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Ein Besuch im Dschungel

 

Akiva Eldar, Haaretz, 6.8.07

 

Letzte Woche beglückwünschte der Ministerpräsident das College in Ariel, dass es nun vom Judäa-und-Samaria-Rat für Höhere Bildung den Status einer Universität erhalten habe. Heute reist Ehud Olmert nach Jericho, um  mit dem Chef der palästinensischen Behörde, Mahmoud Abbas  über ein Abkommen über Prinzipien zu reden, ( vielleicht sogar über übereinstimmende Prinzipien) die zur Errichtung eines palästinensischen Staates führen.

 

Nach allen Landkarten, einschließlich derer unserer amerikanischen Freunde, soll das Land, auf dem die neue Universität steht, ein unveräußerlicher Teil des neuen palästinensischen Staates sein. Wie soll nun ein normaler palästinensischer Bürger  die Nachricht über die Beförderung des großen israelischen College mitten im Herzen der Westbank interpretieren? Welchen Wert könnte unter diesen Umständen Olmerts Versprechen gegenüber Abbas – in den Augen der Palästinenser - haben, dass er ein Friedensabkommen fördern will, das die israelische Besatzung beendet ?

Es ist denkbar, dass der Ministerpräsident keine bösen Absichten hegt. Olmert – wie die meisten Israelis – haben sich während der letzten 40 Jahre daran gewöhnt, in einer Welt der Doppeldeutigkeit zu leben. Während der ganzen Geschichte haben die israelischen Regierungen  eine Hand den „Arabern zum Frieden ausgestreckt“ und mit der anderen Hand weiteren Anspruch auf  die besetzten Gebiete erhoben. Um die Branche der Widersprüche zwischen dem, was gesagt und dem was getan wird, aufrecht zu erhalten, konstruieren Rechtsexperten ein großartiges System von Überbrückungen für die Politiker. Diese erlauben die De-facto-Annexion von palästinensischem Land, ohne die palästinensischen Bewohner mit zu annektieren.

 

Der Rat für Höhere Bildung in Judäa und Samaria ist eine dieser Erfindungen. D.h. die Errichtung und Entwicklung eines israelisch akademischen Instituts  außerhalb des Herrschaftsgebietes des Staates Israels wird so ermöglicht. Einerseits erkennt das Ministerium für Bildung die Grade an, die der Rat vergibt und auch das  von ihm angebotene Bildungsprogramm. Andrerseits erklärte die Bildungsministerin die kürzliche Entscheidung des Rates, das College aufzuwerten, für ungültig.

 

Der Kollaps der Heftsiba-Baugesellschaft  wirft ein Licht – besser gesagt, einen schweren Schatten – auf die Methode, die Israel ermöglicht, über Frieden zu reden und gleichzeitig in den (besetzten) Gebieten weiter zu siedeln. Das System von Planungs- und Bauregeln wurde  in Übereinstimmung mit den Bedürfnissen zweifelhafter jüdischer Landverkäufer, Immobiliengesellschaften, die der Siedlerführung gehören, und palästinensischer Strohmänner geschaffen, die bereit sind, ihre Heimat für Geld zu verkaufen.

Die Petition  der Bewohner  von Bilin und Peace Now an den Obersten Gerichtshof stoppte den Bau in Matityahu Ost, einem neuen Stadtteil der Siedlung Ober-Modiin. Dieser Fall machte ein schreckliches Phänomen sichtbar, bei dem das Büro des Staatsanklägers, die lokale Behörde und die Zivile Verwaltung zusammenarbeiteten – einige von ihnen aktiv und andere, indem sie wegschauten – und zwar mit einem gut geölten System, das palästinensischen Besitz stahl und in eine „saubere Sache verwandelte“.. Nur ein paar Dutzend Meter entfernt – innerhalb des israelischen Territoriums – würde kein Bauunternehmer mit dem Bau von Hunderten von Wohnungen ohne die nötigen Entwürfe, Baugenehmigungen und  einer gründlichen Überprüfung der Landbesitzdokumente davon gekommen sein.

 

Die gemischten Signale der Politiker werden durch  die Doppelmoral der Durchsetzung der Gesetze  ergänzt, die  die Siedler, die wahren Herren der besetzten Gebiete,  in die Lage versetzen, das Gerede über „politische Regelungen“ lächerlich erscheinen zu lassen.

 Nur dort ist es  einem  Kommandeur  möglich, einen überführten Mörder wie Menachem Livni, einem Mitglied des jüdischen Untergrundes, der zu lebenslangem Gefängnis verurteilt  und nach  sieben Jahren begnadigt wurde, ein M-16-Gewehr tragen zu lassen. Nur in diesem Land kann der Vizepräsident des Schiedsgerichtes Livni entlasten, der auf einen palästinensischen LKW schoss. Bei der Entscheidung des Obersten Gerichtes, die Livnis Verurteilung  durch das Distriktsgericht bestätigte, schrieb der Richter Edmond Levy, dass „diese Realität nicht akzeptiert werden solle, auch wenn sie weit weg vor der allgemeinen Öffentlichkeit in Gebieten jenseits der Grünen Linie stattfand, wo sie oft mit unannehmbarem Verzeihen betrachtet wird. Schließlich würde es keinem innerhalb Israels erlaubt sein, solch einen Akt gegen seine Nachbarn auszuführen – egal welche nationale Identität er hat – und unberührt vom Gesetz bleiben.“

 

Diese wenigen Beobachtungen erinnern uns an Ehud Olmerts  kluge Metapher,  Israel sei wie „eine Villa in einem Dschungel“. Wenn man den Vergleich mit einer Villa näher betrachtet, dann kann man dies auf verschiedene Weise tun: aber so lange der Verteidigungsminister und andere im Verteidigungs-, im politischen und  juristischen Establishment  die Gebiete rund um Ariel weiter als einen Dschungel  betrachten, dann kann sich der Ministerpräsident einen Ausflug nach Jericho während der Augusthitze sparen.

 

(dt. Ellen Rohlfs)