Israel Palästina Nahost Konflikt Infos
Von Ira Chernus
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Hier
sind die drei heiligen Gebote für Amerikaner, die die öffentliche
Konversation über Israel prägen.
Die US-Meinungsmacher haben
die drei Gebote jahrzehntelang skrupellos befolgt. Die Folge davon ist, dass sie
ein unauslöschliches Bild von Israel als einer Nation geschaffen haben, die in
großer Unsicherheit lebt. Dieses Image ist ein größerer, wenn auch oft
übersehener Faktor, der Washingtons
Nahostpolitik und besonders
die langjährige amerikanische Zuneigung gegenüber Israel
gestaltete.
Es wird oft gesagt, dass
der Faktor Nummer eins bei dieser Neigung die Macht der
rechten „Pro-Israel“ (Genauer der „Pro-Israel-Regierung“-Lobby) ist.
Diese Lobby ist gewiss eine geschickte, gut geölte Maschine. Sie benützt jeden
Trick im PR-Buch, um den Mythos von Israel als einem tapferen kleinen Staat
aufrecht zu erhalten, der ständig gezwungen wird, um sein Leben
zu kämpfen gegen alle Feinde rund herum, die ihn zerstören wollen - ein
jüdischer David, der dem arabischen Goliath widersteht. Die Lobby rechtfertigt
alles, was Israel den Palästinensern antut – militärische Besatzung,
wirtschaftliche Strangulierung, Erweiterung der Siedlungen, Enteignung des
Landes, Zerstörung von Häusern, Gefangenschaft von Kindern – vielleicht
unglückliche aber absolute Notwendigkeit für Israels Selbstverteidigung.
Egal wie gewieft jede Lobby
ist, sie kann ohne
ein substantielles Level
öffentlicher Unterstützung nicht so
viel Erfolg haben. (Wie mächtig würde die Nationale Waffenvereinigung sein, wenn
nicht Millionen von Amerikanern ihre Waffe so lieben würden?). Zusammen mit den
anderen Quellen der Macht und des
Einflusses benötigt die
rechte Israellobby eine große Mehrheit der US-Öffentlichkeit, dass sie an
die Mythen von Israels Unsicherheit als Gottes reine Wahrheit glaubt.
Ironischerweise erhält
dieser Mythos in der israelischen Presse von Schriftstellern ( um nur eine paar
Beispiele aus letzter Zeit zu nennen) Merav Michaeli und Doron Rosenblum in der
liberalen Zeitung Haaretz eine Menge Kritik und Nachfragen. In den USA wird der
Mythos der Unsicherheit durch die
Linse der Selbstverständlichkeit
gesehen, durch die die Öffentlichkeit alles über den
Israel-Palästina-Konflikt sieht. Wie die Luft, die wir atmen, ist der Blick so
umfassend, dass wir es kaum bemerken.
Wir bemerken auch nicht,
wie reflexiv die meisten Amerikaner
die Behauptung der Selbst-verteidigung als Rechtfertigung für alles akzeptieren,
was Israel tut, egal wie ungeheuerlich es ist. ….
Unsere Politiker, Experten
und Korrespondenten atmen dieselbe Luft in der selben gedankenlosen Art. Und
deshalb zögern sie, Druck auf Israel auszuüben, damit es seinen Weg ändert. Wie
es geschieht, ist es unwahrscheinlich, dass die israelische Regierung die
notwendigen Kompromisse macht, die für einen gerechten und
anhaltenden Frieden in der Region nötig wären. Stattdessen wird Israel
mit seinen Angriffen auf den Gazastreifen fortfahren. Außerdem, falls die
Palästinenser im kommenden September ihren unabhängigen Staat erklären, wie
es nach vielen Berichten geschehen könnte, wird sich Israel frei fühlen,
diesen Staat mit jedem nur
möglichen Mittel zu zermalmen – aber nur dann, wenn Washington
weiter seine Unterstützung gibt und damit einverstanden ist.
Falls amerikanische
Haltungen und ihre Politik sich jemals ändern sollten, sollte es nötig werden,
sich mit dem Mythos von Israels Unsicherheit
näher zu befassen und ihn zu entlarven.
Israel liefert tatsächlich
drei getrennte Mythen über seine Unsicherheit, obwohl seine PR-System sie in
eine einzige zusammenstrickt. Um die Realität dahinter zu begreifen, müssen die
drei Strähnen aus einander genommen
und jede für sich untersucht werden.
