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Gaza:
Todeslabor
Conn Hallinan – Foreign Policy in Focus, 11. 2. 09
Eric
Fosse, ein norwegischer Kardiologe, arbeitete während des letzten Krieges in Krankenhäusern
im Gazastreifen: “Es war, als wären sie auf eine Mine getreten,“ sagte er über einige palästinensische Patienten, die er
behandelte. „Aber es gab keine Splitter in den Wunden. Einige hatten ihr Beine verloren. Es sah so aus, als wären sie
abgeschnitten. Ich war seit 30 Jahren in Kriegszonen, aber ich habe nie vorher
solche Wunden gesehen.“
Dr.
Fosse beschrieb die Auswirkungen einer tödlichen US-Waffe, die den Explosivschaden
an Bauten gering hält, aber
fürchterliche Wunden in ihren Opfern hinterlässt. Aber woher haben die
Israelis diese Waffen? Und war ihre weit verbreitete Anwendung in Gaza ein Test
für eine neue Generation von Explosivstoffen?
Zum
Tode verurteilt
Die
spezielle Waffe wird Dense Inert Metal
Explosive (DIME) genannt. 2000 hat sich die US-Luftwaffe mit der Lawrence Livermore
Nationallabor der Universität Kalifornien
zusammen getan. Die Munition ist eingehüllt in hohe Explosivstoffe mit
Wolframverbindungen und anderen Metallen wie Kobalt, Nickel oder Eisen in einem
Kohlefaser-Epoxyd-Container. Wenn die Bombe
explodiert, verdampft der Container und das Wolfram wird zu Mikrosplittern,
die innerhalb eines
4m-Radius extrem tödlich wirken.
Wolfram ist ein ungemein widerstandsfähiges Metall, es verbindet sich nicht mit
dem Sprengstoff. Während ein ( non-inert) Metall wie Aluminium die Explosion vergrößern würde,
hält Wolfram die Explosion tatsächlich innerhalb eines begrenzten Gebietes.
Innerhalb
der Reichweite der Munition ist es ungewöhnlich tödlich. Nach dem norwegischen
Arzt Mad Gilbert sind die Folgen der Explosion mehrfache
Amputationen und sehr schwere Brüche. Die Muskeln lösen sich von den Knochen
und hängen lose. Dazu gibt es schwere Verbrennungen. Die meisten, die die
anfängliche Explosion überleben,
erliegen schnell einer Blutvergiftung und einem Organzusammenbruch. Anfangs
scheint alles in Ordnung .. aber bei einer Operation
stellt sich heraus, dass Dutzende winziger Teile in allen Organen gefunden
werden, sagt Dr. Jan Brommundt, ein deutscher Arzt, der in Khan Yunis arbeitet.
Es scheint eine Art von Explosivstoff oder Granate zu sein, die sich in winzige
Teilchen aufteilt und in alle Organe
dringen. Diese winzigen Verletzungen kann man chirurgisch nicht behandeln. Nach Brommandt
verursachen diese Teilchen vielfache organische Behinderungen
.
Wenn
durch irgend ein Wunder ein Opfer diese Umstände überlebt, bekommt es ziemlich
sicher einen besonders tödlichen Krebs,
der sich tief im Gewebe bildet und der sich kaum behandeln lässt
. Eine Studie der US-Gesundheitsabteilung von 2005 fand heraus, dass
Wolfram auch in sehr geringen Dosen RMS-Krebs erregt. Alle 92 getesteten Ratten
bekamen Krebs.
Während
DIME ursprünglich dafür bestimmt war,
Kollateralschäden bei den üblichen hoch-explosiven Bomben zu vermeiden, wird
seine tödliche Gefährlichkeit und auf
lange Sicht seine Giftigkeit kaum als Verbesserung angesehen.
Es
scheint, dass DIME-Waffen schon bei der israelischen Invasion 2006 im Libanon
angewandt wurden, aber noch nicht so, dass Mediziner alarmiert wurden. Aber im
Gazastreifen wurde sie jetzt weitgehend benützt. Im Al-Shifa-Krankenhaus
wurden allein 100-150 Opfer dieser Angriffe
gesehen.
