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Gideon Levy, Haaretz,
1.2.09
Ein
Stillschweigen – unter allem andren schändlichen Stillschweigen - war das Stillschweigen der Juristen besonders
laut zu vernehmen. Die 41 000 Anwälte im Staat Israel haben die Aufgabe
übernommen, sein Image als das eines Rechtsstaates zu schützen. Und diese
ausgedehnte und große Armee hat wieder einmal ihre Aufgabe verfehlt. Es gibt in
aller Welt schwer wiegenden Verdacht, dass Israel eine Reihe von
Kriegsverbrechen begangen hat - und die
Juristen unseres Landes darüber ihren Frieden –
also Stillschweigen - bewahren.
Wo
z.B. war Aharon Barak, als wir ihn wirklich
brauchten? Wo sind seine Kollegen, die früheren Richter am Obersten
Gerichtshof, die sehr wohl wussten, wie man die Stimme laut werden lassen kann,
wenn der Justizminister Daniel Friedmann damit drohte, ihren Augapfel zu
verletzen, und die sich jetzt hinter feigem Stillschweigen verbergen?
Wo
ist Mishael Cheshin,
der jedem damit drohte, die Hand
abzuhacken, der sie gegen den Obersten
Gerichtshof erhob, und jetzt wirft er wohl einen großen Schatten vor uns – sagt
aber kein Wort.
Wissen
sie denn nicht, dass einer zivilen Bevölkerung unverhältnismäßiger Schaden
zugefügt wurde, auch Konvois mit Versorgungsgütern und gegenüber Sanitätern, dass weißer Phosphor
mitten in Bevölkerungszentren abgeworfen wurde und willkürliche Bombardements – dass dies
alles als Kriegsverbrechen angesehen
wird? Welche Antworten geben sie ihren wütenden Kollegen in aller Welt? Sind
sie davon überzeugt, dass Israel diese Verbrechen begangen hat oder nicht? In
beiden Fällen wäre ihre Stimme wichtig
und ihr Schweigen entsetzlich.
Dieser
Krieg kam nicht auf die Agenden der Mehrheit der Juristen Israels. Ein Blick
auf die (hebräischen ) Web Sites der israelischen Juristenvereinigung zeigt,
dass die letzten Themen, mit denen sie sich beschäftigt haben, folgende sind:
„der Reservesoldat und seine Rechte“ ,
„Discounts und Gewinne für
Geschäftsbesitzer im Süden“; „Bezahlen von Mitgliederbeiträgen – jetzt über den
Anwalt (?)“ und „Blumendesign, ein Workshop im Süden für Juristen, der Spaß
macht“.
Kein
Wort über das Problem von Verbrechen. Die israelischen Juristen können sich
nicht damit befassen . Abgesehen von einigen mutigen
Anwälten stört sich keiner an den
Besorgnis erregenden rechtlichen Aspekten des Krieges. Dass Hunderte von
Kindern getötet wurden, scheint nicht Grund genug zu sein, um aufzuschreien,
wenn man mit Blumendesign beschäftigt ist.
Es
gibt nur eine Gruppe, die sich jetzt mit dem Krieg beschäftigt: die Mitglieder
der IDF-Völkerrechts-Division, die ihren Bossen weiter gehorsamst
dient und jeden kriminellen Akt legitimiert. Sie haben z.B. schon bestätigt,
dass das kriminelle Bombardement auf die Vereidigungszeremonie der
Polizeiakademie nach dem Völkerrecht
akzeptabel sei. Sie haben auch entschieden, dass das Anrufen von Leuten, deren
Haus gleich zerstört werden soll, ausreicht, um diese grausame Form kollektiver
Bestrafung, die auch ein Kriegsverbrechen ist,
zu rechtfertigen.
Nun
ist ihre Kommandeurin Oberst Pnina Sharvit-Baruch dabei, sich dem Dozentenstab
der juristischen Fakultät der Tel Aviver Universität anzuschließen, wo sie ihre Doktrin der
„trickreichen Jurisprudenz“ vorstellen wird, die das Massentöten erlaubt – und
zwar in den Worten des Juristen Prof. Haim Ganz zu Studenten, die glücklich
sein werden, wenn sie hören, dass Israels schmutzige Hände so sauber sind wie
die eines Säuglings.
Es
geht nicht um die Meinung eines ( weiblichen)
Anwalt-Oberst, wie der Fakultätsdekan demagogisch behauptet, sondern um ihre
Taten. Es wird befürchtet, dass sie
Komplizin der Kommission von Kriegsverbrechern ist und als solche von
ihrem Lehramt suspendiert werden müsste. Ihre Aufnahme in die Juristische
Fakultät wird die ermutigen, die für einen akademischen Boykott gegen Israel
sprechen. Ihre zukünftigen Studenten werden weiter entsprechend der unrühmlichen Tradition des Schweigens und der
Legitimierung erzogen. Die Juristen Israels sind immer bereit, still zu sein
und jede militärische Operation zu legitimieren. Das juristische Establishment
ist gewonnen worden – oder um genauer zu sein, hat sich selbst gemeldet und
wirkt mit.
Jeder, der den Ereignissen des (Gaza-) Krieges ehrlich folgte, weiß,
dass es nicht um die Frage geht, ob Kriegsverbrechen begangen wurden, sondern wer
die Verantwortung für sie trägt. Juristen aus aller Welt bereiten jetzt sorgfältig
die Rechtsfälle vor und gehen ins Detail der angeblich begangenen Verbrechen.
Wie
ist es möglich, dass die bedeutendsten Juristen aus aller Welt sehen, was
unsere Juristen verborgen haben? Gibt es
kein unmissverständliches, universales Gesetz zu diesem Problem? Hat Israel
seinen eigenen Standard? Kann alles legalisiert werden? Kann das Völkerrecht
gedreht und gewendet werden und mit einem Heftpflaster
bis zu dem Punkt zugeklebt werden, dass
Massenmord und Massenzerstörung von unsern führenden Leuchttürmen der Justiz
ein Stempel der Rechtfertigung aufgedrückt werden kann? Man kann annehmen, dass
die gehirngewaschenen Offiziere und Soldaten, die Medien und die öffentliche
Meinung und alle davon überzeugt waren, es sei alles erlaubt. Aber um Gottes willen, wo sind denn die
Verteidiger des Gesetzes?
Wie
blieben mit einem Verteidigungsminister
und ein Militärrabbiner zurück, die Entscheidungen weitergeben. Ehud Barak
schreit nach der Liquidierung der Terroristen, während sie auf der Toilette
sind; das Militär-Rabbinat ermuntert die Soldaten, grausam zu sein. Und die
Juristen? Stört sie nicht, während sie sich erholen! Sie sind nun eifrig dabei,
Mitgliederbeiträge für die israelische Juristenvereinigung mit Prozessen einzuholen .
(dt.
Ellen Rohlfs)