Mythos Nr. 1:
Israels Existenz wird von der ständig gegenwärtigen Möglichkeit militärischer
Angriffe bedroht. Tatsächlich besteht aber keine Chance, dass irgend einer von
Israels Nachbarn einen Krieg beginnt, um Israel auszulöschen. Sie kennen ihre
Geschichte. Seit dem Unabhängigkeitskrieg 1948 ist das israelische Militär
besser ausgerüstet, besser trainiert, effektiver und praktisch in jedem Fall
eine erfolgreiche Militärmacht -trotz seiner geringen Größe. Es ist deutlich die
stärkste Militärmacht im Nahen Osten.
Nach dem maßgeblichen
Buchband/ Volume The
Military Balance 2011 hat sich Israel noch immer eine entscheidende
Überlegenheit über jeden seiner Nachbarn bewahrt. Während die israelische
Regierung ständig wegen
eingebildeter iranischer Nuklearwaffen-Bedrohung Alarm schlägt – obwohl seine
Nachrichtendienste jetzt suggerieren, dass der Iran nicht vor 2015 eine
Nuklearwaffe hat -
bleibt Israel in dieser Region die einzige Nuklearmacht in
voraussehbarer Zukunft. Es
besitzt außer etwa 200 Atombomben zusätzlich
eine bedeutsame Anzahl von
1000kg konventioneller Bomben, die gezielt eingesetzt werden können.
Was seine mächtigsten
Waffen betrifft, so kann sich Israel auf seine 100 landgestützten
Raketenabschussrampen, 200 mit
Raketen bestückten Kampfflugzeuge und
( nach wiederholten Presseberichten) mit Raketen bestückten Unterboote
verlassen. Die U-Boote sind natürlich der Schlüssel dafür, dass kein zukünftiger
Schlag gegen Israel jemals ohne
Racherückschlag bleiben wird.
Israel gibt
aus angeblicher Angst für sein Militär weit mehr als jeder seiner
Nachbarn aus.
Vor allem, weil es mehr
militärische Hilfe aus den USA bekommt als jeder andere Nahoststaat – 3
Milliarden im Jahr ist die offizielle Zahl, obwohl wahrscheinlich keiner die
genaue Höhe der Summe kennt.
Die Obama-Regierung hat
eine lange Tradition fortgesetzt, um Israels massive militärische Überlegenheit
in der Region zu garantieren.
Israel will z.B. das erste
ausländische Land sein, das aus den USA die höchst entwickelten Kampfflugzeuge,
die F-35 Jagdbomber
erhält. Der Verteidigungsminister Ehud Barak beklagte sich kürzlich, dass
20 der versprochenen Jagdflugzeuge nicht genug seien, obgleich er zugab, dass
sein Land „keiner bevorstehenden Bedrohung entgegensieht“,
die eine Erhöhung der Anzahl rechtfertigen würde. Israel beginnt auch
seinen „Iron Dome“ einzusetzen, ein mobiles Luftverteidigungssystem, wobei die
US die Hälfte der Kosten übernommen hat.
Zusammengefasst: von keiner
der Nationen, von denen Israel behauptet, sie würden seine reine Existenz
bedrohen, kann eine existentielle
militärische Gefahr ausgehen. Natürlich bedeutet das nicht, dass alle jüdischen
Israelis sicher sind . Das bringt uns zu,
Mythos Nr 2.
die persönliche Sicherheit eines jeden jüdischen Israeli wird täglich
von der Möglichkeit gewalttätiger Angriffe bedroht .Nach israelischen
Regierungsstatistiken sind aber tatsächlich seit Anfang 2009 nur ein
israelischer Zivilist ( und zwei nicht-Israelis) bei politisch motivierten
Angriffen innerhalb der Grünen Linie (Grenze von vor 1967) getötet worden.
Israelis, die innerhalb dieser Grenzlinie leben, gehen ihrem täglichen Leben
tatsächlich ohne diese Beunruhigung
nach.
Der Unsicherheitsmythos
konzentriert sich deshalb auf die
Raketen – die wirklichen, die von Gaza aus abgefeuert werden und die
eingebildeten , die vermutlich von
einem zukünftigen palästinensischen Staat in der Westbank abgeschossen werden
könnten. Lieferanten der Unsicherheitsmythen, einschließlich der amerikanischen
Medien, stellen solche Raketenangriffe so dar, als kämen sie aus dem blauen
Himmel mit keinem anderen Motiv als einem
irrationalen Wunsch unschuldige Juden zu töten und zu verstümmeln. Die
meisten Raketen aus dem Gazastreifen sind
als Re-Aktionen auf israelische Angriffe abgefeuert worden, die oft von
Palästinensern erklärte Feuerpausen gebrochen haben.
Diese Raketen sind Teil
eines andauernden Krieges, in der jede Seite ihre besten Waffen benützt, die sie
hat. Die Palästinenser haben natürlich keinen Zugang zum hoch entwickelten
israelischen Steuerungssystem. Ihre Waffen sind primitiv und sind
handgemacht. Sie schießen ihre Raketen
ziellos ab, die dann irgendwo hinfallen ( was bedeutet, dass die meisten
keinen Schaden anrichten.
Israels Waffen richten weit
mehr Schaden an. Die Operation Cast Lead, der israelische Angriff auf Gaza Ende
2008, tötete mehr Zivilisten als alle Raketen, die von Palästinensern je nach
Israel abgeschossen wurden. Trotz ( oder vielleicht wegen) der schweren Verluste
hat die Hamasregierung in Gaza versucht, das Abschießen von Raketen zu
verringern. Wenn Hamas alle Fraktionen
in Gaza aufruft, die Feuerpause einzuhalten, beschleunigen die Israelis
ihre Angriffe.
Jüdische Zivilisten
nehmen das Risiko in Kauf,
wenn sie in den West Bank Siedlungen leben . Bei dem kürzlich
schrecklichsten Vorfall wurde eine jüdische Familie
in der Itamar-Siedlung ermordet. Als Antwort
zeigte der israelische Vize-Ministerpräsident Moshe Yaalon klar, wie der
Tod einzelner Siedler in den Mythos
von Israels „existentieller Unsicherheit“ verwoben ist. „Dieser Mord erinnert
jeden daran, dass der Kampf und Konflikt nicht um Israels Grenzen oder
um Unabhängigkeit einer unterdrückten Nation geht, sondern ein Kampf um
unsere Existenz ist,“ erklärte er.
Die Logik des Mythos geht
bis in die Anfänge der frühen
Zionisten zurück: alle Einheimischen sind
unerbittliche und ewige Antisemiten. Mit dieser Logik wird jeder Angriff
auf einen Juden, egal wie
willkürlich, zu einem Beweis, dass alle Juden ständig von der Auslöschung
bedroht seien.
Die meisten Zionisten sind
unfähig geworden zu erkennen, dass, nachdem
sie erst einmal einen Staat gründeten, der sich auf regionale
militärische Überlegenheit festlegte, sie sich mit Kriegsakten
auseinander setzen müssen. Es ist weit mehr die Abwesenheit von Frieden als
vorhandener Antisemitismus, der Israelis, die in der Nähe des Gazastreifens und
in der Westbank leben, unsicher macht.
Entsprechend dem Mythos ist
es jedoch nicht nur physische Gewalt, die Israels Existenz bedroht. In den
letzten zwei Jahren haben Israelis von rechten Flügel und ihre Unterstützer in
den USA nachts, wach liegend,
erfahren, über eine andere Bedrohung besorgt zu sein.
Mythos Nr.3:
Israels Existenz ist von
weltweiten Bemühungen bedroht, den jüdischen Staat zu delegitimieren. Anfangs
2010 sagte der militärische Nachrichtenchef Amos Yadlin der Knesset, Israels
Parlament, dass das Land „nicht unter Terror leidet oder einer unmittelbaren
militärischen Bedrohung“ – nur um vor einer neuen Gefahr zu warnen: „Die
palästinensische Behörde ermutigt die internationale Arena, Israels Legitimität
herauszufordern.
Der Delegitimierungs“alarm
wurde zuerst von einem einflussreichen Think-tank verkündet und dann wie ein
Lauffeuer durch die politischen und
Medienränge der Nation verbreitet.
