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Rabbis for Human Rights, CPT, Siedler und Hirten

 

Hava Halevi, 27.4.07 ( www.kibush.co.il)

 

Kurz vor 10 am Morgen kam der PKW  an der Stelle an, von der wir zu Fuß weiter gehen mussten. Wir stiegen aus, Arik Aschermann, der Vorsitzende der Rabbiner für Menschenrechte (RHR), Vivi und ich. Dann begann der lange Weg nach unten, dann den Hang wieder hoch, der zu dem Gebiet führt, in dem die Bewohner von Bani Naim ihre Herde weiden lassen und wo sie  anscheinend die Olivenbäume beschneiden wollen. Es waren mehr als zehn Männer, ein paar Frauen und ein ähnliche Anzahl Freiwilliger vom Christlichen Friedensteam (CPT), die in Tuwani leben. Sie haben alle Fotoapparate und gute Beziehungen zur einheimischen Bevölkerung. Außerdem gab es eine Schafherde, eine kleine Ziegenherde und zwei  Jugendliche mit Schläfenlocken und einem Hund – Bewohner von Pnei Hever, der nächsten Siedlung. Abgesehen von dieser, die auf der Kuppe des Berges vor jedermanns Augen liegt, nur kahle Hügel und einige Bäume.

 

Diese Jugendlichen verstehen ihre Aufgabe sehr gut: „Die Araber zu vertreiben“. Da sie uns mitsamt ihrem Hund  nicht beeindrucken, beginnen sie, in ihrem üblichen Kommandoton zu telefonieren. „Schickt sofort die Armee und die Polizei hierher!“ Es war klar, dass sie  sehr wohl wussten, dass die Armee auf ihre Bitte hin kommen würde.

 

Während die Herden weiter zu den Weidenflächen hinunter gingen, erschien Dov  - der gewalttätige, irre Diensttuende, dessen Irrsinn – wie wir später sahen - als eine effektive ad hoc-Waffe benützt wird: er wird nur dann verrückt, wenn er verrückt sein soll. Er und sein Schlagstock, ein schwarzer Stock von Gummi ummantelt mit zwei Haken an der Seite, begann,  schreiend Amok zu laufen und  mit dem Stock über den Köpfen der Palästinenser zu  fuchteln, auch über denen der  alten Männer, Frauen und Kinder. Dabei schrie er: ich bin wahnsinnig, ich bin wahnsinnig, macht, dass ihr  verschwindet  und andere Slogans, in denen Die Juden, Die Torah, Die Rechte, Der Wahnsinn, Die Bastarde und zwei besondere Namen vorkamen: „Ihr habt Dov getötet! Ihr habt Nati getötet!“. Die Kameras machten ihn  noch wahnsinniger. Er rannte wie ein Irrer hinter jeder Kamera her, die auftauchte und verlangte, dass man sie ihm gibt. Die nächste Kamera war die von Vivi. Er näherte sich ihr und verlangte zunächst ziemlich ruhig, ihm die Kamera zu geben. „Ich werde sie dir nachher wieder geben,“ versprach er. Ja , natürlich, so wie er und seine Freunde das Land wieder zurückgeben wollen, auch die Ziegen, die sie von den rechtlichen Bewohnern dieses Ortes gestohlen haben. Vivi weigerte sich. Er griff sie an, um ihr den Apparat zu entreißen. Vivi hatte sich nicht so sehr vor den Schlägen  gefürchtet, wie sie später  sagte, sondern sich um den Apparat ihres Sohnes Sorgen gemacht.

Und als der Abschaum von Mensch sie herumstieß und auf den Boden schlug, blieb sie  mit dem Gesicht zu Boden, die Kamera an sich gepresst. Ich lag über ihr, um sie von dem Wahnsinnigen zu trennen. Der Bär ( im hebr. Dov) rannte  schreiend  zwischen  uns herum  und drohte, ihr die Kamera wegzunehmen….Mittlerweile kam Nachschub von zwei Seiten. Arik (RHR) kam angerannt, um die Opfer vor den Aggressionen zu  verteidigen. Von der andern Seite kam der Sicherheitschef von der Homesh-Siedlung mit einem Gewehr und eine Gruppe Freunden. Sie sagten, dass ein Messer nur durch ein Messer geschärft werden kann, und wahrhaftig, als die schon anwesenden Siedler die anderen kommen sahen, wurden ihre Übergriffe und ihre Gewalt noch stärker. Die Jugendlichen schlossen sich dem Wahnsinnigen nach der wohlbekannten Art der Siedler an, näherten sich dem Gesicht des Opfers auf zwei  Zentimeter  und schrieen: „Bist du ein Jude? Hast du Dov getötet? Hast du Nati getötet? Ja, du hast Nati getötet!“

 

„Der Bär“ rannte weiter herum und schrie, warf den alten Mann um, der auf seinen Stock gelehnt dastand, griff Arik Aschermann  gewalttätig an. Zunächst bedrohte er ihn mit Dingen, die er seiner Frau antun würde und auch seiner ganzen Familie. „Ich weiß, wo du wohnst. Ich werde dich und deine Kinder töten.“ Die ganze Zeit rannte er herum, schubste und schlug und warf immer wieder einen Seitenblick rund herum, um zu sehen, ob er photographiert  wird. Natürlich wurde er von allen Seiten photographiert. Er ließ Aschermann für einen Augenblick und rannte hinter dem Photographen her, einem „Ausländer“ , der glücklicherweise flinker und beweglicher war als er. Dann kamen die Herrscher der Gebiete, die Armee. Und sofort sahen wir, wer hier das Sagen hat. Die Soldaten waren dicke Freunde der gewalttätigen Wilden, legten ihre Waffen um ihre Schultern und nahmen sie zur Seite, ließen sich über die Situation und die Vorfälle berichten, um dann sagen zu können, wer die guten, wer die bösen Kerle waren. Der Tumult ging weiter  - und die Armee stand daneben, beobachtete untätig und machte sich nicht die Mühe, einzugreifen.

Ein Streifenwagen der Polizei und Grenzpolizei tauchte sehr bald auf  Wir merkten uns das Nummernschild des Vehikels. Unter den Soldaten waren Offiziere….Einer von ihnen wollte wissen, was hier vor sich geht. Ich erklärte es ihm. Dann sagte er mir Worte, die mir sehr deutlich machten, wer sie geschickt hat und warum (Obwohl mir schon lange klar war, in welchem Land ich lebte). Er sagte: Dies hier ist Staatsland. D.h. also ein Staat erobert Gebiete, die einem andern Staat gehört, erklärt sie zu „Nicht-Staat“ und seine Bewohner zu „Nicht-Bürgern“ und ihr Land zu Staatsland. Und dann unter der Schirmherrschaft dieser Definitionen kann man alles tun, was einem gefällt: man erklärt die legalen Bewohner des Ortes zu „Nicht-Menschen“ und deshalb haben sie auch keine Menschenrechte. Man nimmt, konfisziert, demoliert, vertreibt, schüchtert ein … Staatsland!  Aber was ist dann mit den Bewohnern dieses „Staats“ ….?

 

Die Träger der Uniformen wissen und verstehen sehr wohl, was mit „Staatsland“  gemeint ist und welche Macht hinter der Definition steckt: das Leben der andern zu zerstören – und sie tun es ….

 

(dt. und stark gekürzt: Ellen Rohlfs)