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Gepostet von
Jonathan
Cook am 9. Oktober 2015 in
News
& Analysis,
Palestine
|
von
Jonathan Cook
Im Zeitalter der
Foto-Handys wurden wir immer mehr an Fotos und Videos von Palästinensern in
die Westbank gewöhnt, die von Soldaten unter ungerechtfertigten Umständen
erschossen wurden.
Denken Sie an die
18-jährige Hadeel Hashlamon, die im letzten Monat am Checkpoint in Hebron
getötet wurde. Eine Serie Fotos von ihr lassen erkennen, dass sie
nach den Worten von Amnesty International von den Soldaten dort „exekutiert“
wurde. Auf sie wurde mehrmals geschossen und dann hat man sie verbluten
lassen.
Die Armee behauptete, sie
(Hadeel) hätte ein Messer gehabt, das sie (Armee) auf dem Boden in ihrer
Nähe fotografiert hat. Aber, ob sie das Messer nun trug oder ob es dorthin
gelegt wurde, immer noch ist es ein Vorgang, der noch nicht gelöst wurde.
Der wichtigste Punkt ist dies: Als man sie erschossen hat, stellte sie für
niemanden eine Drohung dar, und erst recht keine tödliche.
Nun haben wir ein
beunruhigendes Video einer ähnlichen Schießerei, jedoch dieses Mal nicht in
den Besetzten Gebieten. Diese ereignet sich in Israel, und das Opfer ist ein
israelischer Bürger – ein Mitglied der palästinensischen Minderheit des
Landes, die ein Fünftel von Israels Bevölkerung ausmacht.
Israa Abed, eine
30-jährige Mutter von drei Kindern aus Nazareth, wurde heute an der
Zentralbusstation in Afula, in der Nähe von Nazareth erschossen. Sie wurde
von vielen Soldaten, Polizei und, so wie es scheint, bewaffneten
israelischen Bürgern umringt. Die Soldaten dort sind wahrscheinlich
Passagiere der vielen Busse, die durch Afula fahren.
Die israelischen Medien
berichteten anfangs, sie sei erschossen worden, während sie versuchte, einen
Sicherheitsagenten zu erstechen. Das Video (s.unten) beweist, dass dies
definitiv nicht der Fall war. Sie wird erschossen, nachdem sie einen
längeren Augenblick scheinbar erschrocken an der Busstation stand, was nach
dem Zustand einer um sich greifenden Panik aussah, da immer mehr Gewehre auf
sie zielten.
Wegen der Qualität dieses
Videos ist es fast unmöglich zu erkennen, ob sie ein Messer hält. Aber man
kann sehen, dass sie, wie Hashlaman, keine Bedrohung für irgendeinen der
Soldaten darstellte, als auf sie geschossen wurde. Diese Feststellung wird
durch die Tatsache unterstrichen, dass mehrere Soldaten und Polizisten sich
in den letzten Momenten, bevor sie erschossen wurde, ihr nähern und sich
nicht von ihr entfernen. Sie tut noch mehr als durch dieses Video gehen. Sie
scheint sich umzudrehen, als ein Polizist direkt auf sie zuläuft, als
mehrere Schüsse auf dem Sound-Track zu hören waren.
Zum Glück scheint sie die
Schüsse überlebt zu haben, und es wird berichtet, ihr Zustand sei stabil.
Aber dieses Video ist aus
zwei Gründen verwirrend: Der erste und am offensichtlichsten, diese Frau
wurde angeschossen, als sie keine direkte Gefahr darstellte. Die Person oder
die Menschen, die das Feuer eröffneten, taten dies, ohne mögliche
Rechtfertigung, außer ihren eigenen Ängsten. Man kann nicht anders, als sich
zu wundern, ob die Leichtigkeit, mit der israelische Juden auf Palästinenser
schießen, seien es Mitbürger aus Israel oder Opfer der Besatzung,
lang-dominierende Diskurse in dem israelischen Bildungssystem, in
Medien und Politik widerspiegeln, die „Araber“ entmenschlicht.
Zweitens, die Schüsse scheinen stattgefunden zu haben, nicht, weil die bewaffneten Menschen befürchteten, sie seien in Gefahr, sondern weil die Gruppe sich in kollektive Ekstase wegen des angeblichen Messers trieb. In einer Atmosphäre dieser Art wird irgendjemand den Abzug betätigen, früher oder später.
Dieser ähnelt dem anderen letzten Video, in dem eine
Gruppe religiöser (und unbewaffneter) Juden
Fadi Alloun auf freier Fläche in Jerusalem jagt und dazu aufruft, ihn
zu töten. Als die Sicherheitskräfte auftauchen, beweist das Video, wie sie
das Feuer eröffnen, offenbar auf Anordnung der Menge, ihn zu töten. Wieder
sieht es nicht so aus, als ob Alloun eine
Bedrohung für irgendjemand darstellt, zu der Zeit, wo er erschossen wurde.
Drittens, israelische
Politiker, darunter der Bürgermeister von Jerusalem, Nir Barkat, haben
israelische jüdische Zivilbürger aufgerufen, ihre Waffen ständig bei sich zu
tragen und bereit zu sein, sie zu benutzen. Dieses Video zeigt,
wohin diese Politik wahrscheinlich führt:
Schnelljustiz, ausgeführt durch das unzurechnungsfähigste Glied in der Sicherheitskette.
Viertens, es gibt in Israel einen tiefen besorgniserregenden neuen Trend,
dass jüdische Bürger beginnen, die Siedler in den Besetzten Gebieten
nachzuahmen, in dem Glauben, sie sollten Racheangriffe selbst austragen.
Heute erstach ein jüdischer Mann in Dimona vier Palästinenser, zwei von
ihnen waren israelische Bürger. Dieses Video bietet eine anschauliche
Illustration der Stimmung der Opferrolle, die Israel mitreißt, eine, die die
Israelis schnell am Abzug sein lässt, so dass sie bereit sind, die Rolle des
Racheengels zu spielen.
Es ist schlimm genug, dass die Palästinenser in Israel mit den Sicherheitskräften konfrontiert werden, die sie wie einen Feind behandeln. Aber die Dinge werden viel, viel schlimmer werden. wenn sogar das abträglichste Rechtsprinzip in Israel durch den Lynchmob ersetzt wird.
(Übers. v. Inga Gelsdorf)