Israel Palästina Nahost Konflikt Infos
Uri Avnery
3. Mai 2014
WIE WÜRDEN die
US auf eine palästinensische Erklärung
reagieren, wenn die Palästinenser keine Verhandlungen mit einer
israelischen Regierung führen würden die faschistoide Parteien einschließt?
Mit grosser
Wut, natürlich.
Wie
reagieren die US auf eine israelische Erklärung, wenn Israel nicht mit
einer palästinensischen Regierung verhandeln würde, die die Hamas einschließt?
Mit vollem
Einverständnis, natürlich.
FÜR JEDEN, der
am israelisch-palästinensischen Frieden interessiert ist, ist die Aussicht auf
eine palästinensische Versöhnung eine gute Nachricht.
Seit Jahren
haben wir israelische Sprecher verkündigen gehört, dass es keinen Sinn habe, mit
dem halben palästinensischen Volk Frieden zu schließen und mit der andern Hälfte
weiter Krieg zu führen. Mahmoud Abbas ist ein „ gerupftes Huhn“, wie
Ariel Sharon einmal taktvoll sagte.
Es ist die Hamas, mit der man rechnet. Und Hamas plant einen zweiten Holocaust.
Nach dem
kürzlich geschlossenen palästinensischen Versöhnungsabkommen, hat sich die Hamas
jetzt verpflichtet, eine gesamt-palästinensische Regierung von Experten zu
unterstützen, mit denen beide Seiten einverstanden sind. Die
israelische extrem-rechte
Regierung ist fuchsteufelswild. Sie
will nie und nimmermehr mit einer palästinensischen Regierung
verhandeln, die von der Hamas unterstützt wird.
Die Hamas muss
erst Israel anerkennen, alle terroristischen Aktivitäten beenden und sich
verpflichten, alle vorausgegangenen von der PLO unterzeichneten Abkommen
respektieren.
Das ist OK,
erklärt Abbas. Die nächste Regierung wird von mir ernannt, und
sie wird alle drei
Bedingungen erfüllen.
Das genügt
nicht, erklärt Netanjahus Sprecher.
Die Hamas selbst muss die drei Bedingungen
annehmen, bevor wir mit einer Regierung verhandeln, die von der Hamas
unterstützt wird.
Abbas könnte
freundlich antworten. Bevor er mit der Netanjahu-Regierung verhandelt, könnte er
sagen, müssten alle Fraktionen in der israelischen Regierung ihre Unterstützung
für die Zwei-Staaten-Lösung erklären, wie Netanjahu
es getan hat (nur einmal, bei seiner sog. Bar-Ilan-Rede.) Wenigstens zwei
Parteien, Naftali Bennetts „Jüdisches Heim“-Partei und Avigdor Liebermans
„Israel unser Heim“-Partei, als auch ein großer Teil des Likud weigert
sich, dies zu tun.
Man kann sich
eine Zeremonie in der Knesset vorstellen, bei der jeder Kabinettminister
aufstehen und erklären würde: „
Hiermit erkläre ich feierlich, dass ich
voll und ganz die Schaffung des Staates Palästina
neben dem Staat Israel unterstütze!“ Vorher wird der Messias kommen.
Natürlich ist
das unwesentlich. Der Standpunkt der
einzelnen Parteien oder Minister ist unbedeutend. Es ist die Politik der
Regierung, die zählt. Falls die nächste palästinensische Regierung Israel
anerkennt, auf Gewalt verzichtet und alle
früheren Abkommen respektiert,
sollte dies genug sein.
WARUM IST das
palästinensische Versöhnungsabkommen
für den Frieden eine gute Nachricht?
Erstens weil
man mit einer ganzen Nation Frieden macht, nicht mit einer Hälfte von ihr.
