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Weiße Elefanten

 

Uri Avnery, 4.August 2007

 

DER KÖNIG von Siam wusste, wie er sich gegenüber einem internen Feind zu verhalten hat,  er würde ihm einen weißen Elefanten schenken.

 

Weiße Elefanten sind in der Natur sehr selten und darum heilig. Heilig sein bedeutet, dass sie nicht zur Arbeit benützt werden durften. Aber selbst ein heiliger Elefant  braucht Nahrung, und zwar ziemlich viel. Genug, um aus  einem reichen Mann  einen armen  zu machen.

 

Mein verstorbener Freund General Matti Peled, der einmal der Quartiermeistergeneral der Armee war, wies auf die Ähnlichkeit zwischen diesen Elefanten und vielen  der Geschenke, die wir vom  US-Präsidenten bekommen, hin.

 

Nach den Bedingungen der  militärischen Subventionen muss der größte Teil davon in den USA ausgegeben werden. Nehmen wir mal an, dass Israel Merkava-Panzer braucht, die in Israel hergestellt werden. Oder Anti-Raketen-Systeme, die auch in Israel hergestellt werden. Statt diese in Israel zu erwerben, kauft die israelische Armee amerikanische Flugzeuge, die es nicht benötigt.

Ein Flugzeug, das sich auf dem neuesten Stand der Technik befindet, ist ein ungeheuer teures Objekt. Wir erhalten es zwar quasi für nichts. Aber wie der weiße Elefant  benötigt  das Flugzeug eine teure Wartung. Es benötigt Piloten, deren Training allein schon ein Vermögen kostet. Es benötigt Flugfelder. All diese Ausgaben zusammen sind schon viel mehr als der Preis des Flugzeugs selbst.

 

Aber welche Armee kann solch ein wunderbares Geschenk zurückweisen?

 

 

DER NAHE OSTEN wird nun von einer Herde weißer Elefanten  überrannt.

 

In dieser Woche wurde bekannt, dass Präsident Bush dabei ist, Saudi Arabien mit großen Mengen neuester Waffen zu versorgen.  Der Preis liegt bei  20 Milliarden ( 20.000.000.000) Dollar.

 

Offenbar werden die Waffen zur Stärkung gegen den Großen Satan, den Iran, benötigt. In den Augen der  Saudis ist dies jetzt die große Gefahr.

 

Wie kam es dazu?  Jahrhunderte lang war der Irak wie eine Mauer zwischen dem schiitisch-persischen Iran und dem sunnitisch-arabischen Nahen Osten. Als Präsident Bush das sunnitische Regime  im Irak stürzte, wurde die ganze Region für die schiitische Macht geöffnet. Im Irak selbst wurde eine schiitische Regierung  errichtet, und die schiitischen Milizen machen, was sie wollen. Der Machteinfluss der schiitischen Hisbollah im Libanon wächst. Und der Iran streckt seine langen Arme nach allen Schiiten in der Region aus.

 

In seiner unendlichen Weisheit hat Allah darauf geachtet, dass fast alle nahöstlichen Erdöl-Reserven sich in schiitischen Gebieten befinden: im Iran, im Süden des Irak und den schiitischen Regionen von Saudi Arabien  und den Emiraten am Persischen Golf. Wenn diese Reserven  nun aus der US-Kontrolle fallen, wird es eine drastische Veränderung im Gleichgewicht  der Mächte geben – nicht nur in der Region, sondern in der ganzen Welt.

 

Deshalb hat die Stärkung Saudi Arabiens, das von  konservativen Sunniten beherrscht wird,  vom amerikanischen Standpunkt aus eine große Bedeutung. Doch der Waffenhandel ist in diesem Zusammenhang ziemlich irrelevant.

 

Die Saudis brauchen keine Waffen. Sie haben ein Instrument, das viel effektiver als irgend eine Anzahl von Flugzeugen und Panzern ist: sie haben einen unerschöpflichen Vorrat an Dollars. Sie benutzen diese, um Freunde zu finanzieren, Einfluss zu  erlangen und Führer zu bestechen.

 

Auf der anderen Seite ist Saudi Arabien unfähig, die Waffen, die es erhält, entsprechend zu pflegen. Es hat nicht genügend Piloten für die Flugzeuge, die es kauft, noch Wartungsmannschaften für die Panzer. Die neuen Waffen werden in der Wüste verrotten, wie all die  teuren Waffen, die es in der Vergangenheit gekauft hat.

 

Welchen Sinn hat es also, noch mehr Waffen  zum Preis von 20 Milliarden zu kaufen?

 

Nun, die Saudis verkaufen Öl an die Amerikaner. Eine Menge Öl, eine Menge Dollars. Die Vereinigten Staaten, die eine riesige Kluft in ihrer Handelsbilanz haben, können es sich nicht leisten, diese Milliarden zu verlieren. Um es also für die US möglich zu machen, solch eine Belastung zu tragen, müssen die Saudis wenigstens einen Teil des Geldes zurückgeben. Nur wie? Ganz einfach: sie kaufen amerikanische Waffen, die sie nicht brauchen.

 

Dies ist wie ein Karussell, das allen zu gute kommt.  Besonders den saudischen Prinzen. Saudi Arabien hat davon eine ganze Menge – etwa 9000 (neun tausend) Prinzen, die alle dem Haus der Saud  angehören. Ein Prinz hat eine Menge Frauen. Jede Frau hat eine Menge Sprösslinge. Einige von ihnen sind Waffenhändler, die automatisch  üppige Kommissionen aus den Waffen-Milliarden einstreichen. (Man kann es leicht ausrechnen: ein Prozent von 20 Milliarden  ergeben  allein schon 200 Millionen. Und  sie würden über die Kommissionen von 1% lachen).

 

Die Prinzen haben  deshalb an diesem bequemen Zustand ein natürliches Interesse

 

 

HIER NUN kommt Israel in die Szene.

 

Jeder vom Weißen Haus veranlasste Waffenhandel braucht die Einwilligung des Kongresses. Im Kongress haben die „Freunde Israels“ – die jüdischen und  christlich-fundamentalistischen Lobbys – die absolute Vorherrschaft. Kein Senator oder Kongressabgeordneter kann vergessen, wieder gewählt zu werden, wenn er einen von diesen  Lobbys beleidigt.

 

Wenn Israel seine Stimme gegen einen Waffenhandel mit Saudi Arabien erhebt, hat das Weiße Haus ein Problem. Um so mehr, da eine gewisse Logik für den israelischen Einwand spricht: die Saudi Arabische Luftwaffenbasis in Tabuk ist nur wenige Flugminuten vom israelischen Hafen Eilat entfernt.

 

Was nun? Sehr einfach: gebt uns ein Waffengeschenk, um „das militärische Gleichgewicht“ zu erhalten, und gebt uns „qualitative Überlegenheit über zusammen genommen alle arabischen Armeen“.

 

Mit dem 20 Milliarden-Deal mit den Saudis bestimmte Präsident Bush, dass die Amerikaner Israel eine jährliche Militärhilfe gewähren, die von 2,4 Milliarden auf  drei Milliarden  erhöht werden sollen. Das bedeutet, dass in den kommenden Jahren Israel Waffen im Wert  von bis zu 30 Milliarden erhalten wird.

 

Außer dem kleinen Teil, den Israel wo  anderes ausgeben darf, muss diese große Summe in den USA ausgegeben werden. Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen ist dieses Geschenk an Israel wirklich eine ungeheure Unterstützung für die amerikanische Rüstungsindustrie. Es wird die Rüstungsindustriellen, die dem Herzen von Bush so nahe stehen, reich machen. Er wird damit auch dem amerikanischen Volk zeigen, dass ihr weiser Präsident Bush auf diese Weise eine Menge netter, neuer Arbeitsplätze schafft.

 

 

DAS IST natürlich noch nicht das Ende der Geschichte.

 

Es würde unannehmbar sein, die Herrscher von Saudi Arabien in solch  eindrucksvoller Weise zu „stärken“, ohne den anderen Königen, Präsidenten und Emiren, die mit den Amerikanern kooperieren, auch etwas zu geben. Ägypten, Jordanien und die Golfemire müssen auch ihren Teil erhalten.

 

Die neuen Waffendeals werden deshalb auf 40, 50 und  - Gott weiß -  wie viele mehr Milliarden Dollar steigen.

 

Das ist für die Rüstungsindustrie nicht schlecht, die mithalf, dass Bush gewählt wurde, und die ihn weiterhin unterstützt. Es ist auch nicht schlecht für die Waffenhändler, die Prinzen und all die anderen, die profitieren, die korrupten Regime, die den Nahen Osten beherrschen ( und in dieser Hinsicht  ist es Israel zumindest hier  gelungen, ein integraler Teil dieser Region zu werden).

 

 

ÜBER ALL DIES könnte man sich auch amüsieren, hätten diese Deals nicht auch eine dunkle Seite.

 

Als ich noch ein Kind war, wurde mir beigebracht,  die verachtenswertesten Leute seien die Waffenhändler. Er  unterscheidet sich von allen andern Händlern, weil seine Ware der Tod sei. Sein Reichtum ist von Blut befleckt. Der Titel „Waffenhändler“ war zu jener Zeit eine große Beleidigung,  ja, eine der schlimmsten. Eine Person würde sich nie selbst als Waffenhändler vorstellen, genau so wenig wie ein angeheuerter Killer dies zugeben würde.

 

Die Zeiten haben sich geändert. Der Waffenhändler ist inzwischen eine angesehene Person. Er kann eine Berühmtheit sein, das Objekt  von Verherrlichung bei der  Boulevardpresse, ein Freund von Politikern,  ein großzügiger Gastgeber von Regierungsmitgliedern.

 

Waffen haben ihr eigenes „Leben“. Sie wollen ihr Potential  realisieren. Ihre Aufgabe ist es zu töten. Ein General, dessen Arsenal gefüllt ist, neigt dazu, über einen „Krieg in diesem Sommer“  oder „einen Krieg in diesem Winter“ zu phantasieren.

 

Das Tötungspotential der Waffen wird ständig „besser“ und ihre Produzenten benötigen Versuchsfelder. Vor ein paar Tagen enthüllte einer unserer Generäle im Fernsehen, dass nach einem amerikanisch-israelischen Abkommen die israelische Armee verpflichtet sei, dem amerikanischen Militärestablishment über die Effektivität aller Arten von Waffen zu berichten. Zum Beispiel über die Genauigkeit der „intelligenten“ Bomben und das Funktionieren der Flugzeuge, der Raketen und Drohnen, Panzer und all der anderen Instrumente der Zerstörung in unseren Kriegen.

Jede „gezielte Tötung“ im Gazastreifen oder die Verwendung der Streubomben im Libanon dienen auch diesen Tests. Die Einebnung eines Stadtteils in Beirut, der Tod von Frauen und Kindern als „Kollateralschäden“, die anhaltende Amputation von Körperteilen durch die Streubomben im Süden des Libanon  - all dies sind statistische Fakten, die die amerikanische Rüstungsindustrie wissen will, damit sie ihre Waren verbessern kann.

 

 

Ein Deal ist ein Deal, und Waren sind Waren.

 

IN DERSELBEN Woche, in der der riesige Waffenhandel angekündigt wurde, sprach Ehud Olmert von einem Dialog ( zeitlich unbegrenzt) über  (unverbindliche) Prinzipien für einen Endstatus. Condolezza Rice  schwirrte schon wieder lachend und redend, sich küssend und redend durch die Hauptstädte der Region.

 

Saudi Arabien gibt einen Wink, dass vielleicht , vielleicht  es bereit sei,  bei dem womöglich im Herbst stattfindenden „Friedenstreffen“  sich  mit Israel an einen Tisch zu setzen. Das war auch beabsichtigt, um es dem Kongress (d.h. der Israel-Lobby) leichter zu machen, den Waffenhandel abzuschließen.

 

Bushs Leute haben zum zigsten Mal angekündigt, dass jetzt ein „Fenster der Gelegenheit“ offen steht. ( nicht ein „Tor der Gelegenheit“, nicht eine „Tür der Gelegenheit“, sondern nur ein Fenster.) Als ob Fenster dafür bestimmt seien,  dass man sie durchschreitet. Sind sie nicht fürs  Hinausschauen bestimmt?

 

All diese Aktivitäten erinnern mich irgendwie an eine andere Geschichte von weißen Elefanten:

 

Ein amerikanischer Milliardär hatte sich in den Kopf gesetzt, einen weißen Elefanten zu erwerben, um bei seinen Kollegen Eindruck zu schinden. Aber es ist strikt verboten,  weiße Elefanten aus Thailand auszuführen, weil sie so selten sind.

 

Ein  schlauer Vermittler versprach, ihm einen weißen Elefanten zu besorgen, und erzählte ihm auch, wie er es machen werde: er wollte den Elefanten mit grauer Farbe anstreichen, bevor er ihn aus dem Lande schmuggelte.

 

Und tatsächlich kam zur versprochenen Zeit ein Container an, und ein grauer Elefant spazierte heraus. Als die graue Farbe abgeschrubbt  war, erschien ein weißer Elefant. Aber als noch ein bisschen mehr geschrubbt wurde, verschwand auch die weiße Farbe, und darunter war der Elefant grau.

 

(Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser  autorisiert)