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Die Hebron-Taktik

 

Amira Hass, Haaretz, 8.8.07

 

Etwa 25 Minuten benahmen sie sich wie die Herren des Landes. Ein Mann, dem später ein jüngerer folgte, kam von Mitzpeh Yair, einer der illegalen Außenposten in den südlichen Hebroner Bergen und hinderte ein UN-Jeep an der Weiterfahrt. Anordnungen der UN verbieten in solchen Fällen das Verlassen des Fahrzeugs, um eine Eskalation   zu verhindern.

So waren wir – drei Mitarbeiter von OCHA ( Koordinierung für menschliche Angelegenheiten) und zwei Journalisten von Haaretz gezwungen,  von innerhalb des Fahrzeugs zuzusehen, wie sie ihre Herrschaft über das Land demonstrierten. Der Ältere blockierte die Weiterfahrt des Fahrzeuges mit seinem Körper mitten auf der ungeteerten Piste Mit Handbewegungen machte er deutlich, man  solle den Motor ausschalten. Als dies nicht geschah, sprang er auf  die Kühlerhaube, dann auf das Dach und zurück auf die Kühlerhaube und schließlich legte er sich auf die Windschutzscheibe und spielte mit den Wischern und nahm sie ab. Der Fahrer fuhr langsam weiter, der Mann lehnte sich kräftig an die Windschutzscheibe bis sie brach. Glassplitter trafen ins Auge des Fahrers.

 

Unterdessen kam der Jüngere. Er versuchte, die Fahrertür zu öffnen und schrie: „Zeigt mir eure Ausweise!“ Er legte große Steine vor die Räder. Mit der Zeit tauchte die Armee und die Polizei auf. Der ältere Mann schrie den Haaretz-Photographen Alex Levac an: „Geh dorthin, wo du herkamst!“ Als ihm bewusst wurde, dass Levac ein im Lande geborener Jude ist, schrie er: „Verräter, der du mit der UN zusammenarbeitest!“ Beide Männer, die gerade in dem Außenposten leben, waren im Ausland geboren. Der jüngere, ein britischer Bürger, hatte noch nicht einmal den Status eines neu Eingewanderten.

 

Aber was macht das? Es macht auch nichts, dass der Soldat sie als „problematisch“ beschreibt, und dass die Polizei den Älteren von früheren Schikanevorfällen kannte. Es machte auch nichts, dass der Offizier ihre absurde Geschichte, wir wären in ihrem Olivenhain gewesen und hätten versucht, den Älteren zu überfahren, nicht glaubte. Diese Taktik ist von Hebron wohl bekannt. Es ist dieselbe, die half, die Altstadt von den meisten seiner palästinensischen Bewohner zu säubern: Juden schikanieren, tyrannisieren und drohen dann  mit Klagen gegen ihre Opfer bei der israelischen Polizei.

 

Schikanen und Sabotage viel ernsterer Natur als das, was wir erlebten, ist für palästinensische Hirten und Bauern in der Region zur Routine  geworden.  Eine Folge davon: von den  etwa 3500 Bewohnern des Gebietes, das als Masafer Yatta (Yattas Umgebung) bekannt ist, haben  850 ihre Behausungen, Höhlen und Zeltlager verlassen. Manchmal war ihnen der Zugang zum Wasser beschädigt, manchmal ihre Herden in Mitleidenschaft gezogen oder auch sie selbst. Sie haben Berge von Papier mit Klagen, die sie der Polizei vorlegten. Schließlich hörten sie damit auf, Klagen einzureichen.

 

Es ist leicht, den beiden Männern oder solchen wie ihnen, die Schuld zu geben.  Sie üben  gegenüber den Palästinensern  Terror aus, weil die israelischen Behörden es zulassen.

Sie tun auf ihre Weise dasselbe wie die „legitimen“ Besatzungsbehörden: Sie treiben die Palästinenser von ihrem Land, um Platz für die Juden zu machen. In andern Worten: sie folgen Befehlen.

 

Vor 10 Tagen ließ ein Inspektor der Zivilen Verwaltung einen Traktor und einen Wassertank beschlagnahmen, der den Hadidiya gehört, einer Gemeinde von Bauern und Hirten im nördlichen Jordantal. Es war  Unterdrückungstaktik, mit der man sie dahin bringen will, ihren Zeltplatz zu verlassen, weil es sich ( angeblich)  um ein geschlossenes militärisches Gebiet handelt. Es ist eine von Dutzenden von Gemeinden, die seit Jahrzehnten im Tal lebten. Seit 1967 sind die Hadidiyas schon viermal vertrieben worden. Die Besatzungsbehörden verwenden alle möglichen Arten von Taktiken, um diese Gemeinden in „unberechtigte“/ illegale Bewohner ihres eigenen Landes zu machen.

 

Die  von ihnen  benützten Quellen und Brunnen  wurden der Israelischen Wassergesellschaft zugesprochen:  das Wasser, dass von der nationalen Gesellschaft in der Nähe gebohrt wird, wird von den „legitimen“ Siedlern verwendet, den Hadidyahs aber verboten. Deshalb müssen sie ihr Wasser von einer entfernten Quelle holen. Die Armee hat weite Gebiete des Jordantales zu Schießübungszonen erklärt – die an den Grenzen der Siedlungen enden.

 

Die israelischen Behörden haben sich geweigert, das Land neu einzuteilen, um es der Gemeinde zu ermöglichen, an der Stelle zu leben, wo die Alten ihre Kindheit verbracht haben. Das angrenzende Land wurde aber neu eingeteilt, damit Juden, israelische Bürge, dort leben können. Nun hofft die Zivile Verwaltung, dass der Durst sie von dem Stück Land vertreiben wird, das ihnen zugewiesen war, bei dem es aber kein geeignetes Land mehr für Landwirtschaft und als Weide für Vieh gibt. Das ist – mit wenigen Worten -  Israels Politik gegenüber Palästinensern  – und das ( im Augenblick wieder  stattfindende ER ) Gespräch über Frieden ändert nichts daran.

 Die Bewohner von illegalen Außenposten tun nichts anderes, als diese Politik nachzuahmen und erhalten durch sie beides, Inspiration und Schutz.

 

( dt. Ellen Rohlfs)