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Die Araber taten es
Uri Avnery
3. Dezember 2016
ALS
MEINE Eltern in Deutschland
kurz bevor der 1. Weltkrieg ausbrach, heirateten,
war unter den Geschenken ein Dokument, das
bescheinigt, dass auf ihren Namen ein Baum in Palästina angepflanzt
worden wäre.
Mein
Vater war ein früher Zionist. Ein
volkstümlicher jüdischer Witz in Deutschland sagte damals: „Ein Zionist ist ein
Jude, der Geld von einem anderen Juden zu nehmen wünscht, um einen dritten Juden
in Palästina anzusiedeln.“Mein Vater plante
zu dieser Zeit gewiss nicht, selbst nach Palästina zu gehen.
Palästina war in jener Zeit ein Land ohne dekorative
Bäume. Die arabischen Bewohner
kultivierten Olivenbäume, mit deren Hilfe sie ein karges Leben
führten. Zu jener Zeit wurden Zitrusbäume eingeführt. Die Olivenbäume
waren einheimische Bäume: schon in der biblischen Geschichte von Noahs Arche
holte die Taube ein Olivenblatt als ein Zeichen von Leben.
Nach
einer volkstümlichen Legende hatte während dieses Krieges
die türkische Verwaltung die Bäume gefällt, um eine Eisenbahnlinie über
die Sinai-Halbinsel zu legen und
die Briten vom Suez-Kanal zu vertreiben. Stattdessen überquerten
die Briten den Sinai in der andern
Richtung und eroberten Palästina.
NACH JENEM
Krieg begannen die Zionisten en masse ins Land zu kommen. Unter anderem begannen
sie damit, Bäume in großen Mengen anzupflanzen. Ganze Wälder kamen auf, doch
verglichen mit russischen oder europäischen Wäldern waren sie bescheiden.
Die
Zionisten fragten sich nicht, warum
das Land so wenige Baumarten hatte. Die offensichtliche Antwort war, dass
sich die Araber nicht darum kümmerten. Das ist eben ihre Art. Keine Liebe für
das Land, keine Liebe für Bäume.
Die
zionistische Bewegung war voller Selbstvertrauen. Sie konnten alles tun, was sie
sich in den Kopf setzten. Sie hassten die palästinensische Landschaft, wie sie
war. Sie waren dabei, ein anderes Land zu schaffen. Als David Ben-Gurion, ein
20jähriger Jugendlicher, 1906 in Jaffa
landete, war er äußerst abgestoßen: „Ist dies das Land unserer Vorväter?“ rief
er.
So
begannen die Zionisten, die Landschaft zu verändern. Sie importierten
wunderschöne Bäume aus aller Welt und legten Wälder an, wo immer sie konnten:
entlang der Straße von Tel Aviv
nach Jerusalem, auf dem Berg Karmel und
an vielen andern Orten. Sie waren wunderbar.
Die
neuen Einwanderer fragten sich nicht selbst, warum das Land, das seit Beginn der
Zeiten bevölkert war und bis heute so blieb, so ohne
Baumarten gewesen war.
Offensichtlich war es die Schuld der Araber.
Tatsächlich gibt es einen ganz anderen Grund. Palästina leidet an einem extremen
Mangel an Regen. Alle paar Jahre gab es eine Trockenheit: das Land trocknete aus
und Feuer bricht überall aus. Die Bäume, die nicht an dieses Klima
gewöhnt sind, brennen ab.
Vor
sechs Jahren gab es eine Warnung. Ein sehr großes Feuer brach auf dem Berg
Karmel aus. Es verbrannte große Teile des Waldes und tötete 47 Polizisten, die
vom Feuer eingeschlossen wurden,
als sie dabei waren, ein Gefängnis zu evakuieren.
Vor zwei
Wochen geschah es wieder. Acht
Monate lang fiel kaum ein
Regentropfen. Ein starker, heißer,
östlicher Wind blies von der Wüste
her. Das Land trocknete aus. Jeder kleine Funken konnte ein großes Feuer
anrichten.
