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Eine Armee von Extremisten

Wie einige Militärrabbiner israelische Soldaten zu radikalisieren versuchen

 

Christopher Hitchens, 23. März 2009, Washingtonpost

 

 

Berichte  aus jüngster Zeit über Brutalitäten  israelischer Soldaten im Lauf der Intervention im Gazastreifen haben die Aufhetzung  junger Soldaten und Reservisten durch Militärrabbiner beschrieben, die die Schlacht als  heiligen Krieg für die Vertreibung der Nicht-Juden vom  jüdischen Land beschreibt. Der säkulare israelische Akademiker Dany Zamir, der als erster die Zeugenaussagen schockierter israelischer Soldaten ans Licht brachte, ist  zitiert worden, als ob der Einfluss von solch extremistisch klerikalen Lehren etwas Neues wäre. Das ist nicht der Fall.

 

Ich erinnere mich daran, als ich 1986 in Israel war, als der oberste Armee-„Kaplan“ in den besetzten Gebieten, Rabbi Shmuel Derlich seinen Soldaten einen pastoralen Brief mit 1000 Wörtern verteilte, in dem er sie  eindringlich mahnte, das biblische Gebot auszuführen, die Amalekiter  als „die Feinde Israels“ auszulöschen. Doch keiner ist in jüngster Zeit Amalekitern begegnet. Also fragte der oberste Ausbildungsoffizier der IDF Rabbi Derlich, ob er seine Aussage  näher definieren könnte und sagen, wen er damit meine. Ziemlich ausweichend, wenn auch alarmierend, antwortete der Mann Gottes „die Deutschen“. Aber es gibt in Judäa und Samaria oder auch im Alten Testament keine Deutschen, so wurde die Ermahnung des Rabbiners, alle Deutschen wie wahrscheinlich auch alle Palästinenser umzubringen, zum Büro des Generalstabsanwalt weitergeleitet. Es kamen dann 40 Militärrabbiner  Derlich öffentlich  zu Hilfe.Und die ziemlich feige Schlussfolgerung des Generalstabsanwalts war dann, dass er kein Rechtsvergehen begangen habe. Er solle sich  in Zukunft  zurückhalten und keine politischen Statements im Namen der Armee abgeben.

 

Das Problem hier aber ist, dass der Rabbi kein „politisches“ Statement  abgab. Er erfüllte eher seine „religiöse“ Pflicht, indem er seine Leser daran erinnerte, was die Thora tatsächlich sagt. Es ist in Israel nicht ungewöhnlich, über Diskussionen zu lesen, an denen Militärrabbiner teilnehmen, wo es um die Interpretation des folgenden  heiligen Befehls von Moses geht ( 4. Moses, 31, 13-18) … Die Israeliten hatten gerade einen gnadenlosen Job an den Midianitern  begangen, bei dem sie alle männlichen Erwachsenen abschlachteten. Aber – so sagt der strenge Chefkommandeur – sie haben (das Gebot) nicht eingehalten.:

 

      „Moses und Eleasar, der Priester, und alle Fürsten der Gemeinde gingen ihnen entgegen,  

       hinaus vor das Lager. Und Moses wurde zornig über die Hauptleute der Heere, die

      Hauptleute über tausend und über hundert, die aus dem Feldzug kamen .

     Und er sprach zu ihnen: Warum habt ihr alle Frauen leben lassen? Haben nicht diese die

     Kinder Israel durch Bileams Rat  abwendig gemacht, dass sie sich versündigen am Herren

     durch den Baal-Peor, sodass der Gemeinde des Herrn eine Plage widerfuhr. So tötet nun

     alles, was männlich ist unter den Kindern und alle Frauen, die nicht mehr Jungfrauen sind;

     aber alle Mädchen, die unberührt sind, die lasst für euch leben.“

 

Moses und Eleasar, der Priester, erteilten weiter komplexe Anweisungen über rituelle Reinigungen, die  nach diesem strapaziösen Massaker ausgeführt werden sollen.