GAZA
als Testgebiet.
Dr.
Gilbert sagte zum Osloer Gardermoen: ‚Es besteht der
starke Verdacht … dass der Gazastreifen als Testlabor für neue Waffen verwendet
wurde.
Marc
Garlasco, ein ranghoher Human Rights
Watch Militärberater, sagt, ‚nun bleibt uns
nur noch, herauszukriegen, wie Israel an die Technologie gekommen ist,
ob es die Waffen aus den USA nach irgendeinem Abkommen bekommen hat oder ob es seine eigene Art von
Munition entwickelt hat. Der Kongress hatte tatsächlich $77Millionen
für den Kauf von 1000 GBU-39s im September 2008 bewilligt, und die
Waffen wurden im Dezember geliefert.
Israel war der erste ausländische Empfänger von DIMES.
DIME-Waffen
sind von den Genfer Konventionen noch nicht
geächtet, weil sie bis jetzt noch nicht offiziell getestet wurden.
Doch ist
die Anwendung jeder Waffe, die solch horrenden Schaden verursacht,
normalerweise verboten, besonders im am
dichtesten bevölkerten Gebiet der Welt.
Zunächst einmal weiß keiner, wie lang Wolfram in der
Umwelt bleibt und wie weit es auf Menschen wirkt, die zu ihren mit DIME
angegriffenen Häusern kommen. Der Krebsforscher der Arizona-Universität Dr.
Mark Witten, der die Verbindung zwischen Wolfram und Leukämie untersucht, sagt,
dass seiner Meinung nach die
Auswirkungen auf die Gesundheit noch viel mehr
untersucht werden müsse, bevor das
Militär seine Anwendung erweitert.
DIME
war nicht die einzige fragwürdige Waffe/Munition, die im Gazastreifen
angewendet wurde. Die IDF machte auch großzügigen Gebrauch von weißem Phosphor,
einer Chemikalie, die unter großer Hitze verbrennt und am Opfer schreckliche
Brandverletzungen hinterlässt. In Form von Dampf schädigt es auch die Atemwege. Das Völkerrecht verbietet seine
Anwendung in der Nähe von besiedeltem Gebiet und fordert, dass alle Maßnahmen
ergriffen werden, um Zivilisten zu schonen.
Israel
hat zunächst geleugnet, dass es diese Chemikalie angewandt hat. „Die IDF würde
nur in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht handeln und keinen weißen Phosphor
anwenden,“ sagte Israels Generalstabschef Gabi Ashkenazi am 13. Januar.
Aber
Augenzeugenberichte aus Gaza und Israel
zwangen die IDF bald, zuzugeben, dass sie tatsächlich diesen Stoff
verwendet haben. Am 20. Januar bekannte die IDF, dass sie
Phosphor-Artilleriegranaten als Rauchschirm benutzt hätten und 200 in den US-fabrizierte
M825A1-Phophorgranaten auf Hamaskämpfer und Qassamwerfer-Mannschaften im Norden Israels abgefeuert
hätten.
Drei
dieser Granaten schlugen am 15. Januar in den UN-Agenturbereich und setzten ihn
in Brand und zerstörten Hunderte von Tonnen humanitärer Vorräte. Eine
Phosphorgranate schlug auch ins Al-Quds-Krankenhaus
in Gazastadt ein. Die Israelis behaupten, es seien in
ihrer Nähe Hamaskämpfer gewesen, was Zeugen
hartnäckig bestreiten.
Donatella
Rovera von Amnesty International sagte: „Solch
extensiver Gebrauch dieser Waffen in den
dicht bevölkerten Wohngebieten des Gazastreifens ..
und die hohe Zahl ziviler Opfer ist ein Kriegsverbrechen“
Israel
wird auch angeklagt, es habe auch Depleted Uranium-Munition (DU) angewandt, was eine
UN-Unterkommission 2002 als Verletzung der Universalen Menschenrechte, der
UN-Charta, der Genfer Konventionen, der Internationalen Konvention gegen
Folter, der Konvention über Konventionelle Waffen und der
Haager Konvention gegen die Anwendung von Giftwaffen bezeichnet.
