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Am Kontrollpunkt ein Bonbon

 

Amira Hass, 6.9.07

 

Es ist Donnerstagmittag und Khaled, ein Anwalt, bemerkt es sofort: der ältere Soldat, der die Ausweise am Za’atra-Kontrollpunkt kontrolliert, ist zu den Leuten freundlich. Der Soldat schaute in den Wagen, sah die drei Kinder, lächelte und gab jedem ein Bonbon.

Khaleds erste Reaktion war, die Süßigkeiten  abzulehnen… .Er erklärte dem Soldaten nicht, dass die Bonbons und seine Höflichkeit die Realität nicht ändern: dieser Checkpoint am Fuße der  sich  weiter ausdehnenden Siedlung Tapuach ist ein Teil des ganzen Komplexes von Straßenzäunen , Hindernissen auf Nebenstraßen, Abtrennung des Landes von ihren Dörfern und oft die Isolierung der im Norden lebenden  Palästinenser von denen im Süden der Westbank.

 

Den Kontrollpunkten in der Westbank  schenkt man in Israel besonderes Aufmerksamkeit, besonders dann, wenn die Armee oder der Verteidigungsminister verspricht, ein paar abzubauen. Tatsächlich sind im Vergleich zu 2002 und 2004 die Zahl der Kontrollpunkte zurückgegangen, aber erst nachdem Israel sein Ziel erreicht hat: ein separates Transportsystem zu schaffen: Straßen bester Qualität für die Juden und die Siedlungen und  die schlechtesten Straßen für die Palästinenser.

 

Da der Bau des separaten Straßennetzwerkes, der Bau des Trennungszaunes und der Checkpoints – die großen Landräuber – fast fertig ist, ist es auch möglich, ein paar Kontrollpunkte aufzuheben. Es ist nicht die Menge die zählt, sondern Israels Erfolg, die Ausfahrten aus jedem palästinensischen Distrikt zu verringern und das Dirigieren des palästinensischen Verkehrs zu den wenigen Straßen, die die Enklaven mit einander verbinden.

 

Garantierte „freie“ Bewegung wird umgeleitet von der jüdischen territorialen Nachbarschaft, die in den letzten 17 Jahren in der besetzten Westbank geschaffen wurde.

 

Samstagnachmittag 3 Uhr. Mehrere hundert Leute warten am Hawara-Kontrollpunkt auf ihrem Weg nach Nablus. Alle drei Minuten eine Person. Geschätzte Wartezeit ist wenigstens zwei Stunden.

Die Leute stehen in der Hitze, die meisten ruhig, aber  ungehalten. Einige flüstern ein Gebet, andere seufzen. Immer wenn die Spannung wächst, machen die Soldaten ihre Kontrolle noch langsamer.

 

Das endlose Gerede über das „Aufheben von Kontrollpunkten“ macht  die Debatte über die Rolle der Kontrollpunkte für die meisten Medien und ihre Konsumenten  überflüssig.  Die sture Arbeit von Machsom Watch ist zuweilen wirksam und gelegentlich wird sogar eine besonders brutale Konfrontation mit einem IDF-Soldaten in einer Tageszeitungen gebracht. Aber die Routine der Kontrollpunkte, die den Palästinensern hundert Tausende von Stunden ihres Lebens und der täglichen Energie rauben, kommt in den israelischen Medien nicht vor. Dieser Zeitverlust ist eine wirksamere Waffe als irgend eine Artilleriegranate, die an den Kräften des palästinensischen Volkes zehren und  es dahin bringen, mit der Lösung eines Enklavenstaates einverstanden zu sein.

 

Samstagabend, der Hawara-Checkpoint ist geschlossen. Nablus liegt bis zum Morgen unter  Ausgangssperre. Aber ein Wagen verlässt Nablus in Richtung Ramallah  mit ranghohen PA-Leuten, nachdem sie sich  mit der IDF abgesprochen hatten. Die VIP-Reisenden im PKW kommen von einem  Spezialdinner. Nablus am Abend zu verlassen, ist Luxus …Die Verantwortlichen, die eine regierende Klasse vertreten und so zu den Parteien von Verhandlungen ( um einen Enklavestaat) angehören, sind glücklich über das Bonbon, das ihnen Israel gewährt. Sie können nicht verstehen, warum ihr Volk sie verachtet.

 

Es ist Samstagmorgen am Beit El-Kontrollpunkt für VIPs (PA ranghohe Offizielle, Angestellte von internationalen Organisationen, israelische und ausländische Journalisten). Der junge Soldat  beschimpft einen israelischen Journalisten: „Es ist wirklich bedauerlich, was   eine Jüdin am Shabbat in Ramallah auf der anderen Seite tut“.

 

Seine Kontrolle und sein patriarchalischer Ton forderte eine Antwort heraus: „Es ist bedauerlich, dass so eine junge Person wie du hier stehst, um die Besatzung zu verteidigen.“

 

Wie erwartet, ist der Soldat nicht davon überzeugt: „ Ich verteidige nicht die Besatzung – ich verteidige Beit El.“

„Genau dies, du verteidigst also die exzessiven Privilegien von Juden.“

„Nein“, antwortet er, „mein Vater kämpfte im Unabhängigkeitskrieg. Ich diene hier um das weiterzumachen, was er angefangen hat.“

 

(dt. und  etwas gekürzt: Ellen Rohlfs)