 

Nun hört man die Leute sagen, wenn man auf solche  und ähnlich berüchtigte Passagen zu sprechen kommt, dass diese nicht „buchstäblich zu verstehen seien“. Man hört auch die Entschuldigung, dass  einige verrückte Dinge ‚im Namen’ der Religion getan wurden, als ob diese verrückten Dinge irgendwie die Folge von falscher Interpretation seien. Aber die nationalistischen Rabbiner, die die israelischen Soldaten für ihren Auftrag vorbereiten, denken scheinbar, dass dieses Buch Gottes Wort sei. In diesem Fall sei die einzige Fehlinterpretation die Unterlassung, dies buchstäblich zu nehmen. (…)

 

Vielleicht erinnert man sich noch an Dr. Baruch Goldstein, an den Mann, der im Februar 1994 seine Waffe nahm und 29 Gottesdienstbesucher in der Moschee in Hebron tötete. Er war ein Arzt  in der israelischen Armee gewesen und hat das erste Mal die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, als er sagte, er würde sich weigern, am Shabbat Nicht-Juden zu behandeln. Man lese nun Ethan Bronners Bericht vom 22. März in der New York Times über die Predigten des israelischen Armee-Chefrabbiners, einem Westbank-Siedler mit Namen Avichai Rontzski, der auch den Rang eines Brigadegenerals inne hat. Er hat gesagt, dass für einen jüdischen Arzt der Hauptgrund, einen Nicht-Juden am Shabbat zu behandeln der sei, dass Diasporajuden nicht dem Hass (der anderen) ausgesetzt sein sollen. Diejenigen, die diesen Dingen folgten, erkannten dieses Statement  als  Anzeichen für einen wahrlich entschlossenen Rassisten und Fundamentalisten. Aber diesmal kommt er nicht im Gewand eines  gemeingefährlichen Einzelgängers, sondern in voller Uniform und  Ausrüstung eine Generals und hohen Priesters: Moses und Eleazar in einer Person. Die letzte Nachricht – nach Bronner  - ist, dass das israelische Verteidigungsministerium sich gezwungen fühlte, Rontzski wegen eines „rabbinischen  Gebotes, dem Feind gegenüber  keine Gnade zu zeigen“, zu tadeln. Dieses Gebot war in Form einer kleinen Broschüre an die Männer und Frauen in Uniform verteilt worden.

 

Wenn man sich diese schreckliche Menge von Todesfällen von palästinensischen Zivilisten  ( im Gazakrieg) ansieht, die die unmittelbare Folge war, kann man sich ziemlich leicht vorstellen, wohin das auf  Dauer führt. Die Zelotensiedler und ihre klerikalen Komplizen errichten eine Armee innerhalb der Armee, sodass  es eines Tages, wenn entschieden worden ist, Siedlungen aufzulösen oder zu evakuieren,  dann  genügend Offiziere und Soldaten geben wird, die von  genügend Rabbinern und  Predigten bestärkt werden, den Befehlen nicht zu gehorchen. Es werden dann auch Thoraverse gefunden, die es möglich machen, säkulare Juden genau wie Araber zu morden; die Generalprobe dafür hat mit den religiösen Entschuldigungen für Baruch Goldsteins  Mordrandale und dem talmudischen Ausweichen bezüglich des Mordes an Yitzhak Rabin schon stattgefunden. Dies wurde einst als sehr extrem angesehen – nun nähert sich solch biblische Exegese immer mehr dem Mainstream. Es wird höchste Zeit, dass die USA jede finanzielle Unterstützung für Israel streichen, die  selbst indirekt für Siedleraktivitäten  benützt werden könnte, nicht nur weil solche Kolonisierung Diebstahl von Land eines anderen Volkes darstellt, sondern  weil es unsere Verfassung  absolut verbietet, öffentliche Gelder für die Einrichtung irgend einer Religion zu spenden.

 

(dt. Ellen Rohlfs)