DU
ist nicht hoch radioaktiv, aber nach dem Explodieren verwandelt sich ein Teil
in Gas, das leicht inhaliert werden kann.
Das dichte Schrapnell gräbt sich tief ein, und hinterlässt im
Grundwasserspiegel niedrige Radioaktivität
.
Kriegsverbrechen?
Andere
Menschenrechtsgruppen, einschließlich B’tselem, Gisha und der Ärzte
für Menschenrechte klagen die IDF an, bewusst, medizinisches Personal
angegriffen, über ein Dutzend getötet zu
haben einschließlich Sanitätern und Ambulanzfahrern.
Die
Internationale Föderation für Menschenrechte rief den UN-Sicherheitsrat dazu
auf, Israel vor dem Internationalen Gerichtshof wegen möglicher
Kriegsverbrechen zu konsultieren.
Obwohl
Israel die Anklagen wegen Kriegsverbrechen abweist, ist das israelische
Kabinett besorgt und hatte am 25. Januar ein Sondertreffen, um das Problem zu
besprechen, bei dem es darum ging, würde Israel zur Last gelegt, unproportionierte Anwendung von Gewalt
angewendet zu haben. Die Genfer Konventionen fordern Kriegsparteien auf, immer zwischen Kämpfern und Zivilisten zu
unterscheiden und überproportionierte Gewalt zu vermeiden, um militärischen
Gewinn zu suchen.
Nach
den Konventionen ist die Anwendung von unlenkbaren
Raketen nach Israel durch die Hamas auch ein Kriegsverbrechen. ‚Der große
Unterschied bei den Opferzahlen ist ein
Maßstab der Unverhältnismäßigkeit,’ sagt Richard Falk,
der UN-Menschenrechtsbotschafter für die besetzten Gebiete. Im ganzen wurden 14 Israelis während des Kampfes getötet, drei
von ihnen durch Raketen, 11 von ihnen Soldaten, vier von ihnen durch ‚friendly fire’. Etwa 50 Soldaten
wurden verletzt.
Im Vergleich dazu sind 1330 Palästinenser gestorben und 5450 wurden verletzt, der
größte Teil von ihnen Zivilisten.
„Die
Art des Kampfes stellt eine eklatante Verletzung der Gesetze über Kriegsführung
dar. Wir bitten darum, dass sie von der Kommission für Kriegsverbrechen
untersucht wird, sagt eine Koalition von israelischen Menschenrechtsgruppen und
Amnesty International in einem
gemeinsamen Statement. Der Staat Israel hat zweifellos die Verantwortung.
Der
israelische Ministerpräsident Ehud Olmert sagte, dass der Justizminister Daniel
Friedmann die Verteidigung eines jeden
wegen Kriegsverbrechen angeklagten Soldaten oder Kommandeurs koordinieren würde. Auf jeden Fall würden die
USA mit ihrem Veto jede Bemühung durch den UN-Sicherheitsrats
verhindern, der Israelis vor das Internationale Kriegsverbrechertribunal
bringen möchte.
Aber
die Financial Times weist darauf hin, dass alle Länder die Verpflichtung haben,
all jene zu suchen, die schwerwiegende Verletzungen
der Kriegsregeln begangen haben und sie vor Gericht zu bringen, oder einem Land
auszuliefern, das dies macht.
Das
war die Grundlage nach der die britische Polizei den chilenischen Diktator
Augusto Pinochet 1998 verhaftet hat.
‚Wir
befinden uns mit dem Internationalen Recht/Völkerrecht während einer
dramatischen Veränderung,’ sagte der Rechtsberater von Amnesty International
Christopher Hall der Financial Times, die sagt, der israelische Außenminister
prüft bereits das Risiko für Israelis, ins Ausland zu reisen.
‚Es
ist wie bei Rotlicht eine Straße zu überqueren,’ sagt er, ‚das Risiko mag gering sein, aber
man denkt zwei mal nach, bevor man ein Verbrechen begeht oder zu reisen, wenn man eines begangen hat.’
Conn
Hallinan ist
Kolumnist im Focus für Außenpolitik. ??
(dt.
Ellen Rohlfs)