PLÖTZLICH WAR DAS LAND
unter Feuer. Etwa 150 einzelne Feuer brachen aus, viele in der Nähe von Haifa,
Israels drittgrößte Stadt. Haifa ist wunderschön, fast wie Neapel und einige
seiner Vororte sind von Bäumen umgeben. Keiner dachte über einen sicheren
Abstand nach.
Mehrere
Vororte brannten. Fast 80 000 Einwohner mussten evakuiert werden.
Viele Wohnungen wurden vom Feuer
zerstört. Es war herz-zerreißend.
Die
Feuerwehrleute taten ihr Bestes. Sie arbeiteten rund um die Uhr. Es gab keine
Toten. Mit Wasserschläuchen vom
Boden aus und mit leichten
Feuerlösch-Flugzeugen in der Luft brachten sie das Feuer nach und nach unter
Kontrolle.
Wie
brachen die Feuer aus? Unter den vorherrschend klimatischen Bedingungen
genügte ein kleiner Funke, der eine große Katastrophe auslösen konnte.
Ein nicht sauber gelöschtes
Lagerfeuer, eine brennende
Zigarette aus einem vorbeifahrenden Auto
geworfen, eine umgefallene Wasserpfeife.
Aber das
ist für die Medien oder gar für die
Politiker nicht dramatisch genug, Sehr bald war das Land voller Anklagen: die
Araber seien schuld. Natürlich. Wer noch? Das TV war voller Leute, die
tatsächlich Araber gesehen hätten, die die Wälder in Brand setzten.
Dann
erschien Benjamin Netanjahu auf dem Bildschirm.
Gekleidet in eine modisches Windjacke, Umgeben von seinen Lakaien,
erklärte er, dass dies alles die Arbeit von arabischen Terroristen wäre. Es war
eine Feuer Intifada. Zum Glück
habe Israel einen Retter:
er selbst. Er hatte die Kontrolle übernommen. Er ließ ein amerikanisches
Super-Löschflugzeug kommen und
noch andere ausländische Lösch-Flugzeuge. Die Israelis konnten zurück
gehen und schlafen.
In
Wirklichkeit war dies alles Unsinn. Die tapferen Feuerwehrmänner und Polizisten
hatten schon ihren Job getan. Netanyahus Einmischung war überflüssig,
ja, sogar schädlich
WÄHREND DES
letzten großen Feuers vor sechs Jahren auf dem Karmel hatte Netanjahu
dieselbe Rolle gespielt. Er
ließ ein riesiges amerikanisches
Feuerlösch-Flugzeug kommen. Es hatte gute Arbeit über dem Wald getan. Dieses Mal
nahe den bewohnten Ortsteilen konnte es nichts tun. Der Supertanker
war sinnlos. Netanjahu ließ es kommen, ließ sich mit ihm fotografieren –
und das war es dann.
Die
Anklage der arabischen Bürger als die Verantwortlichen für die Katastrophe war
viel ernster. Als Netanjahu dies erhob, wurde ihm weithin
geglaubt.
Der
halb-faschistische Bildungsminister, Naftali Bennett behauptete, dass das Feuer
ein Beweis dafür wäre, dass das Land den Juden gehört, da die Araber das Feuer
legten.
Viele
arabische Bürger wurden verhaftet und verhört. Die meisten wurden
entlassen. Am Ende schien es so, dass vielleicht zwei Prozent
der Feuer von arabischen Jugendlichen
als Racheakt gelegt wurden.
Haifa
ist eine gemischte Stadt, mit einer großen arabischen Bevölkerung. Im
Allgemeinen sind die Beziehungen zwischen den Arabern und Juden dort
gut, zuweilen sogar herzlich. Die beiden
Gemeinschaften standen der neuen Gefahr gemeinsam gegenüber, arabische Dörfer
öffneten ihre Wohnungen für jüdische Flüchtlinge. Mahmoud Abbas , der Chef der
palästinensischen Behörde in den besetzten Gebieten, schickte seine
Feuerwehrleute nach Israel, um mitzuhelfen.