Frieden mit der PLO ohne Hamas würde von Anfang an ein Nicht-Starter sein. Die
Hamas könnte jeden Moment
mit Gewaltaktionen (alias Terrorismus). sabotieren
Zweitens, weil
beim Anschluss an die PLO und schließlich an die palästinensische Regierung
die Hamas die Politik der PLO akzeptiert, die schon seit langem den Staat
Israel und die Teilung des
historischen Palästina anerkannte.
Man
sollte sich daran erinnern, dass vor dem Oslo-Abkommen die PLO selbst offiziell
von Israel (und den USA) als terroristische Organisation bezeichnet wurde. Zur
Zeit der Unterzeichnung auf dem Rasen vor dem Weißen Haus, war die palästinensische
Charta noch in Kraft.
Sie rief noch zur Zerstörung des
illegalen Staates von Israel auf und zur Vertreibung praktisch all seiner Bürger
in ihre Ursprungsländer.
Viele Jahre
lang wurde diese Charta von israelischen Politikern und Akademikern als ein
unüberwindbares Hindernis zum Frieden bezichtigt.
Erst nachdem
das Oslo-Abkommen in Kraft trat, veränderte der PLO-Nationalrat diese Charta bei
einer festlichen Zeremonie, bei der Präsident Bill Clinton dabei war.
Die Hamas hat
eine ähnliche Charta. Auch sie wird gestrichen, sobald die Hamas sich dem
politischen System anschließt.
Es ist
historische Ironie, dass Israel in der Vergangenheit die Hamas gegen die
PLO heimlich unterstützte. Während alle palästinensischen politischen
Aktivitäten( auch für den Frieden) in
den besetzten Gebieten streng verboten waren und bestraft wurden,
waren Hamas‘ Aktivitäten in den Moscheen erlaubt.
Ich fragte
einen früheren Shin-Bet-Chef, ob er die Hamas geschaffen habe. Seine Antwort
war: „Wir haben sie nicht geschaffen, wir haben sie geduldet.“
Der Grund war,
dass in jener Zeit Arafats PLO als d e r
Feind angesehen wurde. Arafat selbst wurde unaufhörlich als der „zweite
Hitler“ dämonisiert. Jeder, der gegen Arafat kämpfte, wurde als Verbündeter
betrachtet. Diese Haltung setzte sich ein Jahr bis nach dem Ausbruch der1.
Intifada fort, bis dem Shin Bet klar wurde, dass die Hamas viel gefährlicher war
als die PLO und ihre Führer verhaftete (und später umbrachte).
Im Augenblick
herrscht ein unerklärter Zustand der Waffenruhe (Tahdiyah
oder Ruhe) zwischen Israel und der Hamas. Klar ist, dass die Hamas
entschieden hat, dass seine Ambitionen als eine der zwei großen
palästinensischen politischen Parteien
wichtiger sind, als der
gewaltsame Kampf gegen Israel. Ihr Hauptziel ist es, im zukünftigen
palästinensischen Staat in der Westbank und im Gazastreifen
Macht zu erhalten. Wie so viele frühere Befreiungsorganisationen rund um
die Welt, einschließlich Begins Likud, ist sie dabei, sich aus einer
Terrororganisation in eine politische Partei zu verwandeln.
WIE
VORHERGESEHEN werden konnte,
folgten die US dem Beispiel und akzeptierten die israelische Linie.
Sie hatte die palästinensische Behörde mit etwas
bedroht, das einer Kriegserklärung gleicht, falls das Versöhnungsabkommen
ausgeführt wird.
Die
amerikanische Friedensinitiative
brach zusammen. Die volle Wahrheit kann und muss jetzt gesagt werden.
Sie war zum
Scheitern verurteilt, bevor sie startete. Sie hatte nicht die kleinste Chance,
Erfolg zu haben.
Bevor die
Tatsachen unter einer
Propaganda-Lawine beerdigt werden, muss man klar feststellen, wie es endet:
nicht weil Abbas sich internationalen Körperschaften angeschlossen hat,
nicht wegen der palästinensischen Versöhnung, sondern wegen der Weigerung
Netanjahus, seine eindeutige Verpflichtung zu
erfüllen: bestimmte
palästinensische Gefangene zu einem bestimmten Zeitpunkt zu entlassen.
Die Entlassung
der Gefangenen ist ein äußerst
sensibler Punkt für die Palästinenser.
Es handelt sich um menschliche Wesen und ihre Familien. Diese besonderen
Gefangenen, einige von ihnen israelische Bürger, sind seit mindesten 21 Jahren
im Gefängnis. Netanjahu hatte nicht die Charakterstärke, sein Versprechen zu
erfüllen und einer wilden
Hetzkampagne gegenüber zu
stehen, die von der extremen Rechte ausgeht.
Er zog es vor,
die „Verhandlungen“ zu beenden.
JOHN KERRYs
Vorstellung kann
nur als verächtlich
bezeichnet werden.
Es begann mit
der Ernennung von Martin Indyk zum
Manager der Verhandlungen. Indyk war in der Vergangenheit ein Mitarbeiter von
AIPAC, der Hauptlobby der israelischen Rechten. AIPACs Hauptaufgabe ist es, den
amerikanischen Kongress zu terrorisieren. Die Senatoren und Abgeordneten zittern
allein schon bei der Ansicht ihrer
Agenten.
Solch eine
Person als unparteiischen Vermittler zwischen Israel und den Palästinensern
aufzustellen, war eine glatte Chuzpah. Dies sagte den Palästinensern schon von
Anfang an, was man vorhatte.
Der zweite Akt
der Chuzpah war, die Gespräche zu führen, ohne dass Netanjahu eine Liste von
Konzessionen bereitstellte, die er zu machen bereit wäre. Die ganze israelische
Seite weigerte sich, eine Landkarte
mit vorgeschlagenen Grenzen vorzulegen, nachdem sogar die palästinensische Seite
ihre eigene Landkarte produziert
hatte.
Diese Charade
ging so neun Monate lang, während der man keinen Zoll weiterkam. Die Parteien
trafen sich und sprachen, sprachen mit einander und trafen sich. Außer
Netanjahus lächerlicher Forderung, dass die Palästinenser Israel als den „
National-Staat des jüdischen Volkes anerkennen“
lag weiternichts auf dem Tisch.
Zipi Livni,
eine unfähige Politikerin, die sich
im Rampenlicht der glamourösen, internationalen Bühne sonnte, hätte am liebsten
überhaupt nie aufgehört.
Die
palästinensische Seite war auch daran interessiert, so weiter zu machen, selbst
ohne Zweck, um die Zeit ohne
interne Explosion vorübergehen zu lassen.
Die ganze
Sache drehte sich rund um eine einfache Frage: war Präsident Obama
bereit, sich dem Angriff der vereinten
Kräfte von AIPAC, dem Senat, dem Unterhaus, den Republikanern, den
Evangelikalen, dem rechten jüdischen Establishment und der israelischen
Propagandamaschine entgegen zu stellen?
Wenn nicht,
dann hätte Kerry gar nicht erst
anfangen sollen.
IN DIESER
WOCHE erklärte Kerry bei einem privaten Treffen das
Offensichtliche: wenn Israel mit seiner jetzigen Politik weitermacht,
wird es ein Apartheidstaat.
Nichts
Revolutionäres liegt darin. Der frühere Präsident Jimmy Carter benützte den
Terminus als Titel seines Buches. In Israel
sagen dies unabhängige und linke Kommentatoren jeden Tag. Aber in
Washington DC brach die Hölle los.
Der
unglückliche Kerry eilt, um sich zu entschuldigen. Um Gottes willen, er hätte es
nicht so gemeint! Der Außenminister der mächtigen USA bat das kleine Israel um
Vergebung.
So wurde der
Schlussakkord so schändlich wie das ganze Musikstück.
Aus dem
Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser.autorisiert