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Die Plage der Finsternis trifft die modernen Israeliten

 

Akiva Eldar, 29.3.2010  Haaretz   http://haaretz.com/hasen/spages/1159849.html

 

Eine der schlimmsten der 10 Plagen hat die Kinder Israels an diesem Passah getroffen. Sie stolpern in pechschwarzer Finsternis herum, stoßen blindlings aufeinander auf ihrem Weg zum Rand des Abgrundes. Warmherzige Freunde, kühle Freunde, eisige Feinde: Jordanien und Türkei, Brasilien und Großbritannien, Deutschland und Australien – es ist alles dasselbe.

Und als ob dies noch nicht genug wäre, der kurzsichtige jüdische Staat ist auch losgegangen und kollidierte mit dem Kopf voraus mit dem Verbündeten, der existentielle Unterstützung anbietet. Israel ist für seine Umwelt zur Gefahr geworden und  zur  eigenen größten Bedrohung. Seit 43 Jahren ist Israel von Leuten beherrscht worden, die sich weigerten, die Realität zu sehen. Sie reden vom „vereinigten Jerusalem“, obwohl sie wissen, dass kein anderes Land die Annexion des östlichen Teiles der Stadt anerkannt hat. Sie schicken 300 000 Leute, um das Land zu besiedeln, obwohl sie wissen, dass es ihnen gar nicht gehört. Schon im September 1967 sagte Theodor Meron, der damalige Rechtsberater des Außenministeriums, dass es nach der Vierten Genfer Konvention ein kategorisches Verbot für zivile Siedlungen in den besetzten Gebieten gab. Meron, der Präsident des Internationalen Strafgerichts für das frühere Jugoslawien wurde, und jetzt ein Mitglied der Berufungskammer für beide Gerichte und ein ähnliches für Ruanda  ist– schrieb in einem äußerst geheimen Memorandum an den Ministerpräsidenten Levi Eschkol: „Ich fürchte, über die ganze Frage der jüdischen Besiedlung in den besetzten Gebieten herrscht heute große Sensibilität in der Welt. Und alle legalen Argumente, die wir  dazu zu finden versuchen, wird  den schweren internationalen Druck, auch nicht von freundlich gesinnten Staaten nehmen.“

Es stimmt, viele Jahre lang gelang es uns, unsern Weg durch die Finsternis durchzutasten und den Druck in Schach zu halten. Wir taten dies mit Hilfe unserer Nachbarn, die mit derselben Kurzsichtigkeit geschlagen sind wie wir.

Am Sonntag jedoch feierte die Arabische Liga den 8. Jahrestag ihres Friedensvorschlages, der Israel für das Ende der Besatzung und für eine Übereinkunft für die Flüchtlingsfrage  nach der UN-Resolution 194 normale Beziehungen anbietet. Aber Israel verhält sich so, als hätte es noch nie etwas von dieser historischen Initiative gehört. Im letzten Jahr war es zu sehr damit beschäftigt, sein zweifelhaftes Recht, in Sheik Jarrah, Ost-Jerusalem, eine illegale Siedlung zu realisieren. Ministerpräsident Benyamin Netanyahu hat der Realität gegenüber den Rücken zugewandt; er versuchte,  die Welt davon zu überzeugen, dass das, was er in Tel Aviv macht, auch in  Sheikh Jarrach machen kann. Er wollte einfach nicht sehen, dass die Welt jetzt  die Nase von uns  voll hat. Es ist einfacher für ihn, sich auf die ähnlich kurzsichtigen Leute von AIPAC zu konzentrieren. Heute Abend werden alle schwören: “Nächstes Jahr im wieder aufgebauten Jerusalem“  - einschließlich von Ramat Shlomo, natürlich.

 

Hillary Clinton ist nicht jüdisch, aber sie war es , die die AIPAC-Juden  erinnern musste, was Demographie ihrer geliebten jüdischen Demokratie antun würde. Ein paar Tage vorher war sie aus Moskau gekommen, wo sie  an einer der so sehr wichtigen Konferenzen des Quartetts teilnahm. Die israelischen Politiker und Medien waren  aber so sehr mit dem kalten Empfang Netanyahus im Weißen Haus beschäftigt, dass sie  keinen Gedanken an die Entscheidung  der USA, der EU, Russlands und der UN verschwendeten, nämlich den Staatsbildungsplan des palästinensischen Ministerpräsidenten Salam Fayyad von einer einseitigen Initiative in ein internationales Projekt zu verwandeln .

Das Quartett erklärte, dass es den Plan, der im August 2008 vorgeschlagen wurde, unterstützt: und zwar einen palästinensischen Staat innerhalb von 24 Monaten zu errichten. Dies war eine Äußerung des palästinensischen ernsthaften Engagements, dass der Staat eine berechtigte und ordnungsgemäße Regierung hat und ein verantwortlicher Nachbar wird. Dies bedeutet, dass Israel weniger als anderthalb Jahre Zeit hat, um mit den Palästinensern ein Abkommen über dauerhafte Grenzen, über Jerusalem und die Flüchtlinge zu erreichen. Wenn die Palästinenser an Fayyads Weg festhalten, kann erwartet werden, dass im August 2011 die internationale Gemeinschaft, die von den USA angeführt wird, die Westbank und Ost-Jerusalem als ein unabhängiges Land anerkannt wird, allerdings besetzt von einer fremden Macht. Wird Netanyahu weiterhin behaupten, dass Jerusalem keine Siedlung ist?

 

Seit 43 Jahren hat die israelische Öffentlichkeit – Schulkinder, Fernsehzuschauer, Knessetmitglieder und die Richter des Obersten Gerichtshofes – in der Finsternis der Besatzung gelebt, die einige „Befreiung“ ( oder gar „Erlösung“ ER)) nennen. Das Schulsystem mit seinen Schulbüchern, die Armee und ihre Landkarten, die Sprache und das „Erbe“ waren alle mobilisiert worden, um alle Israelis  für die Wahrheit blind zu halten. Glücklicherweise sehen die Einheimischen (Palästinenser) klar die Verbindung zwischen der Drohung der iranischen Kontrolle, die sich über den Nahen Osten ausbreitet, und dem Fluch der israelischen Kontrolle über den islamischen Heiligen Stätten.

 

Wenn wir Montagabend  die Passahgeschichten ( 2.Mos.7-11) lesen, sollten wir auf die Plage achten, die der Finsternis folgt. Diese mag unsere Augen öffnen.

 

(dt. Ellen Rohlfs)