Israel-Palästina
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Gaza, Ramallah: Auseinandergerissen
im selben Land.
Von Lama Hourani, Gaza Sunflower (Blog), 26. November 2007
"Mami, was ist das? Wir sind doch in Ramallah,
nicht in Gaza!!" Das war Luais Reaktion auf das
donnernde Geräusch vor einigen Tagen. Es war so stark, dass wir sekundenlang
dachten, es wäre eine Schallbombe.
Ja, seit 30. Juni sind wir in Ramallah. An dem Tag
ohne Rückkehrerlaubnis wurde mir gestattet, Gaza zu verlassen. Ich verließ Gaza
mit Luai, aber mein Mann Adi blieb da, weil er zu
diesem Zeitpunkt hoffte, dass sich die Umstände bessern würden. Aber sie sind
nicht besser geworden. Adi musste alles was wir hatten verkaufen, das Auto, die
beinahe vier Jahre alte Wohnung und die Möbel und dann wartete er auf die
Genehmigung, das Permit, zu uns nach Ramallah zu kommen. Erst am 15. Oktober konnte er
kommen.
Wir waren vier ein halb Monate alleine, in einer fremden Stadt, hauptsächlich
von Fremden umgeben. Wir sprechen dieselbe Sprache, haben aber nichts anderes
gemeinsam als die israelische Besatzung, die aber hier eine andere Erfahrung
ist.
Es ist ein sehr seltsames Gefühl, Gaza zu verlassen und nach Ramallah zu kommen. Es ist so als würdest du emigrieren.
Eine Zeit lang vergessen wir, dass wir über dasselbe Land sprechen, Palästina,
und dieselben Menschen sind, Palästinenserinnen und Palästinenser. Gut,
üblicherweise unter normalen Bedingungen, in normalen Ländern, wenn sich Leute
dazu entschließen, im selben Land von einer Stadt in eine andere zu
übersiedeln, dann ist es nicht so schwierig oder so seltsam. Wenn jemand
beschließt, von Wien nach Straßburg zu übersiedeln, kann sie oder er weiterhin
Freunde und Verwandte treffen, von Zeit zu Zeit oder wenigstens an Wochenenden
und zu Urlaubszeiten. Es ist ihnen möglich, ihr eigenes Hab und Gut in einem
Lastwagen von dem alten Wohnort in den neuen zu transportieren. Sie können in
ihrem eigenen Auto von Wien nach Straßburg fahren. Sie können gemeinsam
übersiedeln, am selben Tag und zur selben Stunde und ohne Checkpoints und
Durchsuchungen auf ihrem Weg.
Aber wir waren vier ein halb Monate voneinander getrennt, wegen der Sperre des
Gazastreifens, die die israelische Armee verhängt hat. Jeder von uns litt
alleine und auf unterschiedliche Weise. Wir haben keine Hoffnung unsere Freunde
je wiederzusehen, es sei denn, es geschieht ein
Wunder. Es war uns nicht möglich, irgendetwas von unseren Sachen mitzunehmen,
außer einigen sehr persönlichen. Wegen der Sperre des Gazastreifens war uns
sogar nicht erlaubt, Bücher mitzunehmen. Uns wurde nur eine
12-Stunden-Erlaubnis gewährt, die uns gestattete, ohne Rückkehr in die West
Bank zu gehen. Wir mussten alle Brücken zu der Stadt abbrechen, in der zu leben
wir vor 13 Jahren gewählt hatten.
Gaza, das große Gefängnis, die Stadt der Liebe und des Hasses, des Meeres und
der Wüste, die Stadt der Armut und des Reichtums, die Stadt der Helden und der
Feiglinge, die Stadt der Kämpfer und der Gangster, aber vor allem die Stadt der
Menschen, die das Leben lieben und die wissen, wie es funktioniert, mit einem
Minimum zu überleben. Ich liebe diese Stadt, ich liebe ihre Menschen, ich liebe
ihr Meer, ihre lauten und überfüllten Strassen voller Autos, Tiere und
Menschen. Ich vermisse diese Stadt und meine Freunde dort wirklich.
In Ramallah zu leben scheint einfacher zu sein, aber
für mich ist es nach wie vor schwierig. Ich habe mich entschieden, dazu noch
keine Stellung zu nehmen, noch nicht. Bis jetzt waren meine Erfahrungen hier so
schwierig und das ist es, worüber ich in Zukunft zu schreiben versuche.
Ich bin froh, dass ich wieder schreiben kann, ich werde mich bemühen, alle
neuen Erfahrungen zu reflektieren und wie üblich, Luais
Reaktionen. Er vermisst Gaza auch, er zeigt es auf kindliche Weise. Wenigstens
durch das Schreiben werde ich mit meinen Freunden in Gaza in Verbindung
bleiben, die ich für lange Zeit nicht sehen werde.
Aber ich habe noch immer die Hoffnung, dass es mir einmal möglich sein wird,
wieder nach Gaza zu gehen.
Ramallah 26/11/2007
Übers.: Tina Salhi
http://gazasunflower.blogspot.com/