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Welcher Anschlag?

von Amira Hass, Haaretz 25.10.07

 

Dicht an dicht stehen die Polizisten der palästinensischen Präsidentengarde in den Straßen von Ramallah, wann immer die Leute des Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde Mahmoud Abbas (Abu Mazen) durch kommen oder wenn ein hochrangiger Gast ihn besucht. Wenn man nach der dramatischen Art urteilt, in der die israelischen Medien vor zwei Tagen den "Mordanschlag" gegen Premier Ehud Olmert abhandelten, könnte man schließen, die Verschwörer seien im letzten Moment aus den Reihen der Präsidentengarde entfernt worden, als sie gerade dabei waren, auf Olmerts Auto zu schießen, der sich auf dem Weg befand, von den Kochkünsten der Gemahlin Saeb Erakats zu kosten.

 

Die dramatischen israelischen Berichte verwirrten die palästinensischen Sprecher. Ein jeder gab eine andere Version, was nur den Eindruck verstärkte, dass es sich hier um eine Verhaftung der üblichen Verdächtigen handele. Die Sprecher ihrerseits hatten sofort den Verdacht, das israelische Drama sei konzipiert, das Annapolis-Treffen zu verhindern. - Als wäre das Treffen je dazu bestimmt gewesen, eine Erfolgsstory zu werden.

 

Man sollte eben nie offiziellen Sprechern trauen, sicher nicht solchen von irgendwelchen Sicherheits-Diensten, woher auch immer. Wir sollten also den von den  servierten palästinensischen  Einzelheiten nicht unbesehen Glauben schenken: Dass die drei (oder fünf) Männer einfach untereinander einen "unreifen" Plan diskutierten, dass die geplante Waffe ein Molotov-Coctail sein sollte, und dass sie nach zweimonatiger Untersuchung durch den präventiven Sicherheitsdienst frei gelassen wurden, weil sich nicht genügend Anhaltspunkte für eine Anklage ergaben. In Ramallah kam man zu dem Schluss, dass die beiden Männer, die letzten Freitag zum zweiten Mal festgenommen worden waren, im Grunde inhaftiert wurden, um sie vor einer Verhaftung durch Israel zu schützen, nachdem einer ihrer Freunde an einem Militär-Checkpoint festgenommen worden war. Ebenso ist es legitim, wenn nicht empfehlenswert, zu fragen, ob es sich hier nicht um ein bewusst vom Shin Beit Geheimdienst gesteuertes Aufblasen der Sache handelt. "Der Shin Beit weiß sehr wohl, dass es sich hier nicht um eine ernsthafte Konspiration handelt. Was hätte sonst die israelische Armee daran gehindert, die Freigelassenen festzunehmen?" fragte man sich in Ramallah.

 

Das israelische Bild von den PA Sicherheitsdiensten ist   eher von Phantasie genährt als von Realität. Die Einzelheiten dieser Realität sind es, die die Palästinenser bewegten, den dramatischen israelischen Berichten  keinen  Glauben zu schenken: Schließlich können sich immer mal zwei Leute zu einer Zelle in einer der vielen Gruppierungen der Al Aqsa – Brigaden erklären, und der Shin Beit kann wahllos drei Fatah-Mitglieder zur "terroristischen Zelle" deklarieren und so die imaginäre Gefahr, die sie repräsentieren, gebührend ausschmücken.  Junge Palästinenser, meist Fatah-Unterstützer, schlossen sich den Sicherheitsdiensten an hauptsächlich wegen der dort gebotenen Gehälter in einer Zeit chronischer Arbeitslosigkeit. Ihre militärische Ausbildung und ihre Fertigkeiten sind entsprechend mangelhaft. Die wahren Motive hinter der Wahl des Titels "Al Aqsa – Märtyrer" haben mehr mit Arbeitsplätzen, mit Ehre und Kraft zu tun, als mit der Möglichkeit, etwas gegen die Besatzung zu tun. Die Arroganz blüht auf Kosten der Ernsthaftigkeit. Und keine der palästinensischen Ebenen, von den oberen Rängen beider Regierungen bis zu den "Basiszellen", zeichnet sich durch übertriebene Planungsfähigkeit aus, eine der Grundbedingungen für die "Planung eines Mordanschlags" wie für einen irgend gearteten Kampf gegen Fremdherrschaft.

 

Die palästinensischen Sprecher waren nicht verwirrt, weil Israel "sie in flagranti ertappte", sondern weil Israel laut und deutlich daran erinnerte, was es in Wirklichkeit von der Palästinensischen Autonomiebehörde erwartet:  Dass sie als Gefängnis-Hilfswärter fungiert, eine Art Subunternehmer der israelischen Besatzung. Seit Ihrer Entstehung  schwankte die PA zwischen zwei Extremen: Einerseits Israel und die USA zufrieden zu stellen, andererseits das Volk zu überreden, sie führe es zum Ende der Besatzung. Einmal wird verhaftet und vertuscht, dann wieder entlassen und vertuscht. Abu Mazen verurteilt Israel mal, dann nennt er Israel wieder "unsere Nachbarn". Auf Grund dieser imaginären nachbarschaftlichen Beziehungen lud er Olmert zu einem Besuch in "seinen Staat" (in diesem Fall nach Jericho) ein.

 

Ob es sich hier um einen Plan handelt, der fehlschlug, (wäre er gelungen oder auch nur versucht worden, hätte er  die israelische Unterdrückung  auch nur verschlimmert), oder um eine Phantasie frustrierter junger Männer,    die "mörderische Verschwörung" erinnert die Regierung in Ramallah daran: Sogar, wer seinen Lebensunterhalt bei der PA verdient und von ihr wirtschaftlich anhängt, vergisst nicht, dass Israel nicht der Nachbar im Westen ist, sondern  der Besatzer, der sich bei ihm zu Hause breit macht. Für sie ist der israelische Premierminister nicht ein führender Politiker aus einem Nachbarland auf Besuch, sondern der erhabene Repräsentant der fremden Invasion.

(dt.Weichenhan-Mer G.)