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Anti-Zionismus – eine Art Anti-Semitismus

 

Benjamin Weinthal, Korrespondent der Jerusalem Post, 3.Sept. 08

 

Eine offizielle Entscheidung des  Kölner Landgerichts  vom  Mittwoch resultierte in einem teilweise rechtlichen Sieg für Henrik M. Broder, einem prominenten jüdischen Journalisten, der das Gericht darum bat, eine einstweilige Verfügung aufzuheben, die ihn daran hindert, Statements der Jüdin Evelyn Hecht-Galinski als antisemitisch zu bezeichnen.

 

Hecht-Galinski, deren verstorbener Vater im Vorstand der ersten  jüdischen nach-Holcaust-Gemeinde Berlins und Präsident des Zentralrats der Juden Deutschlands war, setzt Israels Politik mit jener des Nazi-Deutschland gleich und behauptet, dass eine „Jüdische Israel-Lobby sich mit ihrem aktiven Netzwerk über die ganze Welt erstrecke und dank Amerika  ihre Macht so stark geworden  sei…“

Das Gericht verzichtete  zum größten Teil auf eine gerichtliche Verfügung gegen Broder. Nathan Gelbart, Broders Anwalt, berichtete der Jerusalem Post, dass „ es in der  offiziellen Entscheidung heiße, Broder solle Frau Hecht-Galinskis Statements nicht als antisemitisch bezeichnen. Solange  er Gründe für diese Beschuldigung des Antisemitismus geben könne, sei es kein Problem,; das Gericht stellte auch fest,  wegen der Art der Bemerkungen, die Frau Galinski in der Öffentlichkeit gemacht habe, müsste sie auch akzeptieren, dass andere diese Statements als antisemitisch ansehen – solange diese in einem ( bestimmten) Kontext stehen. Ich betrachte es als einen Sieg, weil das Gericht  Henryk Broder  und der Öffentlichkeit eine Anweisung gab, wie man Frau Hecht-Galinskis Statements als antisemitisch bezeichnen kann.

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Dr. Dirk Esser, ein Sprecher des Kölner Landgerichts, sagte : „Diese Entscheidung verbietet nicht per se die Äußerung,  die Klägerin habe antisemitische Statements abgegeben. Ein vergleichbares Statement mit der notwendigen Information würde erlaubt sein.“

 

Hecht-Galinski sagte, sie sei mit dieser Entscheidung einverstanden. Auch weil Broder und seine Assistenten in den letzten Tagen erfolglos versucht hätten, schweren Druck der Medien auf das Gericht auszuüben und auch mich unter Druck zu setzen versuchten, noch mehr Verleumdungen auszusprechen. Auf Grund der heutigen Entscheidung  will ich auch diese anderen Verleumdungen und vergleichbaren Statements in Zukunft verfolgen. Die Behauptung,  ich hätte die Verhältnisse in Israel mit antisemitischen Verbrechen des Naziregimes verglichen, stimmt nicht.“

 

In einem Interview im Deutschlandradio des vergangenen Jahres lobte Hecht-Galinski die Bemerkung des deutschen Bischofs Gregor Maria Hanke, der während eine Israelbesuches sagte: „Am Morgen sahen wir Bilder des Warschauer Ghetto in Yad Vashem und heute Abend  gingen wir ins Ramallah -Ghetto.“

 

Gelbart sagte am Mittwoch,  sein Klient Broder könne  „sagen,  der Vergleich der Situation in der Westbank mit dem Warschauer Ghetto sei antisemitisch - dagegen könne sie nichts tun.“

 

Die juristische Schlacht wurde ausgelöst, als das  Westdeutsche Radioprogramm Hallo Ü-Wagen Frau Hecht-Galinski zu einer besonderen Sendung eingeladen hatte, die dem 60.Jahrestag von Israel gewidmet war .

 

Broder reagierte auf die Einladung mit einer e-mail an die Direktorin von Radio Köln, an Monika Piel im Ton seiner bekannten Polemik: Den einzigen Anspruch auf Ruhm von Evelyn Hecht-Galinski (die den Namen ihres Vaters erst nach dessen Tod adoptierte) ist die Tatsache, dass sie ‚die Tochter von Heinz Galinski’ sei, wie sie sich  bei jedem ihrer Auftritte selbst vorstellt. Sie als Autorin vorzustellen, sei nicht gerechtfertigt; denn abgesehen von Leserbriefen an die Redaktion, die sie geschrieben hat, habe sie nichts veröffentlicht. Sogar ein betrunkener  Karnevalbesucher in Köln könne erkennen, dass Frau EHG eine hysterische, geltungsbedürftige Hausfrau sei, die nur für sich selbst spreche und nur Unsinn von sich gebe. Ihre Spezialität sei intellektueller, nichtssagender Antisemitismus, anti-zionistische Statements – wie sie gerade in Mode seien..

 

Broder setzte seine E-mail auf seinen vielfach gelesenen Blog, Die Achse des Guten. Nach der Kölner Gerichtsverfügung darf Broder das Adjektiv „antisemitisch“ nicht wieder  in seinen Blog aufnehmen.

 

Gelbart sagte: „Henryk Broder behält sich das Berufungsrecht vor“ wenn es darum geht, die Entscheidung, in seinem Blog hinsichtlich Piel den Ausdruck „antisemitisch“ eingeschränkt zu benützen. Die Entscheidung ist ein weiterer Beweis für Broders jahrzehntelange Bemühung um die Anerkennung,   jüdischer Anti-Semitismus und Anti-Zionismus im allgemeinen  sei eine weit verbreitete Form von zeitgenössischem Antisemitismus in Deutschland.

