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Die nichts sagenden Proteste der PA

 

Amira Hass, Haaretz, 13.3.08

 

Die ranghohen Beamten der  palästinensischen Behörden können  berechtigterweise sagen, dass der Siedlungsbau  trotz vieler Proteste  und Verurteilungen  von ihrer und anderer Seite weitergeht. Europa protestiert, Peace Now protestiert, die UN protestieren, sogar Condoleezza Rice protestiert gelegentlich, ganz abgesehen von der literarischen Elite.

 

Die Siedlungen dehnen sich weiter aus, zusammen mit dem für Palästinenser verbotenen Straßensystem.

Die Beamten der palästinensischen Behörde werden sagen, dass die entgegengesetzten Taktiken zu Verhandlungen und Protesten –  Qassamraketen,  Guerilla-Operationen und Selbstmordangriffe –  der Sache nicht gedient haben.  Tatsächlich haben sie  Israel nur  noch mehr Vorwände geliefert, Land zu konfiszieren.

Die Evakuierung der Siedlungen im Gazastreifens waren – so sollte noch mal gesagt werden – ein brillanter Schachzug Israels, um die politische Trennung zwischen der Westbank und dem Gazastreifen zu beschleunigen. Sie wurde die ganze Zeit als „der Beginn der Abzugs“ ausgegeben.

Die aus dem PA-Lager gehörten Verurteilungen sind nur für interne Zwecke bestimmt. In dieser Weise erzählt  man der palästinensischen Öffentlichkeit, dass ihre Vertreter mit im selben Boot sitzen genau wie die schwache Bevölkerung, die unter der Besatzung leidet, genau wie der bewaffnete Kampf die Absicht hat, der palästinensischen Öffentlichkeit zu zeigen, welche Organisation wirklich weiß, wie man sich rächen muss. Die Verurteilungen der PA beweisen, wie lächerlich und ohnmächtig sie in Wirklichkeit sind. Sie signalisiert beiden – Israel und den Palästinensern, dass es egal ist, wie viele neue Siedlungen noch gebaut werden, es wird immer ein palästinensischer Partner seinen Platz in der „Friedensprozessschau“ teilnehmen.

 

Verhandlungen und bewaffneter Kampf sind nicht die einzigen Methoden, um gegen die Besatzung zu kämpfen. Die Frage, warum die Palästinenser nicht Mahatma Gandhis Methode des gewaltfreien Widerstands übernommen haben, sollte den PA-Verantwortlichen gestellt werden und nicht den Millionen Palästinensern, die täglich einen unbewaffneten Kampf gegen die raffinierten und technisch hoch entwickelten Methoden der Unterdrückung führen.

 

Die Proteste würden völlig anders klingen, wenn die Protestierenden eine gezielte allgemeine Revolte gegen Israels Taktiken der Annexion organisieren würden.

 

Es gibt dazu jede Menge an Möglichkeiten.

 

Es gibt Hunderte von Betonbarrieren, die die Dorfausgänge blockieren. Die PA könnte einen Bulldozer schicken, der jeden Tag einen von diesen beiseite räumt. Ranghohe Beamte könnten kommen: Mahmoud Abbas oder einer aus seinem Büro, Verantwortliche von Sicherheitsorganisationen, ;itglieder des PLO-Zentralkomitees, ranghohe Fatahvertreter, Minister, Generaldirektoren.

 

Da gibt es Straßen, die für palästinensische Wagen  verboten sind. PA-Beamte und Westbank-Bewohner könnten einen langen Auto-Konvoy bilden und auf diesen Straßen fahren. Viele Israelis würden sich ihnen gerne anschließen.

 

Das Bauen und  die (wirtschaftliche) Entwicklung sind im C-Gebiet verboten. Das palästinensische Planungsbüro könnte dem dafür zuständigen palästinensischen Ministerium die Order geben, Stromleitungen zu legen, um die Infrastruktur vorzubereiten, damit Dörfer mit Strom und Wasserleitungen verbunden werden, Zisternen zu graben, damit Regenwasser gesammelt wird, Schulen, Kliniken und Häuser zu bauen. Vielleicht sogar Brunnen zu graben. All das, was die israelischen Besatzungsbehörden auf 60% der Westbank verbieten . Auch hier wird es keine kleine Anzahl  von Israelis geben, die gegen die Besatzung sind und die sich dem anschließen würden.

 

Die Zivile Verwaltung würde kommen und alles zerstören . Dann baut es wieder auf.

 

Die ranghohen Beamten, die diese Arbeit begleiten, werden verhaftet werden. Um so besser.

Sollen denn nur die Bewohner von Bilin  für ihren  gewaltfreien Kampf gegen die Besatzung verhaftet werden ?

 

Es ist möglich, mit Hunderten von anderen Maßnahmen dieser Art zu kommen, die den offiziellen palästinensischen Regierungsplan ersetzen könnten und die Führung zwingt, von ihrem „angeblichen Staat“ abzubringen und zum Befreiungskampf zurückbringt.  Diese Maßnahmen allein können zwar das Ende der Kolonisierung nicht herbeiführen, aber sie haben das Potential, den Status quo zu beenden, der für Israel so günstig und praktisch ist: die Siedlungen werden weiter erweitert, endlose Verhandlungen, Proteste und Schießereien. Es gibt ein Potential, um diese befremdlichen Beziehungen zwischen den Völkern und ihren Vertretern zu verändern, um eine neue Form von palästinensischer Diplomatie zu schaffen.

 

Aber es stimmt auch, dass solch eine Vision keine Chance hat. Die gegenwärtige PA-und PLO-Führung hat sich daran gewöhnt, als Nomenklatur zu leben. Sie verwechseln die Interessen ihres eigenen Volkes mit ihrem verhältnismäßig komfortablen zeremoniellen Status; einem Status, den sie ihrer Bereitschaft verdanken, an einem Theater von Anständigkeit teilzunehmen, die ihnen von den Amerikanern und Europäern zu Gunsten Israels vorgeschrieben wird.

 

(dt. Ellen Rohlfs)