Kameradschaft am Checkpoint

 

Amira Hass, 24.1.07

 

Wer die israelische Gesellschaft kennen lernen will sollte zu den Kontrollpunkten (Checkpoint) gehen. Nicht nur eine Viertelstunde lang oder eine Stunde und nicht unter der Obhut eines Kommandeurs, der sich  des „Pavillons“ rühmen wird, den man für die  in einer Schlange stehenden, also wartenden Leute gebaut hat. Er wird erklären, dass die Verbesserung und die Ausdehnung des Checkpoints dafür gedacht war, den Einheimischen das Leben zu erleichtern. Diejenigen, die wirklich wissen wollen, was ein Kontrollpunkt ist, sollte sich ein paar Stunden während mehrerer Tage dort aufhalten. Wenn man dort die Soldaten beobachtet, wird man israelische Eigenschaften dort entdecken, Eigenschaften, auf die wir immer stolz gewesen sind.

 

Z.B. Kameradschaft. Die Kameradschaft ist so stark, dass manche glauben, sie könnten, die Normen überschreiten, die an den Checkpoints geschaffen wurden, die zuweilen pervers sind. Am Taysir-Checkpoint z.B. wurde während der  letzten zwei Wochen  zwei Fälle dokumentiert, dass ein Soldat in der Öffentlichkeit, in Gegenwart von Frauen uriniert hat. Vielleicht war es beides Mal derselbe Soldat, vielleicht auch zwei verschiedene. Dies war nur ein extremes Anzeichen für die Verachtung die die Soldaten gegenüber  den  dort wartenden Leuten haben, die auf ihre Gnade angewiesen sind, und dort durchgehen müssen – Lehrer, Bauern, Kaufleute, Schulkinder, Arbeiter in den Siedlungen. Aber es ist auch ein Ausdruck des Selbstbewusstseins der Soldaten und der Gewissheit, dass keiner ihrer Kameraden sie daran hindern werden dinge zu tun, die sie nicht in Binyamina oder Bnei Brak tun würden.

 

Die Bereitschaft zu helfen, ist auch ein israelischer Zug. Genau derselbe Soldat half einem Polizisten an diesem entlegenen Checkpoint am Ende des Jordantales, es sich in seinem Jeep bequem zu machen. Am Dienstag letzter Woche sammelte der Soldat die Ausweise von einigen Fahrern ein, gab sie dem Polizisten im Jeep und kehrte zu den Fahrern mit Strafzetteln und Strafgebühren von 100 Schekeln für jeden zurück. Weil sie sich nicht mit Sitzgurten anschnallen würden, müssten sie dies zu Gunsten der Staatskasse zahlen. Übrigens waren alle angeschnallt, obgleich sie schon eine halbe Stunde oder länger dort warteten

 

Erfindungsgeist ist  noch ein besonderer israelischer Zug. Eine Militärorder verbietet allen Palästinensern, das Jordantal zu betreten oder sich dort aufzuhalten, abgesehen von denen die dort leben und  größtenteils für die jüdischen Siedlungen  dort arbeiten. In den letzten Wochen erzählten Soldaten am Taysir-Kontrollpunkt,  es sei verboten, außerhalb des Jordantales zu übernachten und am Morgen zurückzukommen. „dies sei verboten“. Vor anderthalb Jahren, entschieden sie, dass es für Bauern „verboten sei“ , ihre Waren durch diesen Kontrollpunkt zu bringen – die Bauern mussten einen Umweg von über 30 km machen und durch einen andern Kontrollpunkt gehen. Als den Soldaten klar gemacht wurde, dass es solch eine Order gar nicht gebe, fanden sie eine Methode, die Fahrer vom Kontrollpunkt entfernt zu halten. Diejenigen, die ihr Gemüse in die Westbank transportieren wollten, mussten alle Behälter vor dem Kontrollpunkt ausleeren - angeblich wegen einer (Sicherhheits)Inspektion – und sie dann wieder einladen.

 

Hartnäckigkeit wird auch als ein bewundernswerter Zug, besonders bei der Armee gehalten. Brigadekommandeure kommen und gehen, Soldaten werden ersetzt und trotzdem sind die Berichte der letzten zwei Jahre über den entfernten Taysir-Kontrollpunkt dieselben geblieben; Soldaten, die Schikanen erfinden, Wartezeiten jenseits dessen, was erlaubt ist  und auf Grund falscher Gründe ( das eine Mal sind es Bauarbeiten am Checkpoint, einmal gefälschte Papiere, ein drittes Mal eine Sicherheitswarnung) . Und es gibt Berichte von Leuten, die über einen anderen Kontrollpunkt gehen  mussten.

 

Man macht es sich zu einfach, wenn man sagt, Taysir sei eine Ausnahme. Tatsächlich wurde das Benehmen des aufgefallenen Soldaten von seinem Kommandeur als sehr ernst betrachtet und er wurde deshalb von seinem Posten suspendiert. Die Brigade stellte die Richtigkeit des Berichtes von Einwohnern in Frage, dass der Soldat anwesend war und seinen “Dienst“ am Kontrollpunkt einmal 2 Stunden, am andern Tag drei Stunden lang verrichtete, auch nachdem er suspendiert war. Brigadeoffizielle betonten, dass die Suspension dieses Soldaten weiter Gültigkeit hat – und zwar mit derselben Bestimmtheit wie jene Leute, die ihn wieder am Checkpoint gesehen haben wollen. Nachdem solche Informationen den Kommandeuren zugetragen wurden, verbesserte sich die Situation am Kontrollpunkt für ein paar Tage etwas, die Wartezeit wurde etwas kürzer – und dann war alles wie zuvor. Jeder der Dutzenden von Kontrollpunkten hat über die Jahre hinweg seine eigenen Methoden der Schikanen entwickelt.

Sie leiten sich aus der stillschweigend übereingekommenen Order ab, die hinter der Existenz jedes Kontrollpunktes steht: verhindere die Bewegungsfreiheit der Palästinenser um das Wohlbefinden der jüdischen Siedlungen Willen, d.h. Israel. Man wird krank, wenn man Berichte über die Kontrollpunkte liest – und man wird noch kränker, wenn man darüber schreibt. Und am schlimmsten  ist es für all die, die da durch müssen. Da die Palästinenser aber keine Alternative haben, als da  weiter durchzugehen, werden diese Kontrollpunkte weiterhin die Vertreter der israelischen Gesellschaft sein.

 

(dt. Ellen Rohlfs)