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Ein gefährlicher Maskenball

 

Gideon Levy, Haaretz, 26.3. 07

 

Die Regeln des Anstands werden eingehalten: Ein Willkommen an die US-Außenministerin, dem UN-Generalsekretär, die hierher gekommen sind und auch der deutschen Bundeskanzlerin, die nächste Woche kommen soll. Aber die Regeln der Logik  werden  weniger eingehalten. Wir müssen fragen: „Warum kommen sie eigentlich?“

 

Alle drei erklärten, sie kommen, um eine Lösung des Konfliktes zu fördern. Aber diese ganze Schau  - so müssen wir leider sagen – ist nichts anderes als ein lächerlicher Maskenball: mit ihren zwecklosen und unnötigen Besuchen lassen sie den  Konflikt nur  weiterbestehen und festigen  ihn sogar. Es ist der Konflikt, der den Weltfrieden am meisten bedroht.

 

Die Tatsache, dass alle drei den gewählten palästinensischen Ministerpräsidenten  boykottieren, lässt keine Chance für einen Fortschritt zu. Dieses blinde/ verblendete Trio besucht den falschen Ort. Wenn die  drei wirklich etwas tun wollen, müssen sie zwei Dinge tun:  sich mit Ismail Haniyeh treffen und ihn dahin bringen, dass er Israel anerkennt – und sich mit Ehud Olmert treffen und ihn dahin bringen, die Besatzung zu beenden. Ohne diese beiden Elemente – geht gar nichts.

 

Es ist schwer zu verstehen, wie es Israel noch einmal gelungen ist, die internationale Gemeinschaft nach seiner Flöte tanzen zu lassen. Nachdem es die Welt in einen sinnlosen Boykott Yassir Arafats hineingezogen hat, zieht es sie in einen Boykott gegen Haniyeh, was  nur  einem Ziel dient, die Schlüssel zur Beendigung des Konfliktes in Händen zu halten, nämlich sämtliche Verhandlungen zurück zu weisen.

 

Europa und die USA sollten begreifen, dass die palästinensische Einheitsregierung einen Partner geschaffen hat. Sie müssen auch begreifen, dass es unmöglich ist, nur mit der Hälfte der Führung Frieden zu schließen und dass es genau die Präsenz von Hamas in der Regierung ist, die garantieren wird, dass jede erreichte Lösung erfüllt werden kann.

 

Den gewählten Ministerpräsidenten nur deshalb zu boykottieren, ist das, was sich die Verweigerungsfront in Israel und Washington wünscht. Es ist ein Akt der Dummheit. Ein Besuch bei der palästinensischen Behörde während des Boykotts des Ministerpräsidenten ist sinnlos.

 

Demokratie ist ein übertrieben hoher  Wert in den USA. Doch als die palästinensische Behörde das einzige Land der arabischen Welt war, in dem freie Wahlen abgehalten wurden, wandte sich die Welt von ihm ab. Was will die Welt den Palästinensern damit signalisieren? Dass die Wahlen nur eine mechanische Angelegenheit sind,  die Ergebnisse aber  im voraus bestimmt sind? Dies wäre eine eklatant anti-demokratische Botschaft für die sich eben erst entwickelnde palästinensische Demokratie. Es wäre auch eine negative Botschaft hinsichtlich zur Gewaltlosigkeit: Hamas, die eine Feuerpause angenommen hat, politisch aber nichts dafür zurück erhält.

 

Wenn es auch noch möglich ist, diesen Boykottbesuch von Condoleezza Rice, der Mutter der Boykott-Doktrin, zu verstehen und vielleicht auch noch den von Angela Merkel, deren Land eine sehr vorsichtige Politik gegenüber Israel ausübt – so ist es doch unmöglich, den Boykott von Seiten des UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon  zu verstehen. Wer wies ihn auf den Boykott eines gewählten Ministerpräsidenten hin. Gab es eine Entscheidung bei der UN-Vollversammlung, dass die Welt die Einheitsregierung boykottieren solle. Benimmt sich ein ehrlicher Makler in dieser Weise?

 

Es ist nicht weniger beunruhigend, dass der Vorsitzende der palästinensischen Behörde Mahmood Abbas bei dieser Scharade mitmacht. Wenn er ein Führer von einigem Ansehen wäre, dann würde er seinen Gästen sagen: „Ahlan wa sahlan – herzlich willkommen! – aber keine Boykotts.“ Und er würde weitersagen: ich habe mit meinem Ministerpräsidenten auch eine intensive Debatte, aber dieses Argument muss im Dialog gelöst werden und nicht durch Boykott. Ihr wollt mit mir zusammentreffen – dann auch mit Haniyeh. Ihr wollt mich nach Washington einladen, dann meinen Seniorpartner auch.

 

Doch diese mutige Haltung fehlt – Abbas erscheint wie ein schwacher Führer. Vielleicht nicht gerade wie ein „Chick“ , aber doch wie eine Marionette – gerade so wie Israel und die USA ihn haben wollen.

 

Dies gilt umso mehr für den Wirtschaftsboykott. Diejenigen, die einen politischen Fortschritt sehen wollen, müssen sich auch um eine Verbesserung  der unmenschlichen Lebensbedingungen in den besetzten Gebieten bemühen. Die Welt muss die Schmerzen der Besatzung mildern. Solange die „Boykotter“ die Hilfe für die Palästinenser verhindern, werden sie zu vollkommenen Komplizen der Ungerechtigkeit der israelischen Besatzung. Eine Welt, die andere ausstößt, kann Israel gegenüber keine Forderungen stellen, was die Besatzung betrifft.

 

Israel sollte eigentlich  am meisten daran interessiert sein, den Boykott zu beenden. Wenn es wirklich am Frieden interessiert ist, hätte es die Errichtung der Einheitsregierung nur begrüßen müssen, und es sollte die Weltführer ermutigen, sich mit deren Führung zu treffen. Wem dient der Boykott, der die Hamas weiter in die Arme des Iran treibt? Nicht Israel und nicht der Chance eines Friedens.

 

Wenn heute in Ramallah und Jerusalem der rote Teppich ausgerollt wird, wird jedem klar, dies ist  nur ein gefährlicher Maskenball.

 

(dt. Ellen Rohlfs)