Netanjahu’s Brandreden machten wilde (und völlig unbewiesene) Anklagen gegen die
arabischen Bürger und gegen die arabischen Arbeiter aus den besetzten Gebieten,
fand keinen Anklang.
Dieses
politische Feuer wurde zum Schweigen gebracht, bevor es zu viel Schaden
anrichtete. Während die Tage vorübergehen, schwinden die Anklagen, aber der
Schaden, den sie anrichteten, bleibt.
(Als ich
vor langer Zeit in der Armee diente, wurde meine Kompanie mit dem Ehrentitel
„Simson’s Füchse“ ausgezeichnet. Simson, der biblische Held, befestigte
brennende Fackeln an die
Schwänze der Füchse und sandte sie in die Felder der Philister).
DAS FEUER
sollte Nahrung für die Gedanken sein
Falls
Netanjahu und seine Lakaien Recht haben und „die Araber“ beabsichtigen, uns
mit allen Mitteln – einschließlich Feuer -
aus dem Land zu werfen, wie wäre die Antwort?
Die
einfache Antwort wäre: wirf sie
stattdessen hinaus!
Logisch,
aber unpraktisch. Es sind jetzt mehr als 6,5 Mill. arabische Palästinenser in
Groß-Israel – im eigentlichen Israel, in der Westbank (einschließlich
Ost-Jerusalem) und dem Gazastreifen. Die Zahl der Juden ist etwa dieselbe. In
der heutigen Welt kann man eine solch hohe Zahl an Menschen nicht
einfach vertreiben.
Also
sind wir verurteilt nah beieinander zu wohnen – entweder in zwei Staaten, (ein
Vorschlag, den Netanjahu ablehnt) - oder in einem Staat, der entweder ein
Apartheidstaat oder ein bi-nationaler Staat sein wird.
Falls
man glaubt, wie es Netanjahu und seine Nachfolger tun, dass jeder Araber ein
potentieller „Brandstifter-Terrorist“ ist – wie
wird man in einem
gemeinsamen Staat in der Lage sein, zu schlafen.
Nur
wenige Araber haben Waffen. Nur einige haben ein Auto, mit dem sie Juden
überfahren können. Nur einige können Explosiv-Stoffe herstellen. Aber jeder hat
Streichhölzer. Wenn es eine trockene Saison gibt, ist der Himmel die Grenze.
Übrigens
rein zufällig sah ich in dieser Woche ein deutsches Fernsehprogramm über
ein Schweizer Dorf hoch oben in den Alpen. Von Zeit zu Zeit weht ein heißer
Wind, den man Föhn nennt, vom Süden darüber. Zweimal brannte es nach
Erinnerungen der Bewohner ab. Alles ohne
einen Araber in Sicht.
IN ISRAEL
gehören die Feuerwehrleute den lokalen Behörden, die das Patronat haben und den
lokalen Soldaten das Gehalt zahlen.
Im Juni
1968 kam ich als
junges Mitglied der Knesset mit einem revolutionären Vorschlag:
alle lokalen Feuerwehr-Abteilungen aufzuheben und einen vereinigten,
nationalen Feuerwehrdienst einzurichten, so wie die Polizei. Solch einen Dienst
- behauptete ich - könnte
für alle Fälle planen, entsprechende Ausrüstung und die nötigen Mittel bereit
stellen.
Im
Gegensatz zu ihrer Gewohnheit, meine Vorschläge zu schmähen, nahmen meine Gegner
diesen Vorschlag ernst. Der
damalige Minister erkannte diesen als gute Idee an, fügte aber hinzu, dass
„seine Zeit noch nicht gekommen sei“.
Nun, 48
Jahre später, ist die Zeit offensichtlich
noch immer nicht gekommen.
An
seiner Stelle kam das Große Feuer.
(Aus dem
Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert)