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B’tselem :  50 Jahre Besatzung

5. Juni 2017

 btselem.org

Liebe Ellen, der Meilenstein von einem halben Jahrhundert ist angekommen, heute markieren wir 50 Jahre, seit die Besatzung begann. In vieler Weise ist es ein ganz normaler Tag, es gibt keinen Unterschied zu anderen Tagen. Doch der symbolische Wert dieses besonderen Tages verpflichtet uns, anzuhalten  und einen harten  Blick auf die Realität zu nehmen .

Es ist eine Realität, in der eine dritte und vierte Generation von Palästinensern heranwächst, die nicht weiß, was es heißt, frei zu leben und eine dritte und vierte Generation von Israelis, die nicht wissen, was es bedeutet, kein Besatzer zu sein . Es ist eine Realität, in der Israel  13 Millionen  Menschen  im Land zwischen  dem Mittelmeer und dem Jordan kontrolliert, aber nur 8 Millionen von ihnen  zählen oder können die Zukunft hier entscheiden. Es ist eine Realität, die. egal wie man den Kopf wendet, bedeutet, dass  Israel  keine Demokratie genannt werden kann.

Wie hat  die Besatzung es gemanagt, diese  50-Jahr-Marke zu erreichen?

Vielleicht weil wir es schaffen, uns selbst zu überzeugen, dass alles vorübergehend  ist. Es ist nur eine andre Runde  des Kampfes, nur eine neue  Wahlkampagne, nur bis es  einen palästinensischen Partner gibt, und  außerdem  das Unterzeichnen eines End-Status-Abkommen ist  nur um die Ecke herum, also  sehr bald.  Aber Israels Regierungen  haben  die Besatzung nie als vorübergehend angesehen. Jahrelang  hat Israel so gehandelt, als ob das Land – ohne Palästinenser  - für immer unseres wäre und da wäre, es zu gebrauchen, wie es uns gefällt.

Vielleicht ist es deshalb, weil uns als israelische Bürger die Besatzung nie wirklich  in unserem täglichen Leben  berührt hat. Wir schufen ein Gesetz-, ein Ermächtigungssystem, das absicherte, dass keiner der für die anhaltende Besatzung  Verantwortlichen und ihrer begleitenden Menschenrechtsverletzungen dafür verantwortlich  gemacht wurde. Wir haben es auch geschafft, das Gesetz zu  verändern, so dass wir fast nie einem Palästinenser für einen Schaden bezahlen müssen, den wir angerichtet haben. So können wir auch glauben, dass wir völlig im Recht sind; wir bekommen einen rechtlichen  Stempel der Bewilligung, meistens vom Obersten Gericht, und ein grünes Licht für alles, das unter der Besatzung geschieht: der Landdiebstahl, die Straßensperren, die Hauszerstörungen, eine zehnjährige Blockade des Gazastreifens – um nur ein paar zu nennen.

Vielleicht ist es auch deshalb, weil niemand im Weg der  fortgesetzten, weit verbreiteten internationalen Unterstützung für Israel steht. Dieser internationale Kontext spielt auch eine Rolle, da wir nicht für die Kosten der Besatzung aufkommen müssen.  Die Tatsache, dass wir keinen Preis dafür zahlen müssen, ist die Basis, auf der die letzten 50 Jahre beruhen.

Die Besatzung muss enden. Diese Realität – in der wir  Millionen  von Menschen  kontrollieren, deren Leben auf unsern Wünschen und Bedürfnissen beruht  . ist  nicht gerechtfertigt und unakzeptabel,  nicht einmal, wenn wir Sicherheits-Ansichten zitieren, die jetzt nur hohl klingen. Eine Fortsetzung  der Situation, die fälschlicherweise  „Status Quo“ genannt wird, garantiert eines, und zwar  nur eines, wer auf diesem Stück Land  zwischen  dem Jordan und dem Mittelmeer lebt: eine  fortgesetzte abwärtsgehende  Spirale in eine von Natur aus gewalttätige, ungerechte und  hoffnungslose Realität.

Die Menschenrechte sind  nicht irgendein obskurer Rechtsterminus:  der Kampf, sie aufrecht zu erhalten, muss  in der Realität wurzeln. Die gegenwärtige Realität vom  Juni 2017 ist  nicht dieselbe wie  vor ein oder zwei Generationen oder vor 50 Jahren. Wir von B’tselem haben deshalb unsere Einstellung verändert.  Die Veränderungen, die wir gemacht haben, sind nicht die Folge von Verzweiflung, sondern eher ein Ausdruck von Hoffnung , die sich auf ein sachliches und realistisches  Verstehen der Situation beruht. Unserer Ansicht nach indem  die Wahrheit  mit internationaler  Aktion verbunden ist, die lokal ihren Nachhall findet, kann der gegenwärtigen  Realität eine gewaltfreie Resolution bringen: dies ist das Ziel, dem gegenüber wir engagiert sind und auf das wir hinarbeiten.  Andrerseits  kann die Gewalt der letzten 50 Jahre -  organisiert oder  spontan – nur eine Vorschau von etwas sein, das viel stärker auf uns zu kommt.

Die Bemühung, hier eine andere Zukunft  zu erreichen, ist nicht nur eine bedrückende  moralische  Aufgabe – das Leben hängt davon ab. Indem wir zusammenarbeiten, vertrauen wir darauf, dass wir die Realisierung einer anderen Zukunft sehen, die sich auf Freiheit, Gleichheit und Menschenrechte gründet.

Mit freundlichen Grüßen

Das B’tselem-Team.

(dt. E. Rohlfs)