Da stecken Spuren von
Wahrheit drin. Da hat es immer Leute gegeben, die den auf die einheimischen
Palästinenser gesetzten jüdischen Staat, als illegitim ansahen. Bis vor kurzem
jedoch schien es, dass Israelis
diesem wenig Beachtung schenken. Jetzt werden sie für eine „existentielle
Bedrohung“ gehalten, wie Yadlin erklärte, nur weil die alten Behauptungen über
Gewalt unglaublich gewachsen sind, sogar gegenüber dem israelischen Militär
(wenn auch nicht gegenüber den
amerikanischen Unterstützern der Regierung) .
Es stimmt auch, dass
Infragestellungen von Israels Legitimität rasch rund um die Welt wachsen und
dass das Gespenst ein „Pariastaat“ zu werden, eine Gefahr darstellt. Der Chef
dieses Think tanks hatte halb Recht, wenn er
davor warnte, dass Israels „Überleben und Wohlstand“ von seinen
Beziehungen mit der Welt zusammenhängen. …. Ein Pariastaat zu sein, ist nicht
existenzbedrohend, wie Nordkorea und Burma bewiesen haben.
Aber Wohlstand? Wenigstens
das ist möglich. Wenn die Israelis sich über „Delegitimierung“ beklagen,
konzentrieren sie sich vor allem auf
die Boykott/Divestment/ Sanktionen-Bewegung, die nicht
die Auslöschung des Staates Israel zum Ziel hat, aber wirtschaftlichen
Druck, um Israels Besatzung und
deren wirtschaftliche Strangulierung palästinensischen Landes zu beenden. (Es
gibt auch keinen wirklichen Beweis, der die Anklage bestätigt, dass dies eine
große Verschwörung sei, die mit der palästinensischen Behörde abgesprochen
sei.).
Würde Israel damit
beginnen, sich nach internationalen Normen zu richten, würde die BDS-Bewegung
schnell von der Bühne verschwinden und die Krise der „Delegitimierung“ beenden -
und der Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen würde
aufhören. Aber die Realität dieses Momentes ist: die einzig echte
Bedrohung für Israels Sicherheit ist die Folge seiner unterdrückerischen
Politik, die der BDS-Bewegung den
Kraftstoff gibt.
Doch sind die „Auswirkungen
auf die israelische Wirtschaft
marginal“, - nach einer populären
israelischen Zeitung. Sie berichtet, dass die BDS-Kampagne viel mehr Schaden
anrichtet, indem es das negative Image Israels verbreitet“. Eine wachsende
Anzahl von ausländischen Regierungen kritisieren Israel und einige erkennen
tatsächlich schon den Palästinensischen Staat an. In diplomatischer
Sprache: Israels Legitimität beruht auf dem guten Willen seiner einzigen
zuverlässigem Verbündeten, den USA.
Mehr als jeden
militärischen Bedarf bietet der mächtige Einfluss der USA an, in dem sie in
Richtung einer Entscheidung in der israelisch-palästinensischen Krise
hinsteuert. Der dreifache Mythos von Israels Unsicherheit
jedoch macht solchen Einfluss Washingtons
praktisch unmöglich. Israels
Präsident nannte im März 2010 den Bedarf seines Landes
ehrlich: „Israel muss gute
Beziehungen mit anderen Ländern
aufbauen, ganz besonders mit den USA, um die politische Unterstützung in Zeiten
der Not zu garantieren.“ Die USA haben weiterhin ihre starke Unterstützung
angeboten, obwohl Präsident Obama weiß – wie er kürzlich amerikanischen
jüdischen Führern sagte, dass „Israel hier die stärkere Partei sei, militärisch,
kulturell und politisch. Und Israel muss den Kontext für Frieden schaffen.“
Aber was, wenn die amerikanische Öffentlichkeit die Fakten kannte, die Obama zugegeben hat? Was wenn jede feierliche Referenz gegenüber Israels „Sicherheitsbedarf“ nicht mit Kopfnicken begrüßt wurde, sondern mit der verdienten Skepsis rollender Augen ? Was wenn Israels endlose Exzesse und Entschuldigungen - seine Behauptungen, dass die Besatzung der Westbank und die Strangulierung von Gaza für seine Sicherheit nötig seien - regelmäßig von den meisten Amerikanern verspottet wurden?
Man kann sich kaum Obamas
oder irgend eine amerikanische
Regierung vorstellen , die eine pro-Israel- Haltung angesichts solch
öffentlicher Verachtung auf Dauer behält.
Ira Chernus ist Professor für
religiöse Studien an der Universität von Colerado at Boulder
(dt. Ellen Rohlfs und
geringfügig gekürzt)