 

Der Zentralrat der Juden in Deutschland unterstützt Broders Position, und die österreichische jüdische Gemeinde veröffentlichte am Mittwoch ein Statement, das behauptet, dass Definitionen von Antisemitismus sich  natürlich auf den Inhalt antisemitischer Statements gründe und nicht auf die ethnische Zugehörigkeit der Person, die sie macht. Wenn diese Person formell zu einer jüdischen Gemeinde gehöre oder  tatsächlich oder vermutlich jüdischer oder israelischer Herkunft ist, gelten die Definitionen für Antisemitismus. Jemandem eine carte blanche für Antisemitismus zu geben, nur weil er jüdischen Ursprungs sei oder lobenswerte Vorfahren habe, sei Rassismus.

 

Ariel Muzicant, Präsident der jüdischen Gemeinschaft in Österreich, und Raimund Fastenbauer, Generalsekretär  der Organisation, erklärten ihre volle Unterstützung und Solidarität  mit Henryk Broder in seinen Statements, hinsichtlich Frau Evelyn Hecht-Galinski. Wir teilen diesbezüglich seine Meinung und weisen jeden Versuch zurück, ihn zu kriminalisieren.“

 

Der Rechtsstreit und die Grenzen Antisemitisches zu kritisieren, beherrschte in letzter Zeit die deutsche nationale Presse. Kritiker äußerten, der Chefherausgeber der Kulturseite der konservativen Tageszeitung  Frankfurter Allgemeine Zeitung  (FAZ) Patrick Bahners habe Hecht-Galinskis anti-israelische Schmährede verteidigt. Bahners schrieb in einem Artikel auf der ersten Seite: „Wer die Beschreibung seines Gegners als eines Antisemiten durchsetzen kann, hat ihn aus dem öffentlichen Diskurs ausgeschlossen und fügte hinzu, dass sogar einige israelische Friedensaktivisten die Einzäunung der Westbank mit dem Warschauer Ghetto verglichen hätten.“

 

Als Bahners nach der EU Definition von Antisemitismus gefragt wurde, die besagt, dass Nazivergleiche mit israelischer Politik ein Anzeichen von Antisemitismus seien, sagte Bahners gegenüber der Jerusalem Post, „das hängt vom Kontext ab.“

 

Dr. Dieter Graumann, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, beschrieb Bahners Artikel als einen ausgesprochen hässlichen Versuch, die jüdische Stimme in Deutschland  nicht anzuerkennen und  in Misskredit zu bringen – und zwar in einer allgemeinen und groben Weise. Wir Juden werden hier als dümmliche Schachfiguren Israels hingestellt und unsere Position als nicht vertrauenswürdig angesehen. Wenn dies die neue Richtung der FAZ wäre ( man erinnere sich an andere Artikel z.B. an den von Lorenz Jäger), dann sollten jene mit einigem Verantwortungsgefühl schnell die Notbremsen ziehen. Es ist höchste Zeit.“

Kritiker sagen auch,  Jäger, der über Kultur in der FAZ berichtet, schüre in seinen Artikeln anti-israelische  und anti-jüdische Vorurteile.

 

Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, sagte, die FAZ habe ihre politische Richtung  verändert und zwar in die der rechts-extremen Wochenzeitung „Junge Freiheit“, um einen größeren Leserkreis zu erreichen. Frank Schirrmacher, ein FAZ-Redakteur lehnte es ab, vielfache E-Mail-Anfragen der Jerusalem Post zu beantworten.

 

Während Bahners gegenüber der Jerusalem Post einräumte, dass Hecht-Galinskis Rede über eine weltweit jüdisch-israelische Lobby an einen berüchtigten Typ von Antisemitismus erinnere, nämlich an die  (jüdische) Weltherrschaft, reduzierte er in seinem FAZ-Artikel die Definition von Antisemitismus auf   „geldgierige“ Juden. Als er gefragt wurde, wie er Antisemitismus definieren würde, weigerte er sich, der Post eine Definition zu geben.

 

Alan Posener, der Chefherausgeber der Kommentare für Die Welt am Sonntag, der  größten Wochenendzeitung, sagte der Post, „Patrick Bahners schreibt, das Reden über geldgierige Juden sei offensichtlich antisemitisch, sei es nicht antisemitisch, wenn man sagt, Israel behandle die Palästinenser in der Weise, wie Nazis Juden behandelt haben, obgleich diese Verleumdung von Israels Feinden benützt wird, um den Terrorismus gegen Juden in Israel und anderswo zu rechtfertigen.

 

„Nun, Bahners kann sich seine eigene Meinung bilden, er ist jedoch schlecht informiert. Was er aber  tun will, ist, das Argument  - eine  gewisse Art von Anti-Zionismus sei antisemitisch – zu ächten, und dies im öffentlichen Diskurs zu verbieten.  Nicht wenige Deutsche würden dies natürlich begrüßen, da Kritik an Israel seit langem unterdrückte antisemitische Gefühle verbirgt; aber sich derart in Szene zu setzen, scheint mir keine besonders demokratische Gesinnung anzuzeigen.“

 

(dt. Ellen Rohlfs)