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Ramzi Baroud, 22.Juni 12. Counterpunch
Am 14. Juni gedachten 50 internationale Organisationen an den fünften Jahrestag der israelischen Belagerung des Gazastreifens und riefen Israel dazu auf, die Belagerung dieses kleinen verarmten Landstreifens aufzugeben.
„Seit über fünf Jahren stehen mehr als 1,6 Millionen Menschen unter Blockade und zwar unter Verletzung der internationalen Menschenrechte. Mehr als die Hälfte davon sind Kinder.
Wir, die UnterzeichnerInnen, sagen mit einer Stimme: „Beendet die Blockade – JETZT!“
Zu den Unterzeichnern gehören so angesehene Organisationen wie „Save the Children“, Oxfam, die Weltgesundheitsbehörde, Amnesty International und Médecins du Monde.
Der Wortlaut des Statements spiegelt eine Fülle von Appellen aus der letzten Zeit wieder. Der einzige bemerkenswerte Unterschied ist, dass während der Belagerung die Bevölkerung des Gazastreifens von1,5 auf 1,6 Millionen gewachsen ist.
Das Statement folgte einem strengen Tadel der Belagerung durch die UN-Generalsekretärin für humanitäre Angelegenheiten, Valerie Amos. Amos beschrieb die Blockade als eine kollektive Bestrafung all jener, die in Gaza leben, und … als Verweigerung der wesentlichen Menschenrechte, völlig im Widerspruch zum Völkerrecht.“ Sie fordert, dass die „Blockade sofort aufgehoben wird, so dass wesentliche Dienste und die Infrastruktur aufrecht erhalten bleiben.“
Die Verurteilung israelischer Menschenrechtsverletzungen in Palästina durch führende Menschenrechtsorganisationen ist nichts Neues. Leider folgen solchen Aufrufen selten irgendwelche politische Kampagnen. Die westlichen Regierungen sind zwar betroffen von dem anhaltenden Drama dort. Historisch haben sie eine selektive Politik der Empörung geführt, wo immer Menschenrechte verletzt wurden. Doch in vielen Fällen haben die westlichen Mächte dabei eine aktive Rolle gespielt und Israel weiter erlaubt, die Palästinenser zu unterwerfen.
Der Aufruf der Menschenrechtsorganisationen würde bedeutungsvoller sein, wenn er sich direkt an die westlichen Mächte richten würde, die Israels Aktionen unterstützen. Indem man die Idee liefert, dass die Belagerung des Gazastreifens ganz und gar eine interne israelische Initiative ist, ist eine List, die aufgedeckt werden muss. Ähnlich täuschend ist eine Diskussion über den tödlichen israelischen Krieg auf den Gazastreifen (Cast Lead 2008/09) ohne den entsprechenden Bezug auf die strenge politische und militärische Unterstützung der USA und anderer westlichen Mächte. Ohne solche Unterstützung hätte Israel nie so kostspielige Kriegsabenteuer durchführen oder seine sog. Trennungsmauer oder die illegalen Siedlungen bauen können.
Die Palästinenser werden allein von der Tatsache frustriert, dass während jede politisch verursachte humanitäre Krise in der Region als solche auch klassifiziert wird, beschränkt man sich bei der Gazabelagerung auf eine Diskussion, ob Lebensmittel in den Streifen gelassen werden sollen oder nicht. Palästinenser sind kein kollektives Experiment, trotz israelischer Behauptung des Gegenteils. Dies ist tatsächlich eine politische Angelegenheit, wie es vom israelischen Politiker Dov Weissglas, einem früheren engen Mitarbeiter von Ministerpräsident Sharon ausgesprochen wurde. „ Die Idee ist, die Palästinenser auf Diät zu setzen, sie aber nicht Hungers sterben zu lassen.“ verkündigte er einmal. Diese kollektive Diät war ein Teil einer weitreichenden Politik, die mit Disengagement/Abzug aus dem Gazastreifen bezeichnet wurde. „ Dieser Abzug ist tatsächlich Formaldehyd. Er liefert die Menge Formaldehyd , die nötig ist, damit es keinen politischen Prozess mit den Palästinensern gibt.
Die oben zitierten Statements wurden in der israelischen Tageszeitung Haaretz (10.August 2004) gebracht. Sie machen deutlich, das die Pläne, Gaza unter Belagerung zu setzen, Jahre vor Hamas’ Sieg bei den palästinensischen Legislativratswahlen und den folgenden gewalttätigen Zusammenstößen mit dem Rivalen der Fatah geplant war. Es war auch lange vor der Gefangenschaft des israelischen Soldaten Gilad Shalit..
Doch keine offizielle israelische Verteidigung der Belagerung ist jemals ohne Bezug auf die Hamas und ihre Kontrolle über den Gazastreifen veröffentlicht worden. Mark Regev, Sprecher des MP Netanjahu, behauptet: Alles, was nach Gaza geliefert wird, muss genau kontrolliert werden, weil der Gazastreifen von der Hamas, einer international anerkannten Terrororganisation kontrolliert wird.
Um Kontroversen zu vermeiden, kritisieren internationale Organisationen die israelische Belagerung von Gaza, als ob sie ein apolitisches Ereignis wäre. Die israelische Antwort ist dieselbe zweckmäßige und überflüssige – sie stellt den Terrorismus der Hamas Israels angeblicher Demokratie gegenüber. Sprecher des US-Außenministeriums unterstützen die israelischen Behauptungen – und beendet hier die Diskussion.
Eine traurige Ironie ist , dass an dem Tag, an dem international die Belagerung des Gazastreifens verurteilt wurde, US-Präsident Barak Obama Shimon Peres die Präsidenten –Medaille für Freiheit bekam. Von Obama wurde sein „unbeugsamer Geist“ gepriesen. Peres hatte die illegale israelische Besatzung, die Massaker und die schlechte Behandlung der Palästinenser vorausgesehen und zwar auf den verschiedenen Posten der israelischen Regierungen, einschließlich als Ministerpräsident und Präsident.
Das wirkliche Risiko ist, dass die Gazabelagerung Teil eines weitreichenderen Status Quo wird, der von Israel und seinen Wohltätern auferlegt und verteidigt wird. Vergessen ist auch die Tatsache, dass vor der Belagerung Gaza zusammen mit der besetzten Westbank und dem illegal annektierten Ostjerusalem ein von Israel besetztes Gebiet war. Deshalb macht es wenig Sinn, dass der Ökonom seinen Artikel überschreibt: „Der Gazastreifen: wird Normalität zurückkehren?“ (16. Juni)
Statt die illegale israelische Belagerung als Punkt der Abweichung für dieses Argument zu diskutieren, versucht das Magazin ein Schlaglicht auf die Fähigkeiten der Hamas zu werfen und auf ihren relativen Erfolg des Widertandes: „fünf Jahre einer Strafblockade, Bombardement und Krieg.“ Noch einmal: die Palästinenser sind an ein kollektives Kriegs- und Belagerungsexperiment gewöhnt. „Doch Hamas hat ihr lokales Empire aufgebaut, ist nun aber unsicher, wie es weitergehen soll,“ behauptet der Artikel.
Solch eine Berichterstattung ist typisch, da der israelische Krieg und die Belagerung in den Mainstream-Medien als eine Tatsache des Lebens hingestellt wird, die es nicht verdient, verurteilt oder zensiert zu werden. Falls eine Analyse relevant wäre, dann konzentriert sie sich auf Gazas „terroristische“ Fähigkeit, den Druck zu umgehen und ihr eigenes „lokales Empire“ aufrecht zu erhalten.
Nach fünf Jahren Gazabelagerung ist es Israel nicht gelungen, den Willen der Palästinenser zu brechen oder politische Konzessionen im Austausch für Lebensmittel oder lebensrettende Medizin zu erhalten. Aber es gelang ihm, die Heftigkeit seiner Kriege und die anhaltende Belagerung der Palästinenser zu steigern/ zu verstärken – irgendwie solch gewalttätige und unmenschliche Realitäten zu normalisieren, die vorsichtig von einigen kritisiert wird und voll und ganz akzeptiert oder von anderen (sogar) verteidigt wird.
Ramzi Baroud ist Herausgeber von Palestine Chronicle.com er ist der Autor von „Mein Vater der Freiheitskämpfer – Gazas nicht erzählte Geschichte.“ (dt. Ellen Rohlfs)