtsstaat sei, ob dem Ministerpräsidenten für sein Haus ein Rabatt auf dessen Haus in der Cremieux-Str. gegeben werden solle, ob wir einen starken Gerichtshof wünschen, sollten wir uns daran erinnern, was tatsächlich in den Besetzten Gebieten vor sich geht: die wirkliche Korruption dort verschlingt uns.

 

Nun stehen wir am Vorabend eines neuen Friedensereignisses (Annapolis!!) . Doch während des letzten Jahres wurden weitere 3525 neue Wohneinheiten in den Gebieten gebaut, unter der Schirmherrschaft einer Regierung, die unaufhörlich über das „Ende der Besatzung und von zwei Staaten“ spricht. All die hochtrabenden Statements haben keine Substanz, sind nichts wert, wenn wir die Daten lesen: das Bauen in den Siedlungen befindet sich in 88 Siedlungen in Höchstform. Man gehe in die Besetzten Gebiete und sehe es sich selbst an. Als die Baufirma Heftsiba implodierte, kamen plötzlich hundert neue Siedler ans Licht, ein weiterer Beweis für das Ausmaß des „Eingefrorenen“ Unternehmens.

 

Die Berge der Entschuldigungen,  „Siedlungsblöcke“ , „natürliches Wachstum“ als auch  „jenseits des Zaunes“ und „diesseits des Zaunes“ kann nicht  über die nackten  Tatsachen hinwegtäuschen: das Unternehmen hat nicht  für einen Augenblick aufgehört. Es wird auch jetzt nicht aufhören. Die Hände einer  Viertel Million Siedler sind von Ungeheuerlichkeiten und Verbrechen beschmutzt, aber eigentlich sind nicht sie die wahre schuldige Partei. Das kommt allen israelischen Regierungen zu – mit Ausnahme von Yitzhak Rabins zweiter Amtszeit. Alle sind in diese Ungeheuerlichkeiten verwickelt.

 

Wenn also Ehud Olmert heute nein sagt, was bedeutet das dann?  Ist das „nein“ wirklich ein „nein“ – oder ist es vielleicht nur  ein „Vielleicht, aber nicht jetzt“? Im Hinblick auf vergangene Erfahrungen ist die bittere Wahrheit, dass Olmerts „nein“ wie alle zuvor eher  auf ein „ja“ hindeutet.

 

(dt. Ellen Rohlfs)