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Israel erfüllt den expansionistischen Traum der Siedler

 

Zvi Bar’el, Haaretz, 20.7. 11

 

In kurzer Zeit, kürzer, als sie träumten, werden sie in der Lage sein, in die Heimat zurückzukehren. Mit andern Worten zu dem Ort, wo sie sich schließlich zu Hause fühlen können. Es wird ein Land nach ihrer Vorstellung sein. Ein Land, in dem die Halacha (religiöses Gesetz) das Gesetz ist, die Rabbiner die Richter und die Polizei ihre Diener. Ein echter jüdischer Staat. Sie müssen sich nicht länger als Erlöser des Landes verstellen, als Erneuerer des zionistischen Unternehmens oder  als Wächter seiner Grenzen. Sie werden die Eroberung Israels vollständig machen.

 

Wir sollten deshalb unsern Hut abnehmen vor dieser exilierten Minderheit, die auf felsigen Hügeln wohnt und in subventionierten Wohnungen – die es von ihrem Ort des Exils fertig brachten, ihr Mutterland nach ihrem Willen zu beugen, sein Bild zu gestalten, seine Gesetze, sein Budget und seine Außenpolitik zu bestimmen und seine Bürger mit dem Stacheldraht-zaun des Faschismus einzuzäunen.

 

Wie in Syrien kommt Israel  schnell in eine Situation, in der die Minderheit die Mehrheit kontrolliert, die aufgefordert wird, nach der Flöte einer herrschsüchtigen und mächtigen Gruppe zu tanzen. Eine Gruppe, deren Mitglieder ihre illusionären Werte wie Äxte schwingen. Eine Gruppe, die ein ganzes Land in ein Bild eines Idols meißelt, dem sie als Priester dienen. In welch anderem Land kann eine Minderheit von 5% den Lebensstil von 7 Millionen Bürgern bestimmen?

 

Die Meilensteine, die zur Errichtung ihres Staates führten, sind über die 44 Jahre ihrer Täuschung verteilt. Einige von ihnen stehen verkümmert und  schief wie interessante  Spuren für politische Archäologen, andere sind frisch und glänzend wie das Boykott-Gesetz, das Nakba-Gesetz, die Anerkennung des Ariel-Kollegs als Universität, das Loyalitätsgesetz, das Zulassungskomitee-Gesetz, das auch bald zur Gewohnheit und zu einem way of life wird, als ob es vorher kein anderes Leben gegeben hätte. Demokratie wird dann zu einem „Phantom-schmerz“ werden.

 

Das „Siedlungsunternehmen“ wusste, wie man sich tarnt. Nur ein paar  Stunden Gebet mehr in der Höhle der Patriarchen, baten die Siedler; lasst uns nur die Stätte der Abraham-Avninu-Synagoge in Hebron reinigen;  nur eine kleine und intime Wohngegend in Kiryat Arba; nur ein geringes Wachsen der Bevölkerung  in der Nachbarschaft; nur einen Außenposten und eine Zugangsstraße. Und als ob dies eine militärische Ablenkungsübung sei, nahm der „Feind“ – die israelische Regierung, die Mitte-links Knessetmitglieder, verschiedene Friedensgruppen -  diesen verdeckten Plan als bare Münze.

Angeblich sieht es so aus, als ob die Siedler nur „eines“ wünschten, ihre Anzahl zu vermehren und das für sie bestimmte Gebiet zu vergrößern. Es gelingt ihnen, ihre Opponenten zu überzeugen, in Wirklichkeit sie in der Überzeugung zu fangen, dass der Streit belanglos sei. Denn so lange die Hauptsache das Bauen ist, nimmt keiner Notiz von der wirklich geplanten Eroberung: der Eroberung des Staates Israel.

Jetzt sind sie der Meinung, die Tarnung sei nicht mehr nötig. Ein Haus mehr oder weniger in Eli, Yovel oder Ofra ist unwichtig. Sie werden auf jeden Fall gebaut. Jetzt muss die (israelische) Diaspora in die Heimat verwandelt werden. Sie muss von den Arroganten, die noch immer drin sind, erobert werden.

 

Wir können uns die Antwort vieler Israelis vorstellen – ob es nun  die amerikanisch jüdische Diaspora ist, die der israelischen Regierung zu sagen versucht, wie sie sich verhalten soll, welche Politik sie verfolgen und welche liberalen Werte sie annehmen soll. Aber amerikanische Juden wagen nicht zu intervenieren. Sie fühlen sich angesichts der Helden beschämt, die das einzige jüdische Refugium in der Welt verteidigen. Sie verschließen ihre Ohren, selbst wenn sie begreifen, dass sie dieses Refugium nicht wirklich nützen können. Die Werte dieses Staates sind nicht mehr die Werte desselben Judentums. Der Traum der Siedler ist nicht länger mehr ihr Traum. Die amerikanische Diaspora macht Platz für eine andere Diaspora, die militaristische, tyrannische – für diejenigen, die aus der Entfernung von wenigen Kilometern, aber aus der Tiefe des Abgrunds die neuen Werte des Staates Israel diktieren.

 

Es sind die Werte, die aus den (besetzten) Gebieten nach Israel importiert werden und  die den Schutz des Gesetzes erlangen. Denn in den Siedlungen waren keine Gesetze nötig, um arabische Siedler auszuschließen, obwohl das Land Staatsland ist; in den Siedlungen war kein Nakba-Gesetz nötig – es wurde durch physische Stärke aufgezwungen. Das Loyalitätsgesetz ist nicht relevant, da es die Bürger Israels sind, die  die Treue gegenüber den Siedlungen schwören müssen und nicht umgekehrt. Auch das Boykottgesetz ist hier nicht nötig, das die Vormachtstellung der Interessen der Siedlungen über jene des Mutterlandes etabliert.

 

Israel erfüllt nun den wahren Traum der Siedlungen. Israel wird ihnen als ein Massada dienen und wenn nötig, darin übereinstimmen, um seinetwillen Selbstmord zu begehen.

 

(dt. Ellen Rohlfs)