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Wessen Road map?

 

Jeff Halper, 6. November, Jerusalem Post

 

So wie Olmerts Ankündigungen im letzten August in Jericho waren, wo er eine Bereitschaft des Rückzuges aus einem Gebiet erkennen ließ, die 100% den besetzten Gebiete entsprächen, so sind auch seine letzten Erklärungen gegenüber dem Saban-Forum in Gegenwart von Condoleezza Rice und Tony Blair gewesen. Sie klangen vielversprechend  und  bewegend. „Annapolis ist ein Meilenstein“, sagte er, auf dem Weg zu Verhandlungen und  zu echten Bemühungen, die Vision der Verwirklichung von zwei Staaten zu  erreichen: dem Staat Israel – der Nation des jüdischen Volkes und dem Staat Palästina – der Nation des palästinensischen Volkes.“

Außerdem drückte er seine Hoffnung aus, dass die Zwei-Staatenlösung erreicht werden würde, bevor US-Präsident George Bushs Amtszeit im Januar 2009 zu Ende ist.

Die Rede klang ernsthaft, ja sogar leidenschaftlich. Olmert machte den Eindruck, er  wäre bereit, sich allen Schwierigkeiten zu stellen, einschließlich der Notwendigkeit, dass Israel seinen Teil des Road Map-Handels erfüllen würde. Er bestätigte klar und deutlich, dass Israel jetzt mit der palästinensischen Führung einen „Partner für  Frieden“ hat. Die ganze Grundlage erschien abgedeckt zu sein; die Verpflichtung der israelischen Regierung  gegenüber der Road Map und eine Zwei-Staatenlösung – ohne jeden Zweifel.

 

WAS IST also das Problem? Das fehlende Stück, das wichtige Dokument, das jede Chance einer lebensfähigen Zwei-Staaten-Lösung untergräbt, ein Faktor in Israels strategischen Ansichten, die  Olmert  vor ein paar Tagen so nebenbei erwähnte: ein Brief von Bush vom April 2004 an den damaligen Ministerpräsidenten Sharon. Dieses wenig beachtete Dokument veränderte von Grund auf die Parameter von dem, was bis jetzt bei jedem „Friedensprozess“ diskutiert wurde und was Israels Verpflichtungen der Road Map nach wären. Es wird von der israelischen Regierung als das vielleicht  wichtigste Element bei den Bemühungen  betrachtet: die großen Siedlungsblöcke zu behalten. Damit wäre die Möglichkeit eines lebensfähigen palästinensischen Staates aufgekündigt.

 

Das Wesentliche von Bushs Brief, der im Abgeordnetenhaus gleich mit 407: 9 ratifiziert wurde und im Senat mit 95:1 ist folgende Passage: entsprechend der neuen Realitäten vor Ort, einschließlich der bestehenden großen israelischen Bevölkerungszentren, ist es unrealistisch, zu erwarten, dass das Resultat - der Endstatus - ein voller Rückzug auf die Waffenstillstandslinien von 1949 sein werden“.  In einem scheinbar harmlosen Satz unterminiert Präsident Bush  unwiderruflich, aber bewusst, die UN-Resolution 242, die Grundlage der Zwei-Staatenlösung  seit 1967 und  seiner eigenen Road-Map-Initiative.

Dadurch annulliert er die Forderung, dass Israel zur Grünen Linie zurückkehrt ( mit übereingekommenen kleinen Grenzkorrekturen), damit ein lebensfähiger palästinensischer Staat entsteht.

 

Israel übernimmt die amerikanische Position – die von den andern drei Mitgliedern des Quartetts  (der UN, EU und Russland) zurückgewiesen werden , na und? -  als Einverständnis, die größeren Siedlungsblöcke zu behalten. Es sind sechs oder sieben an Zahl: das Jordantal, der Arielblock, der Modiinblock, die drei Blöcke, die „Groß Jerusalem“ ausmachen (Givat Zeev, Maaleh Adumin und der Etzionblock/Efrat)  und vielleicht ein weit ( in die Westbank) hineinreichender Block in Hebron. Wenn also Olmert von „entsprechend der Road Map“ sagt, meint er Rückzug aus allen besetzten Gebieten außerhalb der Siedlungsblöcke, da sie seit dem Bushbrief von Israel annektierte Gebiete sind. Das massierte Bauen der Siedlungen und der Schnellstraßen zwischen diesen Siedlungsblöcken stellt deshalb keinen Bruch an Israels Verantwortlichkeit dar, den Siedlungsbau zu stoppen, wie es in der ersten Phase der Road Map  steht, da sie nun nicht mehr Teil der besetzten Gebiete sind.

Das Gebiet der Siedlungsblöcke, das Israel behalten will, scheint nicht so groß zu sein, zwischen 10-20 % der Westbank, einschließlich „Groß-Jerusalem“ . Aber es ist wichtig für einen lebensfähigen palästinensischen Staat – und „Lebensfähigkeit“ ist ein Ausdruck der Road Map.

 

Die Siedlungsblöcke eines israelischen „Groß-Jerusalem“ nehmen den Palästinensern das wirtschaftliche Zentrum ihres zukünftigen Staates, da 40% der palästinensischen Wirtschaft – gemäß der Weltbank – mit Tourismus in Jerusalem zu tun hat. Die anderen Blöcke schneiden die Westbank in drei „Kantone“ (Sharons Ausdruck, da Olmerts Abtrennungsplan, den er nie aufgegeben hat, sich auf Sharons Kantonisierungsplan stützte). Der Jordantalblock sichert Israels Kontrolle der Grenze und das Wasser des Jordan.

Während Olmert die Road Map akzeptiert, hat er tatsächlich ein völlig anderes Dokument im Hinterkopf als das der UN, der Europäer, der Russen und der Palästinenser selbst. Ein Bestandteil  der israelischen Version des Dokumentes sind die angehängten „14 Vorbehalte“, die  die Roadmap als einen echten Weg zum Frieden  unwirksam machen.

Vorbehalt fünf z.B. stellt fest, dass der provisorische Staat provisorische Grenzen und gewisse Aspekte von Souveränität haben wird und völlig entmilitarisiert ist… keine Autorität haben wird, Verteidigungsbündnisse zu schließen oder militärische Zusammenarbeit;  israelische Kontrolle über den Grenzverkehr, was Personen und Güter betrifft, bleibt,  auch die Kontrolle über den Luftraum und das elektromagnetische Spektrum.“

 

Am Ende werden die Palästinenser etwa 80-90% der Westbank erhalten, aber keinen lebensfähigen Staat. Sie werden sterile Gebietsstücke haben, während Israel die Kontrolle über die Grenzen behält, auch über den Personen- und Güterverkehr innerhalb des palästinensischen Staates und zwischen ihm und den angrenzenden Ländern, über den größten Teil des landwirtschaftlich nutzbaren Landes, über fast alles Wasser, über den palästinensischen Luftraum und sogar  über ihre Telefonverbindungen. Der palästinensische Staat hat so keine lebensfähige Wirtschaft. Geht man von der Zahl aus, dass 60% der Palästinenser unter 18 Jahre alt ist  und dass dieser Ministaat Hunderttausende von Flüchtlingen aufnehmen soll, so sind seine Aussichten für einen lebensfähigen, stabilen und  wirklich unabhängigen Staat gleich Null, wenn es nach den unausgesprochenen Parametern in Bushs Brief geht.

 

Es wird  einen palästinensischen Staat geben. Israel hat ein dringendes demographisches Bedürfnis – es will die fast  vier Millionen Palästinenser der besetzten Gebiete loswerden. Es besteht sogar womöglich der Versuch, ein paar hundert Tausend  israelisch-arabische Bürger aus dem galiläischen Dreieck unter dem Vorwand, den Palästinensern mehr Land zu geben, auszutauschen. Die wichtigste Frage ist : wird es ein lebensfähiger Staat sein? Wenn es stimmt, dass Olmert beabsichtigt,  Israel werde auf Dauer  die Siedlungsblöcke, ein israelisches Groß-Jerusalem behalten und die effektive Kontrolle über das ganze Land bis zum Jordan, dann werden wir anstelle der Besatzung nur eine raffinierte Form von Apartheid  haben. Der Teufel steckt nämlich im Details.

 

Der Autor ist der Koordinator des israelischen Komitees gegen Hauszerstörungen. (ICAHD)

Jeff@icahd.org    

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(dt. Ellen